Die Babymumie
Frontiers in Medicine, Nerlich et al
Frontiers in Medicine, Nerlich et al
Medizin

Mumie zeigt Leben und Tod von Adelskind

Fachleute haben in Oberösterreich eine spezielle Babymumie untersucht: Der aus einem Adelsgeschlecht stammende Säugling starb im 17. Jahrhundert, war übergewichtig, litt an Vitamin-D-Mangel aufgrund von zu wenig Sonnenlicht und starb wahrscheinlich an einer Lungenentzündung.

Er war bei seinem Tod zwischen 1550 und 1635 rund zehn bis 18 Monate alt, wie die Forscherinnen und Forscher sie im Fachjournal „Frontiers in Medicine“ berichten. Sein natürlich mumifizierter Körper stammt aus der Familiengruft der Grafen von Starhemberg, einem der ältesten Adelsgeschlechter Österreichs. Die Krypta liegt unter einer an die Pfarrkirche Hellmonsödt (OÖ) angebauten Kapelle in der Nähe des Familiensitzes der Starhembergs auf Schloss Wildberg. In der Gruft wurden zahlreiche Mitglieder der Familie in verzierten Metallsärgen mit Inschriften bestattet.

Genaue Identität bestimmt

Nur der Säugling lag in einem kleinen Holzsarg, ohne Namensangaben oder andere Informationen. Sein Grabmantel aus teurer Seide sei aber ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich bei dem Leichnam um ein Familienmitglied dieser Adelsfamilie gehandelt hat, schreibt das deutsch-österreichische Forscherteam um Andreas Nerlich von der München Klinik Bogenhausen. Hauptziel der von der Diözese Linz und der Familie genehmigten Studie war es, Informationen zur Identität des Säuglings zu erhalten.

Die Fachleute untersuchten die Mumie mit verschiedenen Methoden, u.a. einem Ganzkörper-CT-Scan, histologischen Analysen von Hautgewebe und Radiokarbon-Datierung. Mittels Altersbestimmung, dem gut dokumentierten Stammbaum der Familie und der Annahme, dass nur männliche Erstgeborene in der Krypta begraben wurden, wie es bei den anderen Bestattungen der Fall war, handelt es sich laut Studie bei dem Kind höchstwahrscheinlich um Reichard Wilhelm (1625-1626), der erste Sohn von Erasmus der Jüngere (1595-1664).

Gut genährt, aber rachitisch

Die Untersuchungen brachten pathologische Auffälligkeiten der Leiche hervor. So deutet die Dicke des subkutanen Fetts auf Fettleibigkeit beim Säugling hin, verursacht wohl durch die sehr gute Ernährung, die im Einklang mit seinem adeligen Status stand. Weiters zeigte sich eine als „rachitischer Rosenkranz“ bezeichnete Deformierung des Brustkorbs, die – auch wenn andere dazu führende Ursachen nicht gänzlich ausgeschlossen werden konnten – zur „Hauptdiagnose Rachitis“ führte, wie die Forscher schreiben.

Buch zum Thema

„Das namenlose Kind – Die Kleinkindmumie in der Starhemberg-Gruft der Pfarrkirche Hellmonsödt“, erschienen im Sept. 2021, Wagner Verlag Linz, Hg. Josefine Mülleder, Maria Ecker-Angerer

Diese Knochenerkrankung könnte eine Folge von Vitamin-D-Mangel gewesen sein, wahrscheinlich verursacht durch Mangel an Sonnenlicht. Die Expertinnen und Experten verweisen in ihrer Arbeit darauf, dass von Aristokraten damals erwartet wurde, dass sie weiße, blasse Haut haben, während Sonnenbräune auf einen niedrigen sozialen Status hinwies.

Todesursache Lungenentzündung

Die CT-Aufnahmen lieferten Hinweise auf eine Lungenentzündung, die auch die Todesursache des Kindes gewesen sein könnte. Jüngsten Erkenntnissen zufolge sind Kinder mit Rachitis viel anfälliger für Lungenentzündungen, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die ebenfalls festgestellten massiven Deformationen des Schädels und der oberen Halswirbelsäule dürften den Fachleuten zufolge erst nach dem Tod des Kindes erfolgt sein. Sie vermuten, dass das Kind in einen flachen Sarg gelegt wurde, der zu klein für den Schädel war.

Für die Fachleute war die Untersuchung einer Säuglingsmumie aus der Renaissance insofern besonders interessant, weil es üblicherweise wenige Informationen über Lebensbedingungen, Krankheiten und Todesursachen von Säuglingen und kleinen Kindern früherer Populationen gibt. Grund dafür ist, dass sich die menschlichen Überreste so kleiner Kinder in Erdbestattungen üblicherweise sehr rasch zersetzen.