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©salita2010 – stock.adobe.com
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Ökonomie

Verzerrter Wettbewerb in der Forschung

Einige wenige Forschungsinstitutionen dominieren die Spitzenforschung in der Ökonomie – das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Linz. Das hat Folgen für Wissenschaft und Politik: Alternative Theorien und Methoden haben so gut wie keine Chance, wahrgenommen zu werden.

Anfang dieser Woche wurde verkündet, wer in diesem Jahr den Preis der Schwedischen Reichsbank im Gedenken an Alfred Nobel für Wirtschafswissenschaften (science.ORF.at hat berichtet) erhält: Er geht an drei Männer, alle US-Amerikaner, die an Elite-Universitäten geforscht haben. Wenig überraschend, wie eine Studie zum verzerrten Wettbewerb in der ökonomischen Spitzenforschung zeigt.

Elite-Universitäten dominieren

Wissenschaftlicher Erfolg wird heute vor allem darüber definiert, wo Forschungsergebnisse publiziert werden. In jedem Bereich gibt es Rankings für Fachzeitschriften, auch in den Wirtschaftswissenschaften. Je höher der Platz in der Rangliste, desto höher der Impact-Faktor der Publikation. Eine Studie der Universität Linz und der Universität Duisburg-Essen hat die 30 renommiertesten Journals in den Blick genommen.

Dafür wurden mehr als 49.000 Forschungsartikel ausgewertet, die dort zwischen 1990 und 2018 publiziert wurden. Die Analyse zeigte, dass ein großer Teil der Publikationen von einigen wenigen Forschungsinstitutionen stammt, sagt Matthias Aistleitner vom Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft der Universität Linz. „Zu den dominantesten Institutionen, die in unserer Analyse auftauchen, zählen die Harvard University, das MIT, die University of Chicago, um ein paar Beispiele zu nennen“, so Aistleitner.

Lock-In-Effekte in der Forschung

Unter den Top 30-Autoren findet man nur eine Frau. Jeder vierte Artikel, so die Analyse, wurde von einer Elite-Universität produziert. Das sei ein sehr hoher Grad an institutioneller Konzentration und durchaus problematisch, so Aistleitner. Problematisch, weil es dadurch beispielsweise zu Lock-in-Effekten komme. Diese dominanten Institutionen würden ihre eigenen ökonomischen Ideen verteidigen, auch wenn diese nicht mehr zeitgemäß oder mitunter sogar widerlegt worden seien.

Und die Studie zeigt auch, dass Qualität für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen nicht allein ausschlaggebend sein muss. „Es sind eben soziale Faktoren, soziale Beziehungen, Netzwerke, gewisse wissenschaftliche Traditionen, die hier eine Rolle spielen und die jene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bzw. bedienen, die eben genau in diesen Journals publizieren, weil sie wissen, was zu tun ist, um dort erfolgreich zu publizieren“, so der Sozialökonom.

Folgen für Politik und Wissenschaft

Das führe zu einer Einschränkung von Theorien, Forschungsfragen und Methoden, erklärt Astleitner. Deswegen blieben bestimmte Denkschulen in den Wirtschaftswissenschaften dominant. Alternative Theorien oder Ansätze hätten in einem solchen Forschungsklima so gut wie keine Chance, Öffentlichkeit zu erhalten bzw. würden als „ideologisch motiviert“ diskreditiert.

„Dabei gibt es bereits ausreichend wissenschaftliche Evidenz, die zeigt, dass die Ökonomie an und für sich keine objektive Wissenschaft ist“, so Aistleitner. Es fließen immer Werturteile mit ein. Und das hat Folgen für die Politik: Denn die erfolgreichsten Forscherinnen und Forscher sind fast immer auch diejenigen, die als Fachleute in politischen Debatten auftreten.