Verschwommene Menge, Gesichter
Alexander Ozerov – stock.adobe.com
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Sozialkontakte

Buntes „Sozialportfolio“ macht glücklich

Viele Sozialkontakte machen glücklich. Noch glücklicher macht es, wenn diese Begegnungen sehr unterschiedlich sind. Das zeigt eine Studie mit Daten von über 50.000 Männern und Frauen. Das soziale „Portfolio“ sollte neben engen Bezugspersonen auch Zufallsbekanntschaften, lose Kontakte und Fremde enthalten.

Der Mensch ist ein soziales Tier. Der Wunsch nach sozialen Begegnungen, Beziehungen und Verbundenheit mit anderen liegt in seiner Natur. Wie das Team um Hanne K. Collins von der Harvard University im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ schreibt, ist die Anzahl an geglückten zwischenmenschlichen Kontakten tatsächlich einer der wichtigsten Indikatoren für psychisches Wohlbefinden. Es sei ausreichend dokumentiert, dass sie langfristig wie kurzfristig glücklich machen. D.h., Menschen, die oft Zeit mit engen Bezugspersonen verbringen, geht es dauerhaft besser. Aber auch kleine Begegnungen im Alltag – mitunter sogar mit völlig Fremden – können das momentane Glücksempfinden steigern.

Suche nach optimalem „Portfolio“

Wie all diese unterschiedlichen Arten an zwischenmenschlichen Kontakten letztlich zusammenwirken beziehungsweise welche Mischung ideal wäre, sei aber wenig untersucht, so Collins und Co. Für ihre soeben erschienene Studie haben die Forscherinnen und Forscher daher nach dem optimalen sozialen „Portfolio“ gesucht. Die Ausgangshypothese: Eine möglichst breite Streuung ist für das Wohlbefinden das Beste.

Um die Diversität des Portfolios zu quantifizieren, wurden die verschiedenen Kontakte in eine Formel gegossen, die den Anteil der Interaktionen innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfasst: mit Partnern und Partnerinnen, mit Eltern, Kindern, Geschwistern oder anderen Verwandten, mit Freunden und Freundinnen, Kollegen und Kolleginnen, mit völlig fremden Personen, etc. In Stichproben von vier unterschiedlichen Studien (insgesamt mehr als 50.000 Menschen) wurde der so errechnete Diversitätswert mit dem persönlichen Wohlbefinden korreliert.

Vielfalt wichtiger als Aktivität

Eine kleinere Studie mit nicht ganz 600 Männern und Frauen hat das Team selbst aufgesetzt. Auf einer zehnteiligen Skala sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr Wohlbefinden der vergangenen 24 Stunden einschätzen. Um die Diversität der sozialen Begegnungen zu erfassen, mussten sie den vergangenen Tag möglichst genau rekonstruieren. Wie erwartet hatten Menschen mit vielen Sozialkontakten ihr Befinden im Schnitt besser bewertet. Und: Wie von den Forscherinnen und Forschern vorausgesagt waren jene am glücklichsten, die von besonders vielfältigen Begegnungen berichtet hatten.

Anschließend wurde der Zusammenhang mit Daten aus dem “American Time Use Survey“ überprüft. Dafür hatten die knapp 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusätzlich angegeben, mit welchen Aktivitäten sie die letzten 24 Stunden verbracht hatten. Außerdem wurde neben dem Wohlbefinden auch der subjektive Gesundheitszustand erhoben. Wie Collins und al. schreiben, wirken sich zwar auch die Aktivitäten auf das Glücksempfinden aus. Die Effekte der sozialen Diversität gingen aber deutlich darüber hinaus.

Auch in der WHO-Studie „Study on Global Aging and Health“ (SAGE) ließ sich der Zusammenhang nachweisen. Die Auswertung der Daten von mehr als 10.000 Menschen aus China, Ghana, Indien, Russland, Mexiko und Südafrika bestätigte außerdem, dass sich die vielfältigen Sozialkontakte positiv auf die Gesundheit auswirken.

Vielfalt entscheidend

Der vierte Datensatz, den Collins Team analysiert hat, stammte von einer französischen Mobiltelefonanwendung und umfasste mehr als 20.000 Männer und Frauen. Anhand der über einen längeren Zeitraum gesammelten Daten zu Sozialkontakten, Aktivitäten und Wohlbefinden ließen sich manche anderen Erklärungen ausschließen, etwa dass bestimmte Persönlichkeiten oder generell glücklichere Menschen vielfältigere soziale Begegnungen haben. Tatsächlich zeigten Vergleiche von ein- und denselben Personen, dass diese glücklicher waren, wenn sie zuvor viele verschiedene Menschen getroffen hatten, als wenn sie ihre Zeit nicht so sozial vielseitig verbracht hatten.

Der Effekt des bunten sozialen „Portfolios“ ließ sich also in verschiedenen Datensätze reproduzieren und blieb auch bestehen, wenn andere mögliche Einflussfaktoren herausgerechnet wurden. Laut den Studienautoren und -autorinnen ist die soziale Vielfalt für das Wohlbefinden in drei der vier Stichproben ähnlich wirksam wie die Ehe. In allen vier Datensätze war das vielfältige „Sozialportfolio“ der aussagekräftigste Indikator für subjektives Glücksempfinden. Bei der körperlichen Gesundheit war der Zusammenhang auch signifikant, aber schwächer. Verantwortlich für die positive Wirkung könnten laut Collins und Co. aber auch indirekte Effekte sein – etwa dass durch vielfältige Kontakte ein größeres emotionales Spektrum erlebt wird oder man mehr persönliche Unterstützung erfährt.