Anton Zeilinger
APA/HANS KLAUS TECHT
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Physiknobelpreis für Zeilinger und zwei weitere Quantenforscher

Der Nobelpreis für Physik geht heuer an drei Quantenforscher. Er geht zu gleichen Teilen an den Franzosen Alain Aspect, den US-Amerikaner John F. Clauser und den Österreicher Anton Zeilinger. Sie hätten bahnbrechende Experimente mit verschränkten Quantenzuständen durchgeführt, bei denen sich zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten, auch wenn sie getrennt sind, heißt es in der Begründung. Die Ergebnisse hätten den Weg geebnet für auf Quanteninformation basierende Technologien.

Die Auszeichnung ergeht an die Preisträger unter anderem für Pionierarbeiten in der Quanteninformation. Die drei Physiker hätten den von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ abgetanen quantenphysikalischen Zustand, bei dem zwei verschränkte Teilchen wie von Zauberhand miteinander verbunden bleiben und ihre physikalischen Eigenschaften teilen, „aus der Theorie in die Praxis gebracht“, heißt es seitens des Komitees.

Über die Natur der „spukhaften Fernwirkung“ rätselten Experten noch lange nach Einstein. Preisträger John Clauser (79), der unter anderem an der New Yorker Columbia University forschte, wurde vor allem für den experimentellen Nachweis geehrt, dass der verschränkte Zustand nicht durch irgendwelche unbekannten Parameter erzeugt wird – eine lange diskutierte Möglichkeit. Mit diesen Experimenten bestätigte er die Quantenmechanik.

Preisträger des Physiknobelpreis 2022
AFP/JONATHAN NACKSTRAND

TV-Hinweis

Anlässlich der Vergabe des Nobelpreises an Anton Zeilinger sendet ORF2 um 15.13 Uhr eine ZIB Spezial und berichtet von der Pressekonferenz des Physikers.

Der zweite Preisträger, der französische Physiker Alain Aspect (75) von der Universite Paris-Saclay und der Ecole polytechnique verfeinerte die experimentellen Messungen von Clauser, sodass weiter bestehende Zweifel an der Theorie ausgeräumt werden konnten. Anton Zeilinger von der Universität Wien wurde vor allem mit seinen erstmals 1997 vorgestellten Experimenten zur Quantenteleportation bekannt: Dabei wird ein Zustand von einem verschränkten Teilchen auf ein entferntes übertragen. Die Experimente trugen ihm in Anlehnung an die Serie „Star Trek“ den Spitznamen „Mr. Beam“ ein.

Überraschter Zeilinger

Er sei „sehr überrascht“ von dem Anruf gewesen, sagte Zeilinger in einer ersten Reaktion im Rahmen der Pressekonferenz in Stockholm. Der Begriff der Teleportation, mit dem Zeilinger oft verbunden wird, sei aber weit ab von dem bekannten Science-Fiction-Trick aus „Raumschiff Enterprise“.

Der am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ) geborene Physiker gilt als Pionier der Übertragung von Quanteninformation zwischen Photonen. In diesem Bereich erzielte er in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Durchbrüche und stellte Übertragungsrekorde auf. Diese Art der Informationsweitergabe sei zum Beispiel „fundamental wichtig zum Informationstransport in Quantencomputern“, sagte Zeilinger.

„Ermutigung“ für junge Menschen

Er sei immer von Quantenmechanik fasziniert gewesen – „vom ersten Moment, an dem ich davon gehört habe“. Zeilinger würdigte am Dienstag auch seinen Doktorvater Helmut Rauch als „Pionier in Quantenphysik“, der ihm ermöglicht habe, seine Forschungen in Wien voranzutreiben. Damals sei vieles in dem Feld noch „komplett philosophisch“ gewesen. Zeilinger und seine Mit-Laureaten haben das verändert. Mittlerweile gebe es in dem Feld technologische Anwendungen, aber viele Grundfragen in der Quantenphysik seien weiter unbeantwortet.

Er sehe den Preis auch als „Ermutigung für junge Menschen“, sagte Zeilinger und riet ihnen: „Denkt nicht zu viel an künftige Anwendungen.“ Ohne die vielen Mitarbeiter hätte man den Weg in Richtung Anwendung nicht beschreiten können. Was man in den nächsten 20 Jahren sowohl im Feld der Grundlagen der Quantenphysik als auch bezüglich Anwendungen sehen wird, sei „absolut offen“, sagte Zeilinger, der am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, zusammen mit Aspect und Clauser in Stockholm den Preis entgegennehmen wird.

Begeisterte Reaktionen

Die Auszeichnung des österreichischen Quantenphysikers Anton Zeilinger mit dem Physiknobelpreis hat bei Vertretern von Wissenschaft und Politik für helle Freude gesorgt. Einig waren sich die Gratulantinnen und Gratulanten darin, dass die herausragende Karriere des 77-Jährigen zurecht gekrönt wurde. Auch sei sie ein tolles Zeichen für den österreichischen Wissenschafts- und Forschungsstandort.

Zu den ersten Gratulanten gehörte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der via Twitter seiner Freude Ausdruck verlieh: „Diese Auszeichnung gilt einem Pionier der Quantenphysik, einem großen Wissenschaftskommunikator, einem Forscher, wie er im Buche steht. Ich gratuliere Prof. Zeilinger von Herzen und danke ihm für sein Engagement als Wissenschaftsmanager.“ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gratulierte Zeilinger ebenfalls: „Ich habe allergrößten Respekt vor seiner wissenschaftlichen Expertise, die mit der Verleihung dieser renommierten Auszeichnung einmal mehr international gewürdigt wird. Das ist nicht nur eine große Ehre für ihn selbst, sondern auch für unser Land.“

Unglaubliche Leistung

Wissenschafts- und Forschungsminister Martin Polaschek (ÖVP) gratulierte Zeilinger zu einer „unglaublichen Leistung“: „Als Wissenschaftsminister bin ich stolz, dass ein Österreicher diese große Auszeichnung verliehen bekommt. Anton Zeilinger ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet und ein Aushängeschild für den österreichischen Wissenschafts- und Forschungsstandort.“

Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), bezeichnete die Auszeichnung Zeilingers als „Sensation und hochverdient“. Zeilinger, der einst selbst als ÖAW-Präsident tätig war, habe bahnbrechende Ergebnisse in seinem Forschungsbereich erzielt. „Das Forschungsland Österreich hat wieder an die internationale Spitze aufgeschlossen. Dieser Weg darf jetzt nicht verlassen werden“, so Faßmann. Gratulationen richtete er auch an ÖAW-Mitglied Alain Aspect, der gemeinsam mit Zeilinger und John F. Clauser den Physiknobelpreis erhielt.

Wichtiger Ideengeber

„Der Preis krönt eine herausragend wissenschaftliche Karriere und ist ein tolles Zeichen für den Erfolg österreichischer Grundlagenforschung auf höchstem internationalem Niveau“, hielt Christof Gattringer, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, fest. Der Fonds, der Zeilingers Forschungsprojekte seit Jahrzehnten unterstützt, nützte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie wichtig eine gut aufgestellte Förderung der Grundlagenforschung sei, um mit der Weltspitze mithalten zu können.

Ausstellung „Anton Zeilinger – Quantenexperimente – Von der Möglichkeit zur Wirklichkeit“ in der Wiener Galerie Ulysses
APA/ROBERT JAEGER
Zeilinger bei der Ausstellung „Anton Zeilinger – Quantenexperimente – Von der Möglichkeit zur Wirklichkeit“ (Wiener Galerie Ulysses, 2013)

Anton Zeilinger sei „einer der Ideengeber und Initiatoren für unser Exzellenz-Institut IST Austria“ in Klosterneuburg, erinnerte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in ihrer Gratulation zum Nobelpreis für Physik. Er sei „ein herausragender österreichischer Wissenschaftler und einer der brillantesten Köpfe unserer Zeit“.

Im Vorjahr Klimaforschung ausgezeichnet

Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung zur Hälfte an zwei Meteorologen, den Deutschen Klaus Hasselmann und den aus Japan stammenden US-Forscher Syukuro Manabe (USA), zur anderen Hälfte an den italienischen Physiker Giorgio Parisi. Die Wissenschaftler wurden für ihre „bahnbrechenden Beiträge zum Verständnis komplexer physikalischer Systeme“ ausgezeichnet.

Hasselmann und Manabe erhielten den Preis „für das physikalische Modellieren des Klimas der Erde, die quantitative Analyse von Variationen und die zuverlässige Vorhersage der Erderwärmung“, Parisi für „die Entdeckung, wie das Zusammenspiel von Unordnung und Fluktuationen physikalische Systeme von der atomaren bis hin zur planetarischen Ebene bestimmt“.

Medizinnobelpreis an Pääbo

Die heurige Nobelpreiswoche startete gestern mit der Bekanntgabe des Medizinnobelpreises. Ausgezeichnet wurde der in Leipzig forschende schwedische Paläogenetiker Svante Pääbo.

Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, heuer wieder live in Stockholm. Die Auszeichnung ist wie im Vorjahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (knapp 920.000 Euro) dotiert.