Blumen auf einem eingepackten ukrainischen Panzer
AFP/ALEKSANDER GAYUK
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Konfliktforschung

Wann ein Waffenstillstand wahrscheinlich wird

Der aktuelle Krieg in der Ukraine ist von einem Waffenstillstand weit entfernt. Unter welchen Umständen die Waffen in Konflikten zumindest eine Zeit lang zum Schweigen gebracht werden, hat ein Forschungsteam der ETH Zürich untersucht.

In den 1990er Jahren, nach dem Kalten Krieg, gingen Expertinnen und Experten davon aus, dass Kriege weniger werden und langfristig friedlichere Zeiten angebrochen sind. Bewahrheitet hat sich dies nicht: Die Zahl der Konflikte hat weltweit eher zu- als abgenommen und Waffenstillstände und Friedensverhandlungen sind seltener geworden.

Letzteres zeigen Analysen der ETH Zürich: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten wissen, unter welchen Umständen es am ehesten zu einem Waffenstillstand kommt, und was die hauptsächlichen Gründe dafür sind. Dazu analysierten sie Bürgerkriege der letzten dreißig Jahre. Ihre Studie erschien nun im Fachjournal „Journal of Conflict Resolution“.

Beste Chancen in der Anfangsphase

Die Analyse zeigt, dass ein Waffenstillstand im ersten Monat des Konflikts am wahrscheinlichsten ist. Danach dauert es im Schnitt vier Jahre, bis die Chance für einen Waffenstillstand wieder steigt – und zwar besonders dann, wenn der Konflikt gerade sehr brutal verläuft, also auch zivile Menschenleben gefordert habe, so Studienleiter Govinda Clayton vom Center for Security Studies der ETH Zürich.

Speziell für Bürgerkriege lässt sich sagen, dass auch die Abwahl oder der Sturz der Regierung während eines Bürgerkrieges die Wahrscheinlichkeit eines Waffenstillstandes erhöht. „Die Wahl eines neuen Regierungschefs oder einer Chefin zeigt, dass die Bevölkerung mit der aktuellen Politik unzufrieden ist. Eine neue Person an der Spitze ist dadurch eher in der Lage, auf die Gegner zuzugehen“, so Clayton.

2.202 Waffenstillstände aus 66 Ländern im Zeitraum von 1989 bis 2020 haben die Forscherinnen und Forscher untersucht. Die Ergebnisse können auch für den aktuellen Krieg in der Ukraine interessant sein. Clayton sieht einen Waffenstillstand erst dann als wahrscheinlich, wenn konkrete politische Vereinbarungen möglich erscheinen. Denn die politische Motivation sei – neben humanitären Gründen – ein zentraler Aspekt, damit es zu einem Waffenstillstand komme.

Friedensverhandlungen wurden seltener

Waffenstillstände sind Vereinbarungen, mit denen sich eine oder mehrere Konfliktparteien darauf verpflichten, die Kampfhandlungen einzustellen. Obwohl sie die Probleme, die einem Konflikt zugrunde liegen, meist nicht lösen, sind sie ein wichtiger Schritt, um Bürgerkriege zu beenden. Nicht immer habe ein Waffenstillstand aber das Ziel, ein Schritt zum Frieden zu sein. Bei 30 Prozent der Waffenstillstände sei der Grund ein anderer, etwa, dass man sich neu bewaffnen oder Territorium sichern möchte.

Beim Rückblick auf die letzten dreißig Jahre zeigt sich auch, dass heute wesentlich seltener Waffenstillstände geschlossen werden als früher. Auch Friedensverhandlungen, die von außen, also von anderen Staaten eingefädelt werden, sind seltener geworden. Die Gründe dafür sind laut Studie vielfältig, so habe sich die geopolitische Situation verändert und auch die Art und Weise der Konflikte. Heute gebe es etwa auch transnationale Organisationen wie den Islamischen Staat (IS), die an Verhandlungen wenig Interesse zeigen.