Passanten mit Masken in der U-Bahn Passage Karlsplatz
AFP/ALEX HALADA
AFP/ALEX HALADA

So veränderte Covid-19 die Lebenserwartung

Durch die CoV-Pandemie ist die Lebenserwartung in Österreich 2020 markant gesunken. Im Jahr darauf hat sich das Blatt wieder gewendet, wenn auch nicht in allen Altersgruppen gleichermaßen. Laut einer internationalen Vergleichsstudie ist dieser Trend in vielen westlichen Ländern zu beobachten. In den USA und in Osteuropa fiel die Lebenserwartung bis Ende 2021 aber weiter deutlich.

Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die meisten einkommensstarken Länder große Steigerungen in der Lebenserwartung registriert. Obwohl sich um die Jahrtausendwende diese Entwicklung etwa im angloamerikanischen Raum abschwächte, gab es in den vergangenen rund 70 Jahren keinen derartigen Einbruch, wie ihn Covid-19 zuletzt verursacht hat, heißt es in der im Fachblatt „Nature Human Behavior“ erschienenen Studie. Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für demographische Forschung in Rostock und sein Team haben dafür die Daten zur Bevölkerungsentwicklung seit 2020 in 29 Ländern analysiert – inklusive Österreich.

Dass Sterberaten von Jahr zu Jahr variieren, ist zwar üblich, die Situation rund um die Ausbreitung von Covid-19 ab dem Frühjahr 2020 stellt aber eine Ausnahme dar. Nur wenige Länder wie Norwegen, Finnland oder Dänemark bzw. Australien und Neuseeland berichteten im Jahr 2020 über keinen Rückgang der Lebenserwartung. „Hier können wir die Kombination von Kampagnen sehen, die Impfstoffe schneller an mehr Menschen als im Durchschnitt der Europäischen Union lieferten, mit wirksamen nicht pharmazeutischen Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und hohen Basiskapazitäten der Gesundheitssysteme“, schreiben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. In allen anderen Ländern sank die Lebenserwartung 2020, erst im Jahr darauf wurde das Bild insgesamt deutlich „vielschichtiger“. Hier zeigten sich dann vielerorts die Effekte von durchgemachten Infektionen, die Wirksamkeit von Eindämmungsmaßnahmen und die Auswirkungen der Impfkampagnen.

Trendumkehr in Österreich

Auch für Österreich weist die Studie für das Jahr 2020 einen Verlust der Lebenserwartung von minus 8,1 Monaten im Vergleich zu 2019 aus. Die Lebenserwartung lag bei Frauen 2020 bei 83,6 und bei Männern bei 78,9 Jahren. Dann kam es allerdings zur Trendumkehr: Der Wert stieg 2021 wieder um 0,5 Monate an. Im Vergleich mit 2019 lag das Minus also bei 7,6 Monaten. Damit liegt Österreich in etwa im gleichen Bereich wie Portugal, Italien, die Niederlande, Spanien, England und Wales oder Slowenien. All diesen Staaten ist gemein, dass eine Trendumkehr zu bemerken war.

Nicht so in Deutschland, wo das Minus im ersten Pandemie-Jahr mit 2,6 Monaten zwar gering ausfiel, dann aber im Jahr 2021 weiter auf 5,7 Monate gegenüber 2019 anstieg, so die Analyse. Darüber hinaus identifizierten die Forscher eine Gruppe an Ländern (Frankreich, Belgien, die Schweiz und Schweden), in denen zwar 2020 teils hohe Lebenserwartungsverluste registriert wurden, die jedoch im Jahr darauf wieder fast komplett ausgeglichen wurden.

Geringe Impfquoten in Osteuropa

Ganz anders ist das Bild in großen Teilen Osteuropas, in Schottland und Nordirland, in den USA und Chile: Hier setzte sich der Abwärtstrend fort – wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Für Bulgarien weist der Lebenserwartungsvergleich zwischen 2019 und 2021 gleich ein Minus von 43 Monaten aus. In der Slowakei sind es 33 und in den USA knapp über 28 Monate.

Während Länder mit deutlich weniger reduzierter Lebenserwartung schnell breite Impfkampagnen fuhren, effektive Eindämmungsmaßnahmen etablierten und mit hohen Kapazitäten im Gesundheitssystem ausgestattet waren, blieben in weiten Teilen Osteuropas u.a. die Impfraten hinter den westlicheren Ländern zurück.

In den USA habe Covid-19 das bereits zuvor bestehende Phänomen verstärkt, dass dort vor allem relativ viele Männer in Alter unter 60 Jahren sterben. Zu den häufigen Ursachen wie Drogenüberdosierungen und Gewaltverbrechen gesellte sich auch Covid-19. Auch die Impfquote unter den 50- bis 64-Jährigen liegt in den USA deutlich niedriger als bei den Über-65-Jährigen, heißt es in der Studie. Die größere Verbreitung von Übergewicht und Diabetes in den USA dürfte ebenso eine Rolle gespielt haben.

Impfquote entscheidend

Beim Blick auf Europa wird deutlich, dass es viele Länder nach 2020 geschafft haben, die Sterberaten in der Altersgruppe über 80 einzudämmen. Dass etwa in Österreich die Lebenserwartung 2021 insgesamt wieder etwas anstieg, ist auf die „Normalisierung“ der Sterberate in den hohen Alterskohorten zurückzuführen.

Generell starben 2020 vor allem Menschen im Alter von 60 oder mehr Jahren, 2021 erhöhte sich die Sterberate bei den Unter-60-Jährigen. Das führen die Studienautoren und -autorinnen unter anderem auf den besseren Impfstatus der älteren Bevölkerung im zweiten Pandemiejahr zurück. Insgesamt fanden sie einen deutlichen Zusammenhang zu den Impfungen: Je geringer der Anteil der vollständig Geimpften in einer Bevölkerung war, desto stärker sank auch die Lebenserwartung. In den meisten Staaten vergrößerte sich zudem der Unterschied zwischen den Lebenserwartungen von Frauen und Männern, besonders in den USA: Hatten Frauen vor der Pandemie eine um 5,72 Jahre höhere Lebenserwartung als Männer, so waren es 2021 nun 6,69 Jahre.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass die periodische Lebenserwartung in anderen Ländern als den untersuchten noch stärker zurückgegangen sein könnte. „Im Jahr 2020 überstiegen die in Brasilien und Mexiko erlittenen Verluste der Lebenserwartung die in den USA erlittenen Verluste, so dass es wahrscheinlich ist, dass diese Länder im Jahr 2021 weiterhin unter den Auswirkungen der Sterblichkeit gelitten haben – möglicherweise sogar über die von uns für Bulgarien geschätzten 43 Monate hinaus“, erklärt José Manuel Aburto von der University of Oxford, einer der Koautoren der Studie.