Kind, Mädchen, krank, Bett, Tee
spass – stock.adobe.com
spass – stock.adobe.com
Kindermedizin

Zu wenige Medikamente für Kinder

Viele Medikamente sind für Erwachsene getestet, aber nicht für Kinder. Die Coronavirus-Pandemie hat dieses Problem einmal mehr verschärft. Mit der Frage, warum es hier einen so großen Nachholbedarf gibt, beschäftigten sich gestern Abend Fachleute Im Wiener Josephinum.

Es reicht nicht, die Tablette zu halbieren oder statt einem Esslöffel nur einen Teelöffel der Medizin zu geben – denn bei Kindern wirken viele Stoffe ganz anders. Manches, das Erwachsenen nichts ausmacht oder gut tut, kann für sie sehr schädlich sein.

Hinzu kommt, dass „Kinder“ eine weite Altersgruppe umfassen, sagt die klinische Psychologin Caroline Culen von der österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit: Es gebe Frühgeborene, Säuglinge, Kleinkinder, Pubertierende und junge Erwachsene, und es sei nicht ganz einfach, mit einem so unterschiedlichen Zielpublikum zu arbeiten.

Studien fehlen

Aus diesem Grund muss man in Studien die Wirkung unterschiedlicher Medikamente erproben – in Österreich passiert das aber viel zu selten. Von den derzeit laufenden 250 klinischen Studien betreffen gerade einmal dreißig Kinder und Jugendliche. Besonders drastisch sei der Mangel an geeigneten Medikamenten im Bereich der psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen, sagt Paul Plener, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medizin-Universität Wien.

Die letzte Zulassung in diesem Fachgebiet liege vier Jahre zurück, und dabei habe es sich um einen bekannten Wirkstoff in neuer Auflage gehandelt. Innovationen gebe es so gut wie keine und für junge Menschen unter achtzehn Jahren nur ein einziges zugelassenes Antidepressivum. Depressionen seien aber bei Jugendlichen „nicht gerade eine seltene Erkrankung“, so der Mediziner. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass etwa zwanzig Prozent der Unter-18-Jährigen zumindest eine depressive Episode erleben.

Corona-Prognose schwierig

Gerade im Bereich der häufigsten Erkrankungen fehlen Innovationen, kritisiert Plener – auch im Bereich der Diagnose. Während man bei Erwachsenen bestimmte Risikofaktoren etwa für die Wahrscheinlichkeit eines schweren Covid-19-Verlaufes kenne, sei das bei Kindern weniger prognostizierbar, sagt Kaan Boztug, wissenschaftlicher Direktor des St. Anna Kinderkrebs-Forschungsinstituts.

Nur wenige Kinder erkranken sehr schwer an Corona, so Boztug, das hätten bereits viele Studien belegt. Dennoch gebe es Fälle, in denen Komplikationen auftreten. Um das vorherzusagen, würde man bestimmte Biomarker benötigen – doch die fehlen bisher. Bei einem infizierten Kind könne man also nicht vorhersagen, ob das der seltene Fall ist, indem sich ein schwerer Krankheitsverlauf entwickelt – und ob man präventiv eingreifen sollte.

Mehr Geld und mehr Support

Eine Möglichkeit dies zu ändern, ist, die Datenbasis zu verbessern, um Krankheitsverläufe, Vorerkrankungen und Risikofaktoren auch bei Kindern besser analysieren zu können, so Kaan Boztug. Und Paul Plener sagt, die Antwort sei ganz einfach: Man müsste den Etat für verschiedene Forschungsgesellschaften deutlich erhöhen. Also mehr Geld für die Forschung – auch für die Grundlagenforschung, in der hinter einzelnen Krankheitssymptomen liegende Mechanismen analysiert werden könnten. Und zwar nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch – und gerade – bei Kindern.