Ausgrabung britischer Pestopfer in East Smithfield.
Museum of London Archaeology (MOLA)
Museum of London Archaeology (MOLA)
Studie

Beulenpest prägt Erbgut bis heute

Die Pest hat das Erbgut der Menschen nachhaltig verändert, wie neue DNA-Analysen enthüllen. Nach ihrem ersten Ausbruch im 14. Jahrhundert wurden bestimmte immunbezogene Genvarianten immer häufiger. Was früher vor dem Tod bewahrt hat, kann im Erbgut moderner Menschen aber auch zu Problemen führen.

Der Schwarze Tod war die schlimmste Pandemie in der Geschichte der Menschheit. Im 14. Jahrhundert wurden davon 30 bis 50 Prozent der europäischen, asiatischen und nordafrikanischen Bevölkerung ausgelöscht. Der damalige Übeltäter war das kleine Bakterium Yersinia pestis, das auch als Pestbazillus bekannt ist.

Nach ihrem ersten Ausbruch von 1346 bis 1350 ist die Beulenpest aber nicht einfach wieder verschwunden. Auch in den Jahren danach gab es immer wieder Ausbrüche, die Todeszahlen nahmen aber von Mal zu Mal ab.

Suche nach genetischen Besonderheiten

Die Frage, warum manche Menschen die Beulenpest überleben konnten während andere keine Chance hatten, beschäftigt die Wissenschaft schon lange. Ein internationales Forschungsteam um Jennifer Klunk von der kanadischen McMaster University hat nun versucht, eine Antwort darauf zu finden.

Dafür analysierten die Forscherinnen und Forscher über 500 Jahre alte DNA-Proben aus Knochen. Die Proben stammten von Personen aus London und Dänemark die vor, während oder nach der Beulenpest verstorben sind. „Wir haben in den Proben nach genetischen Besonderheiten gesucht, die vor allem bei Menschen auftreten, die die Pest überlebt haben“, so der an der Forschung beteiligte Genetiker Luis Barreiro von der Universität von Chicago gegenüber science.ORF.at. Das Ergebnis der Untersuchungen präsentiert das Team aktuell im Fachjournal „Nature“.

Ausgrabung britischer Pestopfer in East Smithfield.
Museum of London Archaeology (MOLA)
Ausgrabung britischer Pestopfer in East Smithfield

Nachhaltige Veränderung im Erbgut

Mithilfe moderner Sequenzierungs- und Analysemethoden haben die Forscherinnen und Forscher knapp 300 verschiedene Genvarianten untersucht, die mit einer Immunantwort auf die Pest zusammenhängen. Dabei fanden sie vier immunbezogene Varianten, die bei den Toten vor der Pest deutlich seltener vorkamen als bei jenen, die erst danach starben.

Die Genvarianten kamen bei den Überlebenden der Pestpandemie um 26 bis 40 Prozent häufiger vor. „Das ist meines Wissens der stärkste und rasanteste bei Menschen dokumentierte Selektionseffekt bisher“, so Barreiro. Damit bestätigt die Studie erstmals, dass eine Pandemie über ihren starken Selektionsdruck auch nachhaltige Veränderungen im menschlichen Erbgut bewirken kann.

Schutz durch besondere Gene

Ein Gen, auf das sich die Forscherinnen und Forscher besonders konzentrierten, trägt den Namen ERAP2. Es hilft dem Immunsystem dabei, Infektionen zu erkennen und die Immunantwort in Gang zu setzen. Besitzt ein Mensch zwei Kopien einer bestimmten Variante dieses Gens, verbessert das seine Fähigkeit, Krankheitserreger wie Yersinia pestis frühzeitig zu erkennen. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit zwei Kopien dieser Genvariante eine bis zu 40 Prozent bessere Chance hatten die Beulenpest zu überleben als Personen mit einer nicht funktionellen Variante des Gens“, erklärt Barreiro.

Um den Einfluss der Genvarianten genauer zu bestimmen, hat das Forschungsteam sie auch an lebenden menschlichen Zellen im Labor getestet. Mit den zwei Kopien der funktionellen Genvariante von ERAP2 konnten Pesterreger tatsächlich effizienter neutralisiert werden. Die Labortests haben außerdem ergeben, dass die vier vom Team ermittelten Genvarianten auch bei der Abwehr anderer Infektionen helfen.

Die Mitglieder des Barreiro-Labors bei der Analyse von Zellkulturen
The University of Chicago Medicine
Mitglieder des Barreiro-Labors bei der Analyse von Zellkulturen

Anfälliger für Autoimmunkrankheiten

Was vor rund 700 Jahren zu einer besseren und aktiveren Immunantwort geführt hat, kann heute aber sogar für Probleme sorgen. Zwei Kopien der funktionellen ERAP2-Variante stehen in modernen Populationen mit einer erhöhten Anfälligkeit für Autoimmunkrankheiten in Verbindung. So steigert die Genvariante etwa die Gefahr, an Morbus Crohn oder rheumatoider Arthritis zu erkranken. In Zeiten ohne größere Epidemien kann das überaktive Immunsystem also durchaus auch zum Nachteil werden.

Die Ergebnisse der Studie sind laut Barreiro eine Grundlage für viele weitere Untersuchungen in diesem Bereich. Der Genetiker würde sich etwa wünschen, bald auch komplett entschlüsselte Genome von Pestopfern analysieren zu können. Das könnte noch genauere Erkenntnisse dazu liefern, wie die Menschheit und ihr Immunsystem auf Extremsituationen wie die Pest reagiert.