Pracht-Erdschildkröte
Gabriel Jorgewich Cohen et al., Nature Communications
Gabriel Jorgewich Cohen et al., Nature Communications
Kommunikation

Der Ursprung der akustischen Verständigung

Aufzeichnungen von Schildkröten, Schleichenlurchen, Brückenechsen und Lungenfischen sowie Daten von 1.800 anderen Wirbeltierarten zeigen laut einer aktuellen Studie, dass mit der Entstehung der Nasenatmung vor 407 Millionen Jahren wohl auch die akustische Kommunikation entstanden ist.

Bisher habe man geglaubt, dass die akustische Verständigung viel später und in verschiedenen Tiergruppen unabhängig voneinander entstanden ist, erklärt Gabriel Jorgewich-Cohen vom Institut für Paläontologie und Paläontologischen Museum der Universität Zürich, Erstautor der im Fachjournal „Nature Communications“ erschienenen Arbeit. Dabei habe man „Schlüsselarten“ wie Schildkröten und andere Reptilien jedoch nicht berücksichtigt, weil man glaubte, sie seien nicht fähig, lautstark miteinander zu kommunizieren.

Um Gespräche von Reptilien aufzunehmen, hat Jorgewich-Cohen unter anderem die Grazer „Schildkröteninsel“ besucht: „Der Forscher war zehn Tage bei uns und konnte bei allen Schildkrötenfamilien, von denen es vierzehn gibt, Vokalisierungen aufzeichnen“, berichtete Peter Praschag von der Grazer Erhaltungszucht und Forschungsstation „Turtle Island“: „Sie sind recht vielseitig, es scheint bei Schildkröten eine regelrechte Sprache entwickelt worden zu sein". Es gebe wohl sogar lokale „Dialekte“.

Gesprächige Schildkröten

„Wir haben jeweils zwei Exemplare der gleichen Art in einen Behälter gesetzt“, berichtet er: „Sie hatten sich dann jeweils Einiges zu erzählen“. Vermutlich würden sie Territorien abstecken, um Partner werben und vieles mehr. „Die gesprächigste Art war die Riesen-Weichschildkröte aus Neuguinea“, so der Zoologe: „Die beiden Tiere hatten einander zuvor noch nie gesehen und hätten fast die Aufnahmekapazität des Rekorders überfordert.“

Bei der Arrau-Schildkröte aus dem Amazonasgebiet, die über einen Meter lang und 90 Kilogramm schwer werden kann, würden die Jungtiere schon vor dem Schlupf aus dem Ei miteinander kommunizieren, erklärte Praschag: „Wahrscheinlich sprechen sie sich ein gemeinsames Timing aus, um geballt den Feinden am Weg zum Wasser die Stirn zu bieten.“ Auch wenn sich zwei Braune Landschildkröten aus Südostasien begegnen, werde hörbar kommuniziert und dabei mit den Köpfen genickt. Die Tiere würden einander jeweils sofort antworten.

Dem Schildkrötenexperten war demnach schon bewusst, was andere Biologen und Evolutionsforscher irgendwie übersehen haben: Dass Schildkröten sehr wohl vokale Kommunikation entwickelt haben.

„Vokal kompetent“

So geschah es auch bei drei weiteren Tierarten, wo dies bisher nicht bekannt war, wie Jorgewich-Cohen mit Kollegen anhand von Tonaufzeichnungen belegte: Bei jeweils einer Art aus der Gruppe der Schleichenlurche, das sind gliedmaßenlose, schlangenähnliche Amphibien ohne Schwanz, die wie große Würmer aussehen, der Brückenechsen, das sind urtümliche Echsen mit Rückenstacheln aus Neuseeland, und der Südamerikanischen Lungenfische.

Grafik zu Wurzeln der akustischen Kommunikation
Gabriel Jorgewich Cohen et al., Nature Communications

Mit diesen drei sowie insgesamt 50 Schildkrötenarten konnten die Forscher insgesamt 53 Arten erstmals wissenschaftlich als „vokal kompetent“ beschreiben. Gemeinsam mit 1.800 Arten, bei denen die akustische Kommunikation schon früher beschrieben wurde, rekonstruierten sie, dass die Verständigung durch Laute wohl auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen ist. Akustische Kommunikation hat demnach bei allen Tiere mit Nasenhöhlenöffnung (Choanata), also einer Verbindung von Nasen- und Rachenraum, einen gemeinsamen Ursprung und ist wohl vor rund 407 Millionen Jahren entstanden.