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CoV-Pandemie

Die Lehren aus Kubas Alleingang

Mit selbst entwickelten Impfstoffen kann Kuba eine der weltweit höchsten Impfraten gegen das Coronavirus vorweisen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Welche Lehren aus dem erfolgreichen – wenn auch notgedrungenen – Alleingang des Inselstaats in der Bekämpfung der Pandemie gezogen werden können, darüber berichtet nun ein US-Forschungsteam nach einem Besuch in Kuba.

Aus Sorge, nicht genügend Impfstoffe gegen das Coronavirus beschaffen zu können, traf Kuba Mitte 2020 die riskante Entscheidung, selbst Vakzine zu entwickeln. Denn nicht zuletzt aufgrund des über 60 Jahre alten Wirtschafts- und Handelsembargos der USA, war klar, dass es für das Land schwierig werden würde, Impfstoffe einzukaufen. Ein Jahr später, im Juli 2021, wurde mit Abdala der erste in Lateinamerika produzierte Coronavirus-Impfstoff zugelassen.

Nur wenige Wochen danach folgten zwei weitere kubanische Vakzine, die in Kombination verabreicht werden – Soberana-2 und Soberana Plus – und bald wurde flächendeckend geimpft. Kubas Alleingang in der Pandemie klingt nach einer Erfolgsgeschichte: Klinische Studien bescheinigten den Impfstoffen laut kubanischen Behörden eine hohe Wirksamkeit, und mit 97 Prozent bei den Zwei- bis 18-Jährigen meldete Kuba die weltweit höchste Durchimpfungsrate bei Kindern und Jugendlichen.

Vorzeigemodell Kuba

„In einem schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Umfeld, entwickelten, testeten und produzierten kubanische Wissenschaftler zwei sichere und hochwirksame Covid-19-Impfstoffe, mit denen mehr als 90 Prozent der Bevölkerung geimpft werden konnten“, heißt es in dem Bericht des US-Forschungsteams, der nun veröffentlicht wurde. Dass das kleine Land dies geschafft habe, sollte „als Modell für die Bewältigung weltweiter Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in ressourcenarmen Gebieten dienen“.

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Im August 2021 wurden die Soberana-Vakzine vorgestellt

Kubas „außergewöhnliche Arbeit an Covid-19-Impfstoffen“ mache zudem deutlich, dass das Land ein wichtiger Akteur bei der Verbesserung des weltweiten Zugangs zu lebensrettenden medizinischen Fortschritten sein könne, so der Epidemiologe Michael Osterholm, Direktor des Zentrums für Forschung und Politik im Bereich Infektionskrankheiten an der Universität von Minnesota.

„Schockierende Ungleichheiten“

Zusammen mit der Molekularbiologin und Biochemikerin Cristina Rabadán-Diehl leitete Osterholm die Delegation, die von MEDICC organisiert wurde, einer NGO, die die Zusammenarbeit zwischen Kuba und den USA im Gesundheitsbereich fördert. Der Delegation gehörten auch Expertinnen und Experten aus Afrika und der Karibik an, die zu den Themen öffentliche Gesundheitssysteme, Infektionskrankheiten, Biotechnologie und Impfstoffentwicklung forschen.

„Die Pandemie, die wir heute noch bekämpfen, wurde durch schockierende Ungleichheiten beim Zugang zu Impfstoffen und Behandlungen erheblich verlängert – zum Preis von Millionen von Menschenleben und Milliarden von Dollar“, so Rabadán-Diehl. Im Falle einer weiteren Pandemie werden diese Ungleichheiten jegliche Bemühungen zu deren Bekämpfung erneut behindern, heißt es in dem Bericht. Auch der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel hatte in der Vergangenheit mehrfach die ungerechte Verteilung von Coronavirus-Impfstoffen angeprangert.

Lob für Kubas Biotechnologiesektor

Die Leistungen von Kubas Biotechnologiesektor werden im Bericht mehrfach positiv hervorgehoben. Die „komplexe politische Lage“ erschwere die Arbeit für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem sozialistischen Inselstaat allerdings. Kritisiert wird auch, dass die für Kuba geltenden Handelsbeschränkungen sich auch auf die Nutzung der „beträchtlichen biotechnologischen Kapazitäten“ für andere Länder auswirken. Internationale Zusammenarbeit sei heute „dringend erforderlich, um globalen Gesundheitsnotlagen wirksam vorzubeugen und diese zu bekämpfen“.

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Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist die von Kuba gemeldete Impfrate hoch

Um den weltweiten Kampf gegen gesundheitliche Bedrohungen und den gleichberechtigten Zugang zu medizinischen Innovationen zu unterstützen, sollten Hindernisse für die Entwicklung, Produktion und Nutzung von Kubas biotechnologischen und pharmazeutischen Produkten beseitigt werden, rät die US-Delegation. Und auch die internationale Zusammenarbeit mit kubanischen Forschungseinrichtungen, Biotechfirmen und Fachleuten des öffentlichen Gesundheitswesens sollte unterstützt werden.

In mehrere Länder exportiert

Bei Abdala und den Soberana-Vakzinen handelt es sich um Proteinimpfstoffe. Sie nutzen Technologien, die es ermöglichen, sie mit haushaltsüblicher Kühlung zu lagern – im Gegensatz zu den ultrakalten Temperaturen, die für mRNA-Impfstoffe erforderlich sind. Dies sei gerade für den Einsatz in ressourcenarmen Ländern ein entscheidender Vorteil, heißt es im Bericht. Mehrere Staaten, darunter Mexiko, Iran, Vietnam, St. Vincent und die Grenadinen, Weißrussland und Venezuela, hatten eine Notfallzulassung für diese Vakzine erteilt.

Die Studienergebnisse zu Abdala und den Soberana-Impfstoffen wurden bisher nicht unabhängig geprüft. Die US-Delegation stellt in ihrem Bericht klar, dass sie diesbezüglich nicht als prüfende Instanz agiere und auch keine Überprüfung der vorgelegten Daten zur Wirksamkeit und Reichweite der kubanischen Impfstoffe anstrebe. Die Forscherinnen und Forscher verwiesen aber auf Kubas frühere Erfolge bei der Entwicklung sicherer und wirksamer Impfstoffe.