Ein Labrador Retriever
AFP/OLI SCARFF
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Hunde

Was beim Streicheln im Gehirn passiert

Wir kuscheln lieber mit Hunden als mit Stofftieren, das zeigt eine Schweizer Studie: Je mehr man mit einem Tier interagiert, desto stärker wird ein Teil im Gehirn aktiviert, der für die Verarbeitung sozialer und emotionaler Interaktionen zuständig ist. Bei Stofftieren ist die Reaktion weniger ausgeprägt.

Was die meisten Hundehalter und -halterinnen ohnehin schon wissen, hat mittlerweile auch die Wissenschaft verstanden: Hunde tun dem Menschen gut. Die Tiere können sogar helfen, den Blutdruck zu senken. „Es gibt schon viel Forschung zu physiologischen Parametern wie der Herzrate. Auch Cortison und Oxytocin, das Kuschelhormon, sind recht gut untersucht“, erklärt Rahel Marti. Was im Hirn passiert, wenn Mensch und Hund interagieren, sei noch weniger erforscht. „Grundsätzlich weiß man da noch sehr wenig darüber und auch unsere Studie kann nur einen Beitrag leisten“, so die Wissenschaftlerin. Marti ist Doktorandin an der Universität Basel und Hauptautorin der soeben im Fachmagazin „PLOS ONE“ erschienenen Studie.

Für die Forschung haben 19 Männer und Frauen über zwei Wochen mit Hunden gekuschelt und den Stofflöwen „Leo“ gestreichelt. Sechsmal wurden die Probandinnen und Probanden zum Kuscheln eingeladen, dreimal mit einem echten Hund und dreimal mit dem Plüschtier. Die Hirnaktivität wurde dabei mit einer „Infrarot-Neuroimaging-Technologie“ gemessen. Mit Leuchtioden wird Infrarotlicht ins Gewebe gestrahlt und empfindliche Sensoren messen, wie viel Licht reflektiert wird. Die Forschenden können daraus ableiten, welche Bereiche im Gehirn aktiv sind.

Hirnaktivität einer Probandin wird gemessen, während sie einen Hund streichelt
Probandin beim Streicheln

Um die Intensität des Kontaktes zu messen, unterteilte Marti die Kuschelsitzungen in fünf Phasen. In der ersten neutralen Phase wurde die Hirnaktivität ohne Hund gemessen. Danach durfte der Hund auf einem Tisch platznehmen und die Testpersonen konnten ihn beobachten. In der dritten Phase schmiegte sich der Hund dann an die Beine der Teilnehmenden und erst in der vierten Phase, der Streichelphase, durfte gekuschelt werden. Beendet wurde die Sitzung mit einer zweiten neutralen Phase. Die gleichen Phasen wurden auch mit dem Plüschtier durchgespielt. Um Gewicht und Körpertemperatur der Hunde nachzuempfinden, war der Stofflöwe sogar mit einer Wärmflasche gefüllt.

Streicheln aktiviert Hirnregionen

Die Ergebnisse der Studie zeigen: „Leo“ hat trotzdem keine Chance gegen die echten Hunde. Schon wenn wir Hunde nur beobachten, wird ein bestimmter Teil in unserem Gehirn aktiviert. Je intensiver der Kontakt zum Hund durch Berühren und Streicheln ist, desto mehr wird dieses Areal aktiviert. Das Gleiche passiert zwar auch beim Stofftier – allerdings deutlich geringer. Am größten ist der Unterschied beim intensivsten Kontakt, dem Streicheln. Und: Im Gegensatz zum Stofftier blieb die Gehirnregion der Probandinnen und Probanden beim Hund aktiv, auch wenn dieser nicht mehr anwesend war.

Stofflöwe „Leo“
Bei „Leo“ war die Reaktion nicht so ausgeprägt

Hunde aktivieren vor allem den „präfrontalen Cortex“. Das ist der vorderste Bereich des Gehirns, der direkt hinter der Stirn liegt. „Im präfrontalen Cortex sitzt die Aufmerksamkeit“, erklärt Rahel Marti. „Wir gehen davon aus, wenn die Hirnaktivität beim Hund größer ist als bei dem Plüschtier, dass auch die Aufmerksamkeit höher ist“, so die Wissenschaftlerin. Auch könnte der Hund eine stärkere emotionale Erregung hervorrufen als ein nicht lebendiger Stofflöwe.

Therapien verbessern

Die Ergebnisse der Studie sollen dabei helfen, tiergestützte Therapien zu verbessern. Dass der präfrontale Cortex aktiviert wird, ist für Forschende deshalb spannend, weil die Gehirnregion für die Verarbeitung und Regelung emotionaler und sozialer Interaktionen zuständig ist. Die Forschungsergebnisse können allerdings nicht direkt in einer Therapie umgesetzt werden, da vorerst nur der Mechanismus im Gehirn erforscht wurde.

Um in der Studie die Hunde nicht zu überfordern, wurden sie regelmäßig ausgetauscht. „In der Therapie ist es immer wichtig, auch das Tierwohl zu beachten und zu schauen, wie viel macht das Tier mit“, betont Marti. Für die Studie waren deshalb gleich mehrere Hunde im Einsatz: ein Jack Russel, ein Goldendoodle und ein Golden Retriever. Die drei Hundedamen sind an die Arbeit mit Menschen gewöhnt und das Herrchen oder Frauchen war während der Versuche anwesend.

Durch die Studie konnten die Forschenden auch zeigen, dass bei aufeinanderfolgenden Interaktionen mit dem echten Hund die Hirnaktivität jedes Mal zunahm. Beim Stofftier war das nicht der Fall. Das könne, so die Autorinnen und Autoren, mit Vertrautheit oder sozialen Bindungen zusammenhängen. Dazu brauche es allerdings noch mehr Forschung. Auch die Aktivität in anderen Gehirnarealen könnte noch weiter untersucht werden. Marti möchte als Nächstes erforschen, wie stark das Streicheln von Hunden den präfrontalen Cortex bei Patienten mit Hirnverletzungen aktiviert.