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Jakub – stock.adobe.com
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Energiekrise

Wie man Kälte besser aushält

Warm anziehen und mit Sport die Muskelmasse erhöhen – mit diesen beiden Expertentipps steigen die Chancen, in der kalten Jahreszeit und in wenig beheizten Innenräumen nicht zu frieren. Wechselduschen und das Abhärten durch tiefe Temperaturen machen hingegen nicht kältetoleranter.

Weniger heizen ist das Gebot der Stunde. Langsam, aber stetig wird das Wetter immer kälter. Wer weder frieren noch die Heizung aufdrehen möchte, hat noch ein paar andere Möglichkeiten, um nicht zitternd im Büro sitzen zu müssen. Während das Zähneklappern bei manchen schon bei 20 Grad losgeht, frieren andere erst im tiefsten Winter. Die Symptome sind aber immer gleich: Die Blutgefäße an der Hautoberfläche verengen sich, Blut läuft von außen nach innen, man beginnt zu zittern. Dabei beeinflussen Geschlecht, Alter, Genetik und Körpergröße das individuelle Kälteempfinden genauso wie Fitness und Gewicht.

Hitze wird von den meisten Menschen ab einer ähnlichen Temperatur als unangenehm oder schmerzhaft empfunden. „Das unterscheidet sich vielleicht um ein oder zwei Grad“, erklärt Michael Fischer. Er ist Leiter des Instituts für Physiologie der Medizinischen Universität Wien: „Beim Kälteempfinden können durchaus mehr als zehn Grad zwischen zwei Personen liegen.“ Die meisten Faktoren, die bestimmen, ob jemand schnell friert oder nicht, können nur wenig beeinflusst werden.

Proteinmangel macht kälteresistenter

Eine Studie unter der Leitung des schwedischen Karolinska Instituts zeigte: Jedem fünften Menschen fehlt in den Muskeln das Protein α-Actinin-3. Dieser Mangel führt dazu, dass die Betroffenen weniger kälteempfindlich sind. Vermutlich sei dieser Mangel entstanden, so die Studie, als der moderne Mensch vor mehreren tausend Jahren aus Afrika ausgewandert ist und sich so besser an das kältere Klima anpassen konnte.

Männer frieren außerdem eher seltener, weil ihre Haut dicker ist als die von Frauen. Das Hormon Testosteron fördert zudem den Aufbau von Muskelmasse, die ebenfalls vor Kälte schützt. Auch das Oberflächen-Volumen-Verhältnis ist für das Kälteempfinden wichtig. Kleine Menschen frieren schneller als große, weil größere Menschen im Verhältnis zu ihrem Volumen eine kleinere Körperoberfläche haben.

Menschen mit Adipositas kühlen dadurch im Gegensatz zu dünneren Menschen nicht so schnell aus. Zusätzlich hat weißes Fett, das Fett der Pölsterchen an Hüfte und Beinen, eine isolierende Wirkung. Das sei aber kein Grund, sich Winterspeck anzufuttern, so Fischer. Denn: „Ein erhöhter Body-Mass-Index über das Empfohlene hinaus hat viele negative gesundheitliche Auswirkungen.“

Nur Sport hilft wirklich

Neben dem klassischen weißen Fett gibt es aber auch braune Fettzellen. Bei Erwachsenen sitzen diese im tiefen Hals- und Nackenbereich sowie im Oberkörper. Braunes Fett ist ein Heizkraftwerk. Es verbrennt Kalorien und setzt dadurch Wärme frei. Säuglinge haben viel mehr davon, weil ihre Muskeln noch nicht genug Wärme produzieren können und das Fett sie vor dem Auskühlen schützt. Mit zunehmendem Alter und Gewicht nimmt der Anteil des braunen Fetts immer weiter ab.

Könnte man also braunes Fett gezielter aktivieren oder weißes in braunes Fett umwandeln, wäre man dadurch besser gegen Kälte geschützt. Außerdem könnte es gegen Adipositas helfen, da Menschen mit einem höheren Anteil des braunen Fettgewebes mehr Kalorien verbrennen. Die Forschung dazu sei aber noch in einem sehr frühen Stadium, sagt Fischer.

Um wirklich kältetoleranter zu werden, hilft laut dem Physiologen nur eines, nämlich Sport: „Fitness ist wichtig. Jemand mit einem höheren Muskelanteil friert auch seltener.“ Denn durch mehr Muskelmasse ist auch der Grundumsatz höher. Muskeln sind das Wärmekraftwerk des Körpers, sie setzen Energie um und damit Wärme frei. Je mehr Muskeln man also hat, desto mehr Wärme kann man auch produzieren.

Leistungsfähigkeit nimmt in kalten Räumen ab

Trotzdem bleibt das Kälteempfinden am Ende sehr individuell. Wie sinnvoll es also ist, beispielsweise ein Büro nur auf 19 Grad zu heizen, ist fraglich. Gesundheitsschädlich sei das nicht, so Fischer, aber neben Energie spare man so auch menschliche Ressourcen. „In einem Großraumbüro sind manche Personen dann bei ihrem Temperaturoptimum und andere nicht. In den letzten Jahren hat die Forschung gezeigt, dass die kognitive Leistungsfähigkeit je nach Geschlecht unterschiedlich ist. Überspitzt gesagt gibt es eine Idealtemperatur für Frauen, die etwas höher liegt als die Idealtemperatur für Männer.“

Das zeigt beispielsweise auch eine Studie, in der die mathematischen und verbalen Fähigkeiten von Männern und Frauen bei verschiedenen Temperaturen untersucht wurden. Das Ergebnis: In der Regel sind die verbalen Fähigkeiten von Frauen besser als die von Männern. Je niedriger die Temperatur, desto mehr gleichen sich die Fähigkeiten jedoch an. Bei den mathematischen Fähigkeiten lagen die Männer vorne, mit steigender Temperatur sinken sie jedoch, während die von Frauen weiter steigen.

Abwechselnd heiß und kalt zu duschen oder sich der Kälte auszusetzen, um resistenter zu werden, funktioniert laut Fischer nicht. Zwar hat eine niederländische Studie gezeigt, dass das Wechselduschen positive Auswirkungen auf die Gesundheit und das Immunsystem hat, das Kälteempfinden wurde darin aber nicht untersucht: „Man wird dadurch vielleicht generell resistenter gegen starke Stimuli, auch bezüglich der Kälte. Man darf aber nicht erwarten, dass der Körper an sich resistenter gegen Kälte wird. Der positive Einfluss auf die Psyche steht eher im Vordergrund.“

Frostbeulen müssen sich warm anziehen

Auch regelmäßige Kälteexposition führt laut Fischer nicht dazu, unempfindlicher für Kälte zu werden: „Das Ausmaß an Kälte, das wir uns freiwillig antun, führt bei Wiederholung eher zu reduziertem Kältezittern und zu reduzierter Gefäßverengung an der Oberfläche. Das heißt, es führt auch zu einem reduzierten Schutz gegenüber der Kälte. Erst extreme Zustände, die wir willentlich kaum oder schwer herbeiführen können, führen dazu, dass der Körper so weit auskühlt, dass die Thermogenese einsetzt.“ Thermogenese bezeichnet die Produktion von Wärme. Es ist also ein psychologischer Effekt, wenn man sich häufig der Kälte aussetzt und diese dann als nicht mehr so unangenehm empfindet.

Wer trotz Sport im Büro und zu Hause friert, dem bleibt nicht viel anderes übrig, als sich warm anzuziehen. „Kleidung sorgt für Luftschichten zwischen der Bekleidung und der Haut. Die isolieren extrem gut“, sagt Fischer. Außerdem helfe es, zwischendurch immer wieder aufzustehen und sich zu bewegen, um so die Durchblutung und das Herzkreislaufsystem anzukurbeln. Das sei nicht nur gut für den Körper, sondern fördere auch die Konzentration.