Eine Ärztin auf einer Intensivstation
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Alzheimer als Vorerkrankung unterschätzt

Das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf aufgrund von bestimmten Vorerkrankungen ist laut einer neuen Studie unterschätzt worden – das gilt etwa für Alzheimer und andere Demenzformen, aber auch für Bluthochdruck.

Vorerkrankungen – Krankheiten also, die schon vor der Infektion mit dem Coronavirus vorhanden waren – schwächen das Immunsystem und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Infekten. Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie werden verschiedene Erkrankungen immer wieder mit einem schweren Covid-19-Verlauf in Verbindung gebracht, bei dem die Patientinnen und Patienten beatmet und in eine Intensivstation eingewiesen werden.

Welche Vorerkrankung mit welchem Risiko verbunden ist, sei bisher teilweise nicht richtig eingeschätzt worden, heißt es in der Studie, die nun im Fachjournal „Biology Methods and Protocols“ veröffentlicht wurde. Alzheimer steht auf der Risikoliste der Studienautorinnen und -autoren gleich an erster Stelle. Unter den fünf Erkrankungen mit dem höchsten Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf befinden sich außerdem gleich drei weitere Formen von Demenz, außerdem Bluthochdruck.

“Erhebliche Mängel“ bei bisherigen Modellen

Die Bewertung des Sterblichkeitsrisikos durch Vorerkrankungen sei eine Herausforderung, räumt das Forschungsteam um um Heather M. Campbell vom Institut für Pharmazie der Universität von New Mexico in Albuquerque ein. Dennoch sieht es in den bisherigen mathematischen Modellen, die zur Einschätzung des Sterblichkeitsrisikos genutzt werden, „erhebliche Mängel“. So werden etwa ähnliche Krankheiten oft „in einen Topf geworfen“, obwohl die Covid-19-Verläufe sehr unterschiedlich sein können. Und seltene Krankheiten erhalten zu wenig Aufmerksamkeit.

Für ihr Prognosemodell verwendeten die Forscherinnen und Forscher Gesundheitsdaten des Kriegsveteranenministeriums der US-Regierung. Dieses ist zuständig für Leistungen an Veteraninnen und Veteranen und deren Familien und Hinterbliebene. Durch die große Datenmenge sei die Studie die bisher umfassendste zum Sterblichkeitsrisiko von Covid-19-Patientinnen und -Patienten, so das Forschungsteam.

Daten aus fast 25 Jahren

Beginnend mit dem Jahr 1997 wurden Diagnosen ab dem Zeitpunkt verwendet, an dem jemand zum ersten Mal eine medizinische Behandlung in Anspruch nahm – bis 14 Tage vor einem positiven Coronavirus-Test. So verglichen die Forscherinnen und Forscher die Krankheitsverläufe von insgesamt 347.220 Covid-19-Patienten und -Patientinnen, die bis September 2021 in Einrichtungen der Veteranenbehörden behandelt wurden. Auf der Grundlage der systematischen Erhebung aller Vorerkrankungen erstellte das Team eine prognostizierte Sterbewahrscheinlichkeit, die das Gesamtrisiko aufgrund der Vorerkrankungen angibt.

Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und andere Formen von Demenz das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf sehr viel mehr erhöhen als bisher angenommen. Weil Medizinerinnen und Mediziner diese Krankheiten in der Regel nicht mit Atemwegsproblemen und einem geschwächten Immunsystem in Verbindung bringen, seien sie durch die herkömmlichen Modelle zur Risikobewertung nicht erfasst worden, heißt es in der Studie.