Überschwemmung im US-Bundesstaat Kentucky, 31.7.2022
AFP – Kentucky National Guard
AFP – Kentucky National Guard
Weltklimakonferenz

Klimaschutzpläne führen zu drei Grad plus

Im Ägypten hat gestern die Weltklimakonferenz begonnen. Die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius einzudämmen, lautet das Ziel schon seit der Weltklimakonferenz 2015 in Paris. Die derzeitigen Klimaschutzpläne führen jedoch zu einer rund drei Grad Celsius wärmeren Welt. Dabei zählt laut Fachleuten jedes Zehntel Grad, um die Klimafolgen abzufedern.

„Unsere Welt kann sich nicht noch mehr Greenwashing erlauben“, sagte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei der diesjährigen Präsentation des Emissions Gap Report. Der Bericht des UNO-Umweltprogramms berechnet jährlich die Emissionslücke zwischen den Emissionsreduktionszielen der Staaten und den Emissionsminderungserfordernissen, die mit dem 1,5-Grad-Ziel einhergehen.

Kaum nachgebesserte Klimaziele

Die letzte Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow endete mit der Zusicherung, die nationalen Klimaschutzpläne nachzubessern. Getan haben das jedoch nur etwas mehr als 20 Länder. Eine sehr überschaubare Nachbesserung: Sie reduziert laut UNO-Bericht die prognostizierten globalen Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 um 0,5 Gigatonnen CO2 Äquivalent (GtCO2e).

In Summe würden die aktuellen, nationalen Klimaschutzpläne aller Länder die globalen Treibhausgase bis 2030 um fünf bis zehn Prozent reduzieren. Notwendig, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen, wäre eine Reduktion um 45 Prozent. Zumindest 30 Prozent wären notwendig, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Fast drei Grad Plus

Die derzeitigen klimapolitischen Maßnahmen würden laut UNO zu einer Erderwärmung von 2,8 Grad Celsius im Laufe des 21. Jahrhunderts führen. Werden die angekündigten Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt, könnte die Erderwärmung auf 2,4 bis 2,6 Grad begrenzt werden.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der diesjährige "State of Climate Action-Bericht. Um die Ziele für 2030 zu erreichen, müssten die Anstrengungen verschärft werden. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung müsste sechs Mal schneller als bisher passieren, ebenso der Ausbau öffentlicher Verkehrssysteme. Die jährliche Abholzungsrate müsse um das 2,5-fache reduziert werden. Der CO2-Ausstoß pro Tonne produziertem Stahl um mehr als das Zehnfache gesenkt werden.

Seit mehr als zehn Jahren wird im Rahmen des Climate Action Trackers berechnet, zu welchen Temperaturerhöhung die nationalen Klimaschutzmaßnahmen bis zum Ende des Jahrhunderts führen, berichtet der Leiter des New Climate Institute, Niklas Höhne: „Die erste Zahl, die wir 2009 hatten, war 3,5 Grad.“ Heute sei man rund ein Grad besser. „Das ist gut, aber immer noch katastrophaler Klimawandel.“

Warum jedes zehntel Grad zählt

Im Vergleich zur vorindustriellen Zeit hat sich die Erde bereits um 1,2 Grad Celsius erwärmt. Dabei handle es sich um den globalen Durchschnitt, erklärt der Klimaforscher Daniel Huppmann vom IIASA. Da sich Landflächen stärker erwärmen als Ozeane, beträgt die durchschnittliche Erwärmung in Österreich bereits jetzt rund zwei Grad Celsius. „Wenn man die österreichischen Klimaszenarien aus dem Jahr 2015 heranzieht, dann würde eine globale Temperatur Erwärmung von drei vier Grad Celsius für Österreich im Schnitt eine Erwärmung von vier bis sechs Grad bedeuten.“

Waldbrand in Lick Creek, Umatilla National Forest, Oregon, United States.

CREDIT
Brendan O’Reilly/U.S. Forest Service

Hitzewellen, Dürren, ausgetrocknete Seen und häufiger auftretende Überschwemmungen: Schon jetzt seien die Auswirkungen der Klimaerwärmung deutlich spür- und sichtbar. Auswirkungen, die mit steigender globaler Durchschnittstemperatur weiter zunehmen werden. Abseits der großen Ziele, wie das 2-Grad- oder das 1,5-Grad-Ziel, sei deshalb jedes Zehntel Grad wichtig. „Jedes Zehntel Grad, das wir an zusätzlicher Erhitzung vermeiden, wird unsere Lebensgrundlagen besser sichern.“

Anpassungsgrenzen und Kipppunkte

Durch höhere Dämme und Bewässerungssysteme kann man sich an die Folgen der Klimaerwärmung anpassen. Diese Anpassung hat aber auch ihre Grenzen, wie etwa der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarat IPCC ausführt. Bei höherer Erwärmung werde es zunehmend unmöglich, die Folgen der Klimaerwärmung für Landwirtschaft, menschliche Gesundheit und die Wasserversorgung abzufedern. Zudem seien schon jetzt Fehlanpassungen beobachtbar, etwa in Form unflexibler Infrastruktur.

„Die Schwierigkeit bei der Klimamodellierung liegt darin, dass wir keine historischen Vergleichswerte haben, auf die wir uns beziehen können“, erklärt Daniel Huppmann. Über die letzten 10.000 Jahre habe sich die globale Durchschnittstemperatur in einer Bandbreite von ungefähr einem halben Grad bewegt. Es fehlten historische Daten, um die Modelle zu kalibrieren. „Wir wissen einfach nicht, wie sich unser Erdsystem verändern wird, wenn zum Beispiel der grönländische Eisschild schmilzt.“

Befürchtet wird, dass bei wärmeren Temperaturen Kipppunkte erreicht werden – Punkte, an denen sich die Erderwärmung verselbstständigt. „Es ist aber sehr schwierig, rein durch numerische Modelle abzuschätzen, wann das genau passieren wird“, sagt der Klimaforscher. Klar ist nur, die Reduktion der Emissionen reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kipppunkte erreicht werden.

Klimaschutzkosten in Billionenhöhe

Um den globalen Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu finanzieren, wären laut UNO-Bericht jährlich Investitionen von mindestens vier bis sechs Billionen US-Dollar erforderlich. Um diese Summe aufzubringen, müssten die Finanzflüsse umgeleitet werden. Beispielsweise wurden laut Internationalem Währungsfonds allein im Jahr 2020 fossile Brennstoffe mit rund sechs Billionen Dollar direkt und indirekt subventioniert.