Biodrucker
APA/GEORG HOCHMUTH
APA/GEORG HOCHMUTH
Young Science

Wie Gewebe aus dem Biodrucker der Forschung hilft

Intaktes menschliches Gewebe aus dem 3-D-Biodrucker – damit beschäftigt sich eine junge Molekularbiologin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Das Verfahren erleichtert die medizinische Forschung, etwa zum Wachstum von Tumoren. Und in Zukunft könnte der Biodruck auch Tierversuche überflüssig machen.

Es klingt wie in einem Science-Fiction-Roman, menschliche Organe können aber tatsächlich bereits in Laboren gedruckt werden. Gelungen ist das bisher unter anderem bei weniger komplexen Organen wie einer menschlichen Blase. Auch eine intakte Lunge konnte von Forscherinnen und Forschern bereits im Labor hergestellt werden, aber: „Die Lunge war nur wenige Zentimeter groß. Für ein Organ in normaler Größe bräuchte man einfach viel zu viele Zellen“, erklärt die Molekularbiologin Judith Hagenbuchner von der Medizinischen Universität in Innsbruck (MUI).

Young Science auf ORF Sound

Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen im Mittelpunkt der Serie „Young Science“. Die Beiträge sind auch auf ORF Sound zu finden.

Neben der Herstellung von Organen hat der Biodruck aber auch großes Potential in der Forschung. Hagenbuchner ist die Leiterin des 3-D-Bioprinting Labors der Innsbruck Universitätsklinik. Im Jahr 2018 gab es dort den ersten Biodrucker in Österreich. Seitdem arbeitet die Molekularbiologin mit einem Team daran, die Verfahren des Biodrucks für wissenschaftliche Zwecke zu verbessern.

Gedruckte Zellen und Tumore

Der Vorgang des Biodrucks sei vergleichbar mit herkömmlichen 3-D-Druckern, die üblicherweise mit Plastik arbeiten. „In unserem Fall ist das Plastik eben sozusagen eine lebendige Biotinte, die aus intaktem Zellmaterial besteht und mit Luftdruck entweder durch eine Nadel oder durch ein Ventil herausgedruckt wird“, so Hagenbuchner.

Die Biotinte lande dann zielgenau auf einem speziellen Chip, den die Innsbrucker Forscherinnen und Forscher extra für diesen Zweck entwickelt haben und selbst im Labor herstellen. Mit dem Druckvorgang ist die Arbeit aber noch nicht getan. Hagenbuchner: „Das Gewebe ist nach dem Druck nicht direkt fertig, es muss noch über mehrere Wochen reifen und sich entwickeln.“

Sofern die Biotinte auf dem Chip mit ausreichend Nährstoffen versorgt wird, bildet sie Gefäße oder auch kleine Tumore. Das Forschungsteam kann das Gewebe also beim Wachsen beobachten und es anschließend sehr präzise untersuchen. Das Besondere daran: „Wir versorgen die Zellen nur mit bestimmten Signal- und Nährstoffen. Die Zellen wissen dann selbst, wie sie spontan am Chip Gefäße ausbilden – diese Information ist in den Zellen sozusagen von Natur aus enthalten“, so Hagenbuchner.

Molekularbiologin Judith Hagenbuchner vor dem 3-D-Biodrucker der Medizinischen Universität Innsbruck
MUI/Nora Kaiser
Judith Hagenbuchner vor dem 3-D-Biodrucker in Innsbruck

Dickere Gewebsproben

Die Methode aus Innsbruck sei vor allem wegen der Oberflächen besonders, auf die die Biotinte gedruckt wird. Diese sogenannten „fluidic Chips“ sind kleine Objekte, auf denen sich das Zellmaterial besonders gut ansiedeln kann. Eine speziell perfundierte Struktur erlaubt es außerdem, dass sie mit Flüssigkeiten durchströmt werden. Im Labor kann das unter anderem den Blutstrom von intaktem Gewebe nachahmen.

„Dieses Perfundieren der Chips erlaubt es uns, sie mit Gewebe zu bedrucken, das bis zu drei Millimeter dick ist“, erklärt Hagenbuchner. Vergleichbare Chips am Markt seien hingegen schon bei ein bis zwei hauchdünnen Zellschichten am Limit. „Die dickeren Proben entsprechen natürlich auch viel eher dem tatsächlichen Gewebe eines Menschen, was die Forschung daran erleichtert“, erklärt die Molekularbiologin.

Zellen füttern am Wochenende

Damit das gedruckte Zellmaterial im Labor weiter wachsen kann, muss es auch regelmäßig gefüttert werden. Alle zwei bis drei Tage braucht es neue Nährstoffe. „Wenn man mit Zellkulturen arbeitet, dann ist man auch für sie verantwortlich. Daran durchgeführte Versuche sind eben nur so gut wie die Zellkultur“, erklärt Hagenbuchner.

Mit Biotinte bedruckte „fluidic Chips“ im Labor
MUI/Hagenbuchner
Mit Biotinte bedruckte Chips

Auch auf Freizeit müsse das Team deswegen hin und wieder verzichten. „Wenn die Zellen übers Wochenende verhungern, kann man keine Versuche ansetzen. Meistens wird daher am Sonntag gefüttert oder auch zum Beispiel lange Wochenenden existieren für uns eigentlich nicht“, so Hagenbuchner. Mindestens ein Teammitglied muss jedes Wochenende ins Labor und die Zellen versorgen.

Personalisierte Medizin

Der Biodruck dient in erster Linie dazu, mehr über den menschlichen Körper im Allgemeinen herauszufinden, aber auch um zum Beispiel die Krebsforschung voranzutreiben. Immerhin lassen sich die Tumore beim Wachsen und vernetzen mit dem restlichen Gewebe beobachten.

Ein großer Vorteil der Methode sei, dass ausschließlich mit Material von Menschen gearbeitet wird. Die Ergebnisse aus Untersuchungen seien daher genauer, als jene aus Mäusestudien. Außerdem könne man mit der Methode auf einzelne Patientinnen und Patienten eingehen, da das Zellmaterial direkt von den Personen entnommen wird, bevor es in die Biodrucker eingespeist wird. Das könnte künftig auch speziell auf einzelne Patienten zugeschnittene Medikamente und Therapien ermöglichen.

Weniger Experimente an Tieren

Neben den potentiellen Fortschritten in der Wissenschaft hofft Hagenbuchner aber auch, die Zahl der weltweiten Tierversuche in Zukunft drastisch zu reduzieren. Vor allem in medizinischen Bereichen wie der Krebsforschung seien etwa Mausversuche noch gang und gäbe. Hagenbuchner: „Wenn man in der Onkologie arbeitet, muss man meistens irgendwann einmal Tiermodelle benutzen. Wir haben uns aber dann bereits im Jahr 2016 nach besseren Alternativen umgesehen und sind auf den Biodruck gestoßen. Ich glaube, dass das eine sehr gute Alternative wäre.“

Tierversuche in der Medizin komplett verhindern könne die Methode aus Innsbruck aktuell noch nicht. Sobald es darum geht, neue Substanzen tatsächlich auch in der Praxis einsetzen zu wollen, müssen sie vorab meist noch an Mäusen oder anderen Tieren getestet werden. „Wir erhoffen uns aber, dass sich Tierversuche zumindest deutlich reduzieren lassen. Wenn neue Medikamente in unserem System schon nicht funktionieren, müssen wir sie gar nicht mehr im Tiermodell testen“, erklärt Hagenbuchner.

Auch aus ethischer Sicht sieht die Molekularbiologin im Drucken von menschlichem Gewebe kein Problem – es habe sogar einige Vorteile: „Wir nutzen zum Beispiel nur humanes Material und aktuell meistens sogar Abfallprodukte. Im Vergleich zu einem Tierversuch kann der Patient dabei immer selbst bestimmen, ob mit seinem Material geforscht wird oder nicht.“

Immunsystem am Chip

Vorerst sei die Methode aus Innsbruck eher für die experimentelle Forschung gedacht. Bis damit tatsächlich neue Medikamente entstehen, wird es noch dauern. Pläne, die Methode weiter zu verbessern, hat Hagenbuchner aber bereits: „Wir wollen die Methode einerseits noch größer aufbauen und andererseits auch beim gedruckten Gewebe immer komplexer werden.“

Das große Ziel der Molekularbiologin ist es, mit dem gedruckten Gewebe aus dem Labor so nahe wie möglich an den realen Menschen heranzukommen. In weiterer Folge möchte das Forschungsteam auch noch eine Immunkomponente zur Methode hinzufügen. „Irgendwann könnten wir dann sogar ein kleines Immunsystem am Chip haben, an dem viel wichtige Forschung möglich wäre“, meint Hagenbuchner.