Labor, Blutproben, Medizin, Forschung
dusanpetkovic1 – stock.adobe.com
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Young Science

Warum HIV das Krebsrisiko steigert

Eine HIV-Infektion kann mit modernen Therapien relativ gut behandelt werden – trotzdem ist sie problematisch: Unter anderem erhöht sich mit ihr die Gefahr, an Krebsarten zu erkranken, die von Humanen Papillomaviren (HPV) ausgelöst werden. Warum das so ist, erforscht die Immunologin Simona Saluzzo an der MedUni Wien.

Schon seit ihrem Medizinstudium in Turin interessiert sich Simona Saluzzo für neue Medikamente und Immuntherapien – die Wissenschaft, die darin steckt, war für die Italienerin sofort faszinierend, wie sie gegenüber science.ORF.at erklärt: „In diesem Bereich gibt es einfach noch so viel zu verstehen und zu lernen. Das Potenzial ist groß, vor allem, wenn es um Krankheiten wie Krebs geht.“

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Schon in Turin war für Saluzzo daher klar, dass ihr der Wunsch, Ärztin zu werden, nicht genug ist. Vor elf Jahren startete sie ein Doktoratsstudium an der Medizinischen Universität Wien im Bereich der Immunologie. Nach dessen Abschluss und weiteren Forschungsarbeiten verfolgte sie auch ihren Wunsch, Ärztin zu werden. Aktuell ist die Immunologin daher in ihrer Ausbildung zur Fachärztin an der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien. „Ich bin hier sehr zufrieden, wir haben wirklich eine fantastische Mischung aus Grundlagenforschung und der klinischen Arbeit im Krankenhaus“, so Saluzzo.

Bis zu 34-Mal höheres Risiko

In ihrer Forschungsarbeit setzt sich Saluzzo seit einigen Jahren vor allem mit einem Thema auseinander: dem Zusammenhang zwischen HIV-Infektionen und dem erhöhten Risiko, an verschiedenen Krebsarten zu erkranken. „Mit HIV infizierte Personen haben generell öfter Haut- und Organtumore“, erklärt die Immunologin.

Saluzzo wollte mehr darüber erfahren. Ihre anschließenden Untersuchungen zeigten unter anderem, dass das Risiko einiger bestimmter Krebsarten mit HIV besonders stark anstieg. „Dazu gehören zum Beispiel Anal- oder Gebärmutterhalskrebs, die auch von Humanen Papillomaviren (HPV) ausgelöst werden.“

Simona Saluzzo, Immunologin an der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien.
MedUni Wien/feelimage
Simona Saluzzo erforscht am Wiener AKH den Zusammenhang zwischen HIV-Infektionen und Krebserkrankungen

HPV habe sogenanntes onkogenes Potenzial – bestimmte Subtypen der Viren können daher Krebs verursachen. Neben Gebärmutterhals- und Analkrebs stehen sie auch mit Penis- oder Mund-Rachen-Krebs in Verbindung. Wenn HIV-infizierte Männer Kontakt mit den Papillomaviren haben, steigert sich ihr Risiko für diese Krebsarten um das 34-Fache – bei Frauen um das Sechsfache.

HPV-Impfung als Prävention

Um das zu verhindern, könne bereits im Kindesalter für Schutz vor den Papillomaviren gesorgt werden. Eine Impfung gegen HPV gibt es bereits an Schulen – noch komme sie aber zu selten zum Einsatz, so Saluzzo: „HPV ist ein Virus, den jede Person, die Sex hat, irgendwann bekommt. Alle Menschen sind also theoretisch in der potenziellen Risikogruppe, deswegen ist so eine Impfung wirklich für alle Kinder unbedingt notwendig.“

Bei Mädchen sei die Impfung generell wichtig, um sie unter anderem vor Gebärmutterhalskrebs zu schützen. Zu Analkrebs kommt es laut Saluzzo zwar vor allem bei homosexuellen Männern, die Impfung in den Schulen sei aber ebenfalls für alle Burschen ratsam. „Nicht nur als Prävention vor Analkrebs, sondern auch generell, um später nicht andere Leute mit den Papillomaviren zu infizieren.“

Fehlende T-Zellen durch HIV

Den Grund, warum HIV zu einem stark erhöhten Krebsrisiko führt, hat Saluzzo zum Teil bereits erforscht. In einer Studie vom Dezember 2021 hat sie mit einem Forschungsteam herausgefunden, dass bei einer HIV-Infektion die Zahl bestimmter T-Gedächtniszellen in der Haut immer weiter abnimmt. „Die Zellen wären aber wichtig für den immunologischen Schutz vor Infektionen und Tumorzellen – also auch für die Immunabwehr gegen die Papillomaviren“, erklärt Saluzzo.

„Sofern man sexuell aktiv ist und das mit verschiedenen Personen oder falls man Hochrisikokontakte hat, sollte man sich mindestens alle drei Monate auf HIV testen lassen“, rät die Immunologin. Je früher mit einer geeigneten Therapie begonnen wird, desto mehr T-Zellen bleiben auch erhalten.

Für ihre Forschung wurde Saluzzo im März 2022 von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Forschung auch mit dem diesjährigen Egon-Macher-Preis ausgezeichnet.

Suche nach Mechanismus

Neben dem Abschluss ihrer Facharztausbildung ist Saluzzo bereits damit beschäftigt, mehr über die Funktion der T-Zellen in Erfahrung zu bringen. „Wir haben den Mechanismus noch nicht gefunden, der diese Zellen wichtig macht. Wir sind also gerade dabei, Gebärmutter- und Analkrebs von ansonsten gesunden Personen und von HIV-Infizierten zu untersuchen.“ Die Ergebnisse aus beiden Gruppen möchte Saluzzo anschließend miteinander vergleichen.

Auch als fertige Fachärztin möchte Saluzzo weiterhin in Österreich bleiben und die klinische Arbeit im Krankenhaus mit der Grundlagenforschung kombinieren. Mit ihrer Forschung möchte die Italienerin die Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten gegen Krebs, Infektionen, allergische Reaktionen, Stoffwechselerkrankungen und vieles mehr vorantreiben.