Freilassung eines Kampfläufer-Männchens mit solarbetriebenem GPS-Sender am Rücken
Leander Khil
Leander Khil
Neusiedler See

Die wundersamen Routen der Zugvögel

Das Gebiet um den Neusiedler See gilt als wichtige Raststätte für Zugvögel. Jetzt soll der Kampfläufer, ein spezieller Zugvogel, noch besser erforscht werden. Dafür hat ein österreichischer Ornithologe GPS-Sender an einigen Tieren angebracht: Die burgenländischen Salzlacken erwiesen sich sogar als wichtigste Raststätte dieser Zugvögel auf ihrer Reise. Weiters überraschten die unterschiedlichen Flugrouten der Vögel.

Besonders im Frühling und Herbst verwandelt sich das Naturreservat Seewinkel östlich des Neusiedler Sees in ein Vogelparadies, das Naturliebhaber aus der ganzen Welt anzieht. Hier brüten Vogelarten, die es sonst nirgendwo in Österreich gibt. Auch zahlreiche Zugvögel machen hier halt. Da sie große Barrieren wie die Alpen meiden, kommen viele zwangsläufig auf ihrer Reise hier vorbei. Zusätzlich bieten die Salzlacken und die Schilfgürtel rund um den Steppensee ein einzigartiges Ökosystem. Rund 370 verschiedene Vogelarten wurden hier schon gesichtet.

Sendungshinweis:

Universum: Zugvögel – Ein Jahr vergeht im Flug, Di. 8.11.22, 20.15 Uhr, ORF 2.

Der Ornithologe Leander Khil forscht im Seewinkel. Aus den verschiedensten Zugvögeln hat Khil den Kampfläufer für eine tiefergehende Erforschung auserkoren: “Das ist ein Zugvogel, der in Afrika überwintert, in Sibirien brütet und wir wissen nicht genau, wo die Brutgebiete der hier rastenden Vögel liegen und wie lange sie eigentlich im Seewinkel bleiben." Solches Grundlagenwissen über die Wanderungen von Tieren ist wichtig, um besonders schützenswerte Bereiche zu identifizieren, wie eben wichtige Rastplätze, die für das Überleben einer Population unerlässlich sind.

Making of Universum: Zugvögel – Ein Jahr vergeht im Flug

GPS-Sender für Vögel

Im Seewinkel wurden schon einmal bis zu 11.000 Kampfläufer gezählt, die sich zur selben Zeit in dem Gebiet aufhielten. Unbestritten ist, dass sich ein bedeutender Teil des europäischen Gesamtbestandes auf ihrer Durchreise im Burgenland einfindet. Die erste Forschungsfrage für Leander Khil lautete jedoch nicht, wohin sie fliegen, sondern wie lange sie bleiben: “Wenn wir an einem Tag Vögel zählen und am nächsten wieder, so wissen wir nicht, ob es dieselben Tiere sind. Es könnten auch Neuankömmlinge sein, während jene vom Vortag schon weitergezogen sind."

Um herauszufinden, wie lange die Tiere wirklich im Seewinkel verweilen und zu sehen, wohin sie später fliegen, war es notwendig, einige Tiere mit GPS-Sendern auszustatten. So können nicht nur Aufenthaltsort, sondern auch Flughöhe, Geschwindigkeit und Temperatur übermittelt werden. Das Besendern erwies sich allerdings als mühsames Unterfangen, so Khil: “Eigentlich wollte ich schon im Jahr 2021 mit dem Projekt starten, doch es gelang mir nicht, auch nur einen einzigen Kampfläufer zu fangen. Ich habe das Jahr ausschließlich damit verbracht, zu lernen, wie ich es am besten anstelle."

Ein Kampfläufer-Männchen mit solarbetriebenem GPS-Sender am Rücken.
Leander Khil
Ein Kampfläufer-Männchen mit solarbetriebenem GPS-Sender am Rücken

Im Frühjahr 2022 hatte der Ornithologe schließlich mehr Glück: Sieben Kampfläufer-Männchen konnte er fangen. Da sie kräftiger gebaut sind, eignen sie sich für eine Besendung besser als Weibchen. Doch auch hier gibt es viel zu beachten, so Khil: “Das Tierwohl steht an oberster Stelle. Der solarbetriebene GPS-Sender muss leicht sein und darf das Tier nicht beeinträchtigen. Der Sender sitzt wie ein kleiner Rucksack am Rücken des Vogels, dessen Träger um die Beine geschnallt sind. Da manche Vögel stark zu- und abnehmen, müssen die Bänder elastisch sein. Das führt wiederum dazu, dass der Sender, der zwar geplanter Weise irgendwann abfallen soll, manchmal zu schnell verloren geht."

Bedrohtes Vogelparadies

Die Datenauswertung der sieben Kampfläufer brachte für den Wissenschaftler völlig neue Erkenntnisse. Die Vögel machten sogar einen ganzen Monat lang Halt im Seewinkel. “Dass sie so lange hierbleiben, hätte ich nicht gedacht. Außerdem war das der mit Abstand längste Aufenthalt auf ihrer gesamten Reise. Eines der Männchen verbrachte hier am Rastplatz im Seewinkel sogar doppelt so lange Zeit wie im sibirischen Brutgebiet," so Khil.

Und ausgerechnet die burgenländischen Salzlacken sind heuer im Herbst komplett ausgetrocknet – eine Katastrophe für die Zugvögel, die auf ihrem Weg nach Afrika hier rasten wollten. Zwar trocknen Salzlacken und Steppenseen wie der Neusiedler See immer wieder aus, doch nun besteht die Gefahr, dass die Gewässer dauerhaft verschwinden. Neben der Erderwärmung entzieht auch der Mensch viel Grundwasser für die Bewässerung von Feldern, viele Gebiete wurden vor Jahrzehnten für den Ackerbau überhaupt trockengelegt.

Vogelleid durch Wassermangel

Im Burgenland sind die Salzlacken ausgetrocknet, die eine wichtige Tankstelle für Zugvögel auf ihrem Weg in den Süden sind. „Mayrs Magazin“ hat einen Vogelforscher bei seiner Arbeit begleitet.

Zwar gibt eine eigene Task Force im Burgenland, die eine komplette Austrocknung des Neusiedlersees verhindern will, doch deren Pläne lehnen Naturschützer und auch daher auch Leander Khil der Umwelt zuliebe ab: So wäre geplant, dass zukünftig kalkhaltiges Wasser aus der Donau in den Neusiedler See zugeleitet werden. Das könnte allerdings das fragile Ökosystem endgültig ruinieren.

Überraschende – und sehr lange – Flugrouten

Nicht nur die Verweildauer der Kampfläufer-Männchen verblüffte Khil – auch ihre Weiterreise erstaunte ihn. Drei Kampfläufer-Männchen, die aus Afrika kamen und zur selben Zeit im Seewinkel rasteten, flogen nach ihrem Aufenthalt völlig unterschiedliche Destinationen an: Die Wege führten nach Skandinavien, Polen und sogar ans arktische Eismeer. Der Vogel, der nach Sibirien flog, behielt seinen Sender am längsten und so konnte sogar ein Teil des Rückflugs verfolgt werden.

Die Leistung dieses Tieres beeindruckte Khil besonders: “Ein Kampfläufer wiegt etwa 150 Gramm. Dieser kleine Vogel kam weit aus dem Süden Afrikas in den Seewinkel. Hier ist erst in etwa die Halbzeit seiner gewaltigen Reise. Dann flog er nochmals 7.000 Kilometer weiter."

Die unterschiedlichen Routen von drei Kampfläufer-Männchen
Leander Khil
Die drei unterschiedlichen Routen der Kampfläufer-Männchen

Im nächsten Jahr will Leander Khil das Projekt fortführen. Mehr Tiere sollen besendert werden, um durch eine größere Stichprobe Muster innerhalb der Population erkennen zu können. Mit der wachsenden Erfahrung hofft der Wissenschaftler, dass er mehr Männchen einfangen und auch die Anbringung der GPS-Sender verbessern kann, damit diese später abfallen.