Solaranlage im saudi-arabischen Uyayna
AFP – FAYEZ NURELDINE
AFP – FAYEZ NURELDINE
Klimaziele der Ölstaaten

Zwischen Ambition und Realität

Am 6. November beginnt die jährliche UNO-Weltklimakonferenz in Ägypten, nächstes Jahr sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Gastgeber. Die Länder im Nahen Osten haben mittlerweile sehr ambitionierte Klimaziele. Das gilt auch für die Golfstaaten, die nach wie vor viel Öl und Gas exportieren – und damit auch Treibhausgase.

Sowohl Ägypten als auch die VAE zählen zu jenen 26 Nationen, die ihre Klimaziele seit der letzten Weltkonferenz, voriges Jahr in Glasgow, verschärft haben. Der Golfstaat etwa will bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen um über 30 Prozent reduzieren und bis 2050 komplett emissionsfrei werden. So sehen zumindest die Versprechen aus, die die UNO diese Woche in ihrem jüngsten Klimabericht präsentiert hat.

Der allgemeine Tenor dieses Berichts ist negativ, ähnlich wie bei einem weiteren Report, den das UNO-Umweltprogramm UNEP ebenfalls diese Woche veröffentlicht hat: Mit den aktuell weltweit zugesagten CO2-Einsparungen werde sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um rund 2,5 Grad erwärmen. Das ist deutlich mehr als der im Pariser Klimaabkommen beschlossene Wert von 1,5 Grad.

„Wissenschaftliche Realität nicht mehr bezweifelt“

Es gibt aber auch positive Tendenzen. Dazu gehört, dass sich mittlerweile auch Länder, deren Wirtschaft stark auf Öl und Gas beruht, zum Klimaschutz bekennen. Noch in den 1990er Jahren habe etwa Saudi-Arabien Klimapolitik torpediert, sagt der Umweltforscher Michael Oppenheimer von der Princeton University. Im vergangenen Jahrzehnt habe sich die Golfregion aber stark für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit allgemein zu interessieren begonnen.

„Die wissenschaftliche Realität wird nicht mehr angezweifelt“, so Oppenheimer gegenüber der britischen Fachzeitschrift „Nature“. Und diese wissenschaftliche Realität wirkt sich auch auf die wirtschaftliche aus. Zum einen ist die Hinwendung zu grüner Energie – allen voran Photovoltaik und Wasserstoff – beim mittelfristig zu erwartenden Rückgang der Ölnachfrage ökonomisch sinnvoll, zum anderen ist die Region schon jetzt von extremen Hitzewellen betroffen, und die werden laut Klimaprognosen noch häufiger.

Solarpanele vor dem WM-Fußballstadion in Doha/Katar
AP – Nariman El-Mofty
Solarpanele vor dem WM-Fußballstadion in Doha/Katar

Saudi-Arabien, der größte Erdölexporteur der Welt, und Nachbarstaat Bahrain haben Null-Treibhausgas-Emissionen bis 2060 angekündigt. Das gasreiche Katar will bis 2030 ein Viertel seines Ausstoßes verringern, führte ein eigenes Klimawandelministerium ein und eröffnete vor Kurzem das nach Eigenangaben größte Depot für E-Busse weltweit. Knapp 500 Elektrobusse sollen dort via Photovoltaik versorgt werden – und den öffentlichen Verkehr rechtzeitig zur Fußball-WM grüner machen. Israel und die Türkei haben sich das Ziel gesetzt, bis Mitte des Jahrhunderts emissionsfrei zu werden. Für alle von ihnen gilt: Wie andere Länder rechnen sie ihre exportierten Emissionen nicht in die eigene Klimabilanz mit ein – sondern nur den eigenen Verbrauch.

Aber immerhin: „Wir sehen zum ersten Mal, dass Länder, die stark von fossilen Energien abhängig sind, derartige Emissionsziele formulieren“, sagt Mia Moisio vom New Climate Institute in Berlin gegenüber „Nature“. Die von Saudi-Arabien angeführte Middle East Green Initiative etwa hat bei der Weltklimakonferenz im Vorjahr angekündigt, 60 Prozent der Treibhausgase der Öl- und Gasindustrie zu reduzieren – und bekam dafür öffentliches UNO-Lob.

Milliarden Euro, Milliarden Bäume

Wie genau diese ambitionierten Ziele erreicht werden sollen, ist laut dem „Nature“-Artikel unklar. Das notwendige Geld sei jedenfalls vorhanden und die Summen groß: So wollen die VAE bis 2050 rund 163 Milliarden Dollar (oder Euro) in erneuerbare Energien investieren, Saudi-Arabien noch einmal 20. Mrd. mehr. Allerdings: Während im weltweiten Durchschnitt etwa 28 Prozent der Stromerzeugung auf erneuerbaren Quellen beruht, waren es 2020 laut einem Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) im Nahen Osten nur vier Prozent.

Satellitenaufnahmen des Benban Solar Parks in Ägypten
APF – Satellite image 2021 Maxar Tech
Satellitenaufnahmen des Benban Solar Parks in Ägypten

Die Tendenz sei dennoch eindeutig und erste Veränderungen seien sichtbar. So zählt der Benban Solar Park in Ägypten mit einer Leistung von 1,6 GW zu den größten Photovoltaikanlagen der Welt. Der Preis von grün erzeugtem Strom in der Region sei mit einem Cent pro Kilowattstunde „extrem wettbewerbsfähig“, so IRENA-Generaldirektor Francesco La Camera.

Auch grüner Wasserstoff spielt bei den Zukunftsüberlegungen im Nahen Osten eine große Rolle. Entsprechende Produktionsstätten plant Saudi-Arabien in seiner „kohlenstofffreien“ Stadt Neom, die bis 2030 gebaut werden soll. Und schließlich sollen in der Region auch gigantische Mengen an Kohlenstoff gespeichert werden – etwa durch Milliarden neue Bäume, die in bewässerten und wieder nutzbar gemachten Wüstenregionen gepflanzt werden sollen.

Grafik zu den Szenarien der Erderwärmung bis 2100
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: climateactiontracker.org

Öl und Gas wird weiter erschlossen

Es gibt laut dem „Nature“-Artikel aber auch einen großen Haken: Die Länder im Nahen Osten investieren nach wie vor in die Erschließung neuer Gas- und Ölquellen. Um Netto-Null-Emissionen weltweit bis 2050 – und damit noch die Chance auf das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad plus – zu schaffen, dürfte genau das aber nicht mehr passieren.

Signale aus dieser Richtung gebe es aus der Region bisher keine, sagt Klimaforscherin Mia Moisio. Bei der Konferenz in Glasgow habe Saudi-Arabien zudem zu jenen Ländern gehört, die sich gegen einen vorzeitigen Subventionsstopp für fossile Treibstoffe aussprachen. Aber zumindest öffentlich habe es ein klares Bekenntnis gegeben: „Man will nicht als ‚Klimawandelnachzügler‘ gelten.“