Ältere Frau übt Yoga-Baum im Grünen
Kostiantyn/stock.adobe.com
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Altersforschung

Die positive Seite des Alterns

Alt werden hat in unserer Gesellschaft keinen guten Ruf. Das vorherrschende Bild konzentriert sich vor allem auf die negativen Seiten. Dabei geht viel von dem unter, was am Altwerden schön ist, sagt eine Altersforscherin, denn: Sozial gesehen sei das Alter „eine Phase der späten Freiheit“.

50 ist das neue 30, und man ist so jung, wie man sich fühlt – das ist die eine Seite, die Hochglanzseite, des Alterns in unserer Gesellschaft. Auf der anderen Seite werden die „Alten“ als gesellschaftliche Last abgestempelt, als nicht mehr leistungsfähig und als teuer, weil pflegebedürftig. Abseits von Anti-Aging und Pflegeheim gibt es aber viele Facetten Altwerdens und Altseins.

Leider konzentriere sich das vorherrschende Bild in unserer Gesellschaft vor allem auf die negativen Seiten, sagt die Altersforscherin Vera Gallistl von der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems: „Wir verbinden das Älterwerden vor allem mit biologischem Abbau, mit Prozessen wie schwächer werden, krank werden, gesundheitlich abbauen, und mit dem daraus entstehenden Pflegebedarf.“ Es ist also ein Blick auf die Mängel und Probleme, die mit dem Alter verbunden sind.

Viele fühlen sich jünger

Mittlerweile ist ein Fünftel der Österreicherinnen und Österreicher über 65 Jahre alt – als Belastung möchten sich wohl die wenigsten sehen. Umfragen ergaben, dass sich viele Menschen heute deutlich jünger fühlen, als sie sind, so Gallistl. Die Altersforscherin berichtet von einer Erhebung aus dem Jahr 2018, wonach sich über 60-jährige Österreicherinnen und Österreicher im Schnitt acht Jahre jünger fühlen, als sie es tatsächlich sind.

Nach der Pensionierung trete eine Lebensphase ein, in der viele Menschen noch einmal ein neues Lebensgefühl erleben: Mit dem Alter steigt oft auch die Lebenszufriedenheit, viele Ältere sind eine wichtige Stütze für die Enkel, andere haben neue Hobbys, für die im Berufsleben kein Platz war. Diese positiven Seiten des Alterns gehen in den Medien oft unter, kritisiert Gallistl: „Sozial gesehen ist das Alter eine Phase der späten Freiheit, eine Lebensphase von Potenzialen. Man sucht sich neue Ziele, neue Rollen, neue Aufgaben im Leben“.

Dieser potenzialorientierte Blick auf das Altern stehe dem defizitorientierten Blick gegenüber, ergänze ihn aber auch – denn es gehe genau darum: das Alter differenziert wahrzunehmen, mit den positiven und den negativen Seiten.

Neoliberale Altersversprechen

Die späte Selbstentfaltung muss man sich natürlich finanziell auch leisten können; ebenso wie die Schönheitsoperationen und Kosmetika, die manch einer oder eine nutzt, um äußerlich jung zu bleiben. Die Anti-Aging-Industrie proklamiere das Altern als eine individuelle Verantwortung, so Gallistl: „Die Aussage der Werbung ist: wenn ich nur selber aktiv bleibe, wenn ich nur selber gesund bleibe, wenn ich mir sehr viele Cremes kaufe und mich vielleicht auch noch operieren lasse und mir die Haare färbe, dann kann ich mein Alter ein Stück weit maskieren.“

Junge wie alte Menschen fühlen sich von so etwas unter Druck gesetzt. Dagegen helfe zum Beispiel, das Gespräch mit Älteren zu suchen, empfiehlt die Altersforscherin: „Ältere Menschen selbst über das Alter erzählen zu lassen, hilft dabei, die ambivalenten Aspekte des Alters in den Vordergrund zu rücken.“ Denn: Alte Menschen erleben Einschränkungen, aber eben auch neue Möglichkeiten.