Spritze mit Tropfen an der Nadel
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
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Medizin

Impfung von Schwangeren schützt Babys vor RS-Viren

Bei Erwachsenen lösen RS-Viren meist nur eine Erkältung aus. Für Säuglinge und ältere Menschen können sie aber lebensgefährlich sein. Jetzt soll es bald Hilfe geben: In einer Studie schützte eine RSV-Impfung von Schwangeren Neugeborene zuverlässig, ein zweiter Impfstoff für Betagte ist bereits in Zulassung.

Der Pharmakonzern Pfizer arbeitet an einem Vakzin für das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) für Neugeborene. Seine Wirksamkeit „in der Verhinderung von einer schweren RSV-Erkrankung bei Neugeborenen innerhalb der ersten drei Lebensmonate betrug 81,8 Prozent. In den ersten sechs Lebensmonaten lag sie sie bei 69,4 Prozent. Der Kandidatimpfstoff wurde gut vertragen. Es gab sowohl für die Geimpften als auch ihre Babys keine Bedenken bezüglich der Sicherheit", wie Pfizer vor einigen Tagen mitteilte.

Studie mit 7.400 Schwangeren

Das Impfkonzept ist bemerkenswert: Durch die Immunisierung von Schwangeren soll via Übergang der dadurch entstandenen Antikörper der werdenden Mütter auf die Ungeborenen ein Schutz gegen die Viren entstehen, die zu schweren Atemwegserkrankungen führen können. Dieses Konzept wurde in der nun beendeten Zulassungsstudie erprobt. In dieser Matisse-Untersuchung (MATernal Immunization Study for Safety and Efficacy) wurden in 18 Ländern rund 7.400 Schwangere auf eine Einmaldosis mit 120 Mikrogramm der Vakzine oder einem Placebo per Zufallsauswahl geimpft. Das erfolgte im späten zweiten oder im dritten Schwangerschaftsdrittel. „Die Studie wurde im Juni 2020 begonnen und erfasste damit mehrere Erkrankungswellen“, schrieb jetzt das Deutsche Ärzteblatt. RSV-Erkrankungswellen sind typisch für die kältere Jahreszeit, oft bereits mit Herbstbeginn.

Protein in zwei Formen

Der Entwicklung solcher RSV-Impfstoffe gingen viele Jahre intensiver Forschungen mit in einem Fall tragischen Zwischenfällen voran. Den entscheidenden Fortschritt bei der Suche nach geeigneten Antigenen erbrachte die Molekularbiologie. Wirksamkeit und Nebenwirkungen hängen nämlich von der Form der verwendeten Proteine ab. Bei der Suche nach dem Protein, das als Antigen für RSV-Impfstoffe dienen könnte, wurde vor einigen Jahren das RSV-Fusionsprotein (F) identifiziert, welches das Verschmelzen von Virushülle mit der Zellmembran bei der Infektion vermittelt. Im Jahr 2000 stieß man bei elektronenmikroskopischen Studien auf ein interessantes Detail: RSV-F existiert in zwei Formen, in einer Struktur vor der Fusion und einer anderen Struktur nach der Fusion.

„Das Protein verändert sich und faltet sich neu. Während das erfolgt, kommt es zum Verschmelzen von Virus und Zellmembran“, sagte dazu Jason McLellan, Strukturbiologe der Universität Austin (Texas/USA) Anfang des Jahres in einem Gespräch mit „Science“. Spanische Fachelute bewiesen schließlich, dass das Prä-Fusionsprotein von RSV am besten geeignet ist. In der Pfizer-Kandidat-Vakzine sind RSV-Prä-Fusionsproteine von zwei RS-Virusvarianten enthalten.

Fatale Studie vor 50 Jahren

Katastrophale Ereignisse mit einem Kandidat-Impfstoff hatte es im Jahr 1965 gegeben. Damals bekamen 31 Babys im Rahmen einer Studie der US-Gesundheitsinstitute (NIH) eine Hitze- und Formalin-inaktivierte Totimpfstoff-Vakzine. Doch 23 der Kinder im Alter zwischen zwei bis sieben Monaten wurden trotzdem infiziert, 18 mussten ins Spital. Zwei der Kinder starben. In einer Kontrollgruppe gab es nur einen Infektionsfall. Schließlich stellte sich heraus, dass die Impfung mit der damaligen Ganzvirus-Totvakzine – die neuen Impfstoffe enthalten nur einzelne Proteine – die Kinder offenbar empfindlicher für die RS-Viren gemacht hatte. Die Hitze- und Formalin-Inaktivierung führte zu einer Umgestaltung des F-Eiweißes in die Post-Fusions-Gestalt. Ein immunologischer Schutz trat nicht ein, gleichzeitig führte die Impfung zu besonders schweren Krankheitsverläufen.

Impfstoff für Ältere

Solche Probleme sind jetzt durch die Verwendung von Prä-Fusionsproteinen in den neuen Vakzinen ausgeschlossen. Pfizer will jetzt die Zulassung seines Impfstoffes bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Parallel dazu laufen Studien mit der Vakzine bei Senioren und Seniorinnen. Für diese Altersgruppe hat auch der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) einen Impfstoff entwickelt, der sich in klinischen Studien bewährt hat und derzeit von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf seine Zulassung geprüft wird. Bei den Erwachsenen soll die Vakzine natürlich direkt Schutz bieten, bei den Säuglingen über den „Umweg“ ihrer Mütter.

„Die jährlichen RSV-Epidemien sind vor allem für Kinder im ersten Lebensjahr gefährlich. Die Säuglinge erkranken an einer sogenannten Bronchiolitis, die eine ausreichende Sauerstoffzufuhr gefährden kann. In den Wintermonaten kommt es deshalb zu einem Anstieg der Hospitalisierungen und Intensivbehandlungen“, hieß es im Deutschen Ärzteblatt.

Vor allem Frühgeborene und Neugeborene sind gefährdet. Bei einem angeborenen Herzfehler verlaufen nach Angaben des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI) etwa fünf Prozent der Erkrankungen tödlich.