Weltraumschrott fliegt um die Erde
APA/ESA
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Weltraummüll

Trümmer im All gefährden Wissenschaft

7.000 aktive Satelliten kreisen um die Erde – kommerzielle, die das Wetter überwachen oder Internetkommunikation möglich machen, und wissenschaftliche, die etwa die Folgen der Klimakrise auf der Erde messen. Der ständig anwachsende Weltraummüll gefährdet sie. Zu den Gefahrenquellen zählen derzeit auch militärische Manöver.

Immer wieder wird von russischer Seite über mögliche Angriffsziele spekuliert, die nicht die Ukraine selbst, sondern verbündete Nationen treffen sollen, nicht nur auf der Erde, sondern auch im Weltall. Etwa kommerzielle Satelliten, die wie jene von Elon Musks Unternehmen Starlink Internetkommunikation möglich machen. Das hätte nicht nur wirtschaftliche Folgen: Werden Satelliten zerstört, entstehen Bruchstücke, die unkontrolliert im Orbit kreisen und andere Satelliten oder die Internationale Raumstation ISS gefährden.

Weltraummüll nimmt zu

Die Ursachen für das Anwachsen des Weltraummülls sind vielfältig: Satelliten können zusammenstoßen, von zurückgebliebenen Raketenanstriebsstufen oder von kleinen Bruchstücken getroffen werden, die um die Erde kreisen. Bruchstücke, die bei Unfällen entstanden sind oder auch bei militärischen Testabschüssen. Im November 2021 demonstrierte das Russland anhand eines eigenen, ausgedienten Spionagesatelliten. Der Weltraummüll gefährde zusehends wissenschaftliche Missionen, sagt Tim Flohrer, Leiter der Abteilung für Raumfahrtrückstände bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA).

„Da wir in ähnlichen Bahnen mit unseren Satelliten fliegen wie ein großer Teil dieser Bruchstücke bzw. wie viele kommerzielle Satelliten, zumindest in den erdnahen Bahnen, müssen wir regelmäßig Ausweichmanöver planen, um Kollisionen zu vermeiden“, so Flohrer. Die großen Energien, die bei einem Zusammenprall frei werden, würden die Satelliten sonst komplett zerstören. Ein Problem, das im ESA-Missionsbetrieb täglich auftauche.

Laufend Ausweichmanöver notwendig

Jeder Zusammenprall eines Satelliten mit anderen oder auch mit Bruchstücken erzeugt eine Vielzahl neuer Fragmente, die das Risiko von Kollisionen abermals erhöhen. Ein bis zwei Mal pro Jahr müssten mit jedem ESA-Satelliten und der Internationalen Raumstation ISS bereits Ausweichmanöver geflogen werden, sagt Flohrer. Das koste Treibstoff und sei personell aufwendig. Eine Verbesserung sei hier nicht abzusehen, die Situation verschlimmere sich eher, weil die Zahl der Objekte im Erdorbit ständig steigt, so Flohrer weiter.

Derzeit befinden sich ca. 7.000 aktive Satelliten in Erdumlaufbahnen und 3.000 inaktive. Gab es in den 1970er Jahren noch ca. 1.000 Objekte mit einer Größe von zehn Zentimetern Durchmesser und mehr, sind es heute etwa 30.000. Wo sich diese Satelliten und Raumfahrtrückstände befinden, wird vom Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mittels Laser-Messungen erhoben, von der Arbeitsgruppe des Physikers Michael Steindorfer.

Bruchstücke vermindern und entfernen

„Wir schießen, knapp erklärt, Laser-Licht zu den Satelliten und stoppen die Zeit, bis dieses Licht wieder bei uns am Observatorium Lustbühel ankommt“, erklärt Steindorfer. Aus diesen Zeitmessungen könne der Standort von Satelliten auf zwei bis drei Millimeter genau bestimmt werden. Bei kleineren Teilen, Bruchstücken und Weltraummüll, erreiche man zumindest eine Genauigkeit von einem Meter bei der Standortbestimmung, so Steindorfer. So könne das Risiko von Kollisionen und die Notwendigkeit von Ausweichmanövern wesentlich genauer ermittelt werden.

„Mit diesen laserbasierenden Messungen können wir die Vorhersagegenauigkeit von solchen Objekten stark verbessern“, sagt der Physiker. Das sei eben auch bei kleinen Bruchstücken notwendig, denn selbst winzige Trümmer können auf funktionstüchtigen Satelliten mit einer Geschwindigkeit von sieben Kilometern pro Sekunde auftreffen und massive Schäden anrichten. Mit den Vorhersagen wollen ESA und IWF die Entstehung von weiteren Bruchstücken verhindern. Die ESA arbeitet auch daran, im Erdorbit aufzuräumen: 2025 soll bei der Mission Clear Space 1 ein ausgedientes Objekt aus dem Orbit entfernt werden und kontrolliert in der Erdatmosphäre verglühen.