Eine junge Frau in einem Rollstuhl fährt in einem Garten
Pixel-Shot – stock.adobe.com
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Long Covid trifft alle Altersgruppen

Weltweit berichten Millionen Menschen von Spätfolgen einer CoV-Infektion und schildern unterschiedlichste Symptome. Eine neue Studie zeigt, dass auch Kinder und Jugendliche teilweise noch über Monate mit Beschwerden zu kämpfen haben – allerdings deutlich weniger häufig als Erwachsene. Die Ursachen von Long Covid bleiben indes weiter unklar.

Für die nun im Fachblatt „PLOS Medicine“ veröffentlichte Studie nutzten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Daten sechs deutscher Krankenkassen, um zu bestimmen, wie oft bestimmte Langzeit-Symptome bei durch einen PCR-Test bestätigten Covid-19-Fällen auftraten. Insgesamt umfasste der Datensatz der Studie fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Informationen von 11.950 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren sowie von 145.184 Erwachsenen (bis 49 Jahre) mit einer Covid-19-Erkrankung im Jahr 2020 wurden ausgewertet. Darüber hinaus wählten die Forschenden für jede Person aus der untersuchten Kohorte fünf entsprechende Kontrollpersonen ohne gemeldete CoV-Infektion aus. Dann wurde verglichen, wie viel häufiger bestimmte Symptome mindestens drei Monate nach der Infektion bei den Covid-19-Betroffenen auftraten.

Erwachsene häufiger betroffen

Das Ergebnis: Insgesamt war die Wahrscheinlichkeit, dass während der ersten Pandemiewelle an Covid-19 erkrankte Kinder und Jugendliche drei Monate oder länger nach der Infektion dokumentierte Gesundheitsprobleme hatten, um 30 Prozent höher als in der Kontrollkohorte. Am häufigsten klagten die Heranwachsenden über Unwohlsein und Erschöpfung, Husten, Schmerzen im Hals- und Brustbereich, aber auch Anpassungsstörungen. Bei den Erwachsenen war die Rate derjenigen, die ein Vierteljahr nach der Infektion ärztliche Diagnosen aufgrund von physischen und psychischen Symptomen erhielten, um 41 Prozent höher als bei den Kindern und Jugendlichen.

Bei ihnen wurden am häufigsten langanhaltende Geruchs- und Geschmacksstörungen, Fieber, Atemnot (Dyspnoe) und Husten in den Krankenakten vermerkt. Die Autoren der Studie, zu denen auch Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), gehört, fassen zusammen: „Wir fanden heraus, dass die Covid-19-Diagnose mit einer höheren langfristigen Nachfrage nach Gesundheitsleistungen verbunden war, was sich in ambulanten und stationären Diagnosen einer breiten Palette von Ergebnissen mehr als drei Monate nach einer bestätigten Sars-CoV-2-Infektion widerspiegelte. Kinder und Jugendliche scheinen zwar weniger betroffen zu sein als Erwachsene, aber diese Ergebnisse sind für alle Altersgruppen statistisch signifikant.“

Gerade die Berücksichtigung von Heranwachsenden mit einer großen Kontrollgruppe sowie der relativ lange Beobachtungszeitraum machen für Winfried Kern von der Klinik für Innere Medizin des Universitätsklinikums Freiburg die Stärken der Dresdner Arbeit aus. „Die Studie kann sehr gut beschreiben, wie viele Menschen nach einer Covid-Infektion wegen Beschwerden häufiger zum Arzt gehen als die Kontrollkohorte“, sagte er in einer unabhängigen Einschätzung. Allerdings bedeute das Untersuchungsdesign auch, dass eben nur die über einen Arztkontakt ermittelten Beschwerdekomplexe erfasst worden seien: „Wahrscheinlich sind Müdigkeit, Erschöpfbarkeit sowie Gedächtnisprobleme und Konzentrationsschwächen deswegen in dieser Studie nicht so dominant.“

Suche nach Risikofaktoren

Darüber hinaus stelle die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen keinen exakten Indikator für Einschränkungen in der Alltagsfunktionalität dar, so Kern. Der Infektiologe hatte selbst eine Post-Covid-Studie in Baden-Württemberg geleitet, deren Ergebnisse kürzlich im „British Medical Journal“ veröffentlicht wurden. Diese zeigte, dass etwa ein Viertel der 12.000 Studienteilnehmer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren sechs bis zwölf Monate nach einer Corona-Infektion unter erheblichen Langzeitfolgen leidet – und dadurch stark in Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist.

Aktuell vergleicht Kerns Forschungsgruppe in einer Nachuntersuchung, inwiefern sich CoV-Erkrankte mit und ohne Long Covid-Symptomatik unterscheiden, um so möglichen Biomarkern auf die Spur zu kommen. Erste Studien legen hier nahe, dass bestimmte Blutproteine, aber auch ein niedriger Cortisolwert messbare Parameter sein könnten.

Eine Bestimmung von Biomarkern könnte zudem helfen, die Ursachen für die Covid-19-Langzeitfolgen zu erklären. Dabei stehen laut Winfried Kern neben Durchblutungsstörungen auch Schädigungen des Nervensystems in der Diskussion. Geriete etwa das autonome Nervensystem in Mitleidenschaft, das unter anderem Kreislauf und Blutdruck reguliere, würde das Beschwerden wie Erschöpfbarkeit gut erklären. „Hier ist allerdings noch Grundlagenforschung nötig“, betont der Infektiologe. „So lange man die genaueren Ursachen nicht kennt, bleiben Therapieoptionen experimentell.“ Schon jetzt deute sich allerdings an, dass das Long Covid-Risiko bei einer Omikron-Infektion geringer sei.