Medizin

Rheumaschmerzen schädigen doppelt

Rund 2,5 Millionen Menschen leiden in Österreich an rheumatischen Erkrankungen. Die damit verbundenen Schmerzen schädigen doppelt: als quälende Symptome an sich und als zusätzliche Ursache für Bewegungseinschränkungen. Mit einem Maßnahmenmix lasse sich aber vorbeugen, sagen Fachleute.

Rheumatischen Erkrankungen sind meist mit reißenden und ziehenden Schmerzen verbunden. Um eine Chronifizierung zu verhindern, sei eine „zeitnahe adäquate Entzündungs- und Schmerztherapie“ mit einem Mix aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen wichtig, rät die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Denn: „Die Folge einer zu späten Therapie kann dann die Verselbstständigung und Chronifizierung des Schmerzgeschehens sein.“

Die Schmerzsymptome können sich einerseits durch Chronifizierung zu einem eigenen Krankheitsbild entwickeln, andererseits limitieren sie oft noch zusätzlich die körperlichen Aktivitäten der Betroffenen, was die Beweglichkeit weiter einschränkt und den Schaden potenziert. Das geht sogar soweit, dass Rheumapatientinnen und -patienten auch durch den Mangel an physischer Aktivität anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden. Gleichzeitig nehmen Muskelkraft, Koordinationsfähigkeit und Gleichgewichtsgefühl ab, was auch noch das Sturzrisiko erhöht.

„Schmerz ist ein komplexes Geschehen“

„Schmerz ist ein komplexes Geschehen und hängt auch von vielen individuellen Faktoren ab. Von bisherigen Schmerzerfahrungen, Erziehung, Geschlecht, Herkunft, genetischen Faktoren und der Persönlichkeit der Betroffenen“, sagt Georg Pongratz, deutscher Rheumatologe und Sprecher des Arbeitskreises Rheuma und Schmerz der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)

Oft wird bei rheumatischen Erkrankungen wegen ihres chronischen Verlaufes zu lange zugewartet, bis wirkungsvolle Therapien gestartet werden. Der Experte für entzündlich-rheumatische Erkrankungen, die sich an zahlreichen Stellen des Körpers manifestieren können, setzt vor allem auf einen zügigen Behandlungsbeginn mit geeigneten Medikamenten, aber auch auf nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie Physiotherapie in der Frühphase der Beschwerden.

„Alle Ressourcen ausschöpfen“

Diese könnten die rheumatisch Entzündung und damit auch Schmerz schnell beseitigen, bevor sich ein „Schmerzgedächtnis“ entwickelt. Dies kann sich, unabhängig von der ursprünglichen Schmerzproblematik, als chronischer Schmerz auch an anderer Stelle manifestieren oder sich sogar auf den ganzen Körper ausdehnen.

Deshalb sei es „von großer Bedeutung, eine Verselbstständigung des Schmerzgeschehens möglichst frühzeitig mit geeigneten Medikamenten und nicht-medikamentösen Maßnahmen zu verhindern und alle zur Verfügung stehenden Ressourcen auszuschöpfen“, so Pongratz.

Dies bedeute: Bei akuten entzündlich bedingten Schmerzen die Grunderkrankung konsequent zu behandeln und anti-entzündliche und schmerzstillende Präparate wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) einzusetzen, die gleichzeitig gegen die Entzündung und den Schmerz wirksam sind.

Auch Botox kann eingesetzt werden

„Sollten diese Arzneimittel nicht den gewünschten Erfolg haben oder nicht gegeben werden können, sein, stehen Schmerzmittel-Alternativen wie Paracetamol, Metamizol oder Opioide sowie Injektionen mit Cortison oder Lokalanästhetika zur Verfügung“, so Pongratz. Ist der Schmerz bereits chronisch, können auch schmerzmodulierende Mittel wie Antidepressiva, Antiepileptika sowie Muskelrelaxantien, leichte Opioide oder bei neuropathischen Schmerzen auch Cannabinoide zum Einsatz kommen.

Da alle diese Arzneimittel auch Nebenwirkungen haben können, böten sich, so Pongratz, auch Präparate zur lokalen Anwendung auf der Haut an, beispielsweise konsequent Therapie mit NSAR-haltigem Gel bei einer Handgelenksarthritis.

Wirkstoffe wie Capsaicin aus der Chilischote mit Cayennepfeffer, ein Lokalanästhetikum wie Lidocain oder ein Nervengift wie Botulinumtoxin (Botox) wirken lindernd auf Muskelkontraktionen und Schmerzen. Hier müssten aber Rheumatologen, Schmerz-, Physiotherapeuten und andere Fachleute zusammenarbeiten, um ein möglichst optimales Behandlungsergebnis mit mehr Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu erreichen.