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dusanpetkovic1 – stock.adobe.com
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Neurologie

Schwanger sein verändert das Gehirn

Schwangerschaft führt zu Veränderungen im Gehirn der werdenden Mutter. Das zeigt eine aktuelle Studie aus den Niederlanden. Von Dauer sind diese Veränderungen nicht, sie sollen aber einen bemerkenswerten Hintergrund haben: Laut dem Forschungsteam wird dadurch der Nestbautrieb und die Bindung der Mutter zum Kind gefördert.

Wenn sich Synapsen, Nervenzellen und sogar ganze Gehirnareale verändern, spricht man von Neuroplastizität: die Fähigkeit des Gehirns, sich je nach Notwendigkeit umzubauen. Dabei können sich Aufbau und Funktionen des Gehirns so verändern, dass es optimal auf neue Anforderungen reagieren kann. Beispielsweise können neue Hirnregionen die Aufgaben von Nervenzellen übernehmen, wenn diese aufgrund einer Erkrankung absterben.

In der Studie, die im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, erforschte ein Team um die Neurowissenschaftlerin Elseline Hoekzema, ob auch eine Schwangerschaft derartige Veränderungen im Gehirn, also neuroplastische Prozesse, auslöst. „Außerdem wollten wir sehen, welche Auswirkungen mögliche Veränderungen im Gehirn auf Mutter und Kind haben könnten“, so Hoekzema gegenüber science.ORF.at.

Gehirnscans zeigen Veränderungen

Dass eine Schwangerschaft große Auswirkungen auf das Hormonsystem hat, ist bekannt. Doch das menschliche Gehirn wurde in diesem Zusammenhang bisher nur wenig erforscht. An der Studie, die an der Universitätsklinik UMC in Amsterdam durchgeführt wurde, nahmen anfangs über 90 Frauen teil. Sie alle hatten zu diesem Zeitpunkt noch kein Kind geboren. Teils planten die Studienteilnehmerinnen in naher Zukunft schwanger zu werden, teils nicht.

Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) wurden Gehirnscans der Probandinnen angefertigt. Mit dieser Methode lassen sich Bereiche des Gehirns bildlich darstellen. 40 Frauen wurden zwischen den MRT-Terminen schwanger, etwa ebensoviele blieben der Studie als Kontrollgruppe erhalten.

Die Analyse der Scans zeigte tatsächlich neuroplastische Prozesse – und zwar ausschließlich bei jenen Probandinnen, die während der Studie schwanger geworden waren: Das Forschungsteam stellte Veränderungen von Struktur und Funktion im Default-Mode-Netzwerk (DMN) des Gehirns fest. Dieses Netzwerk ist eine Gruppe miteinander verbundener Hirnregionen. Auf deutsch wird es auch Ruhezustandsnetzwerk genannt, weil diese Regionen beim Nichtstun aktiv sind, beispielsweise beim Tagträumen. Sobald man sich auf konkrete Aufgaben konzentriert, wird es heruntergefahren.

Ein Jahr nach Geburt wieder auf Ausgangsniveau

Anhand der Gehirnscans zeigte sich, dass die Aktivität im Default-Mode-Netzwerk während der Schwangerschaft immer mehr zunahm und erst ein Jahr nach der Entbindung wieder auf das Ausgangsniveau zurückging. Und auch im Volumen der Grauen Substanz beobachteten die Forscherinnen und Forscher Veränderungen während der Schwangerschaft; in der Weißen Substanz hingegen nicht.

Die Veränderungen bleiben zwar nicht dauerhaft erhalten, während der Schwangerschaft und bis zu einem Jahr nach der Geburt seien sie aber „außerordentlich stark und beständig“, sagt Elseline Hoekzema. Allzu verwunderlich sei dies aber gar nicht, so die Neurowissenschaftlerin, wenn man bedenke, von welch gewaltigen Hormonschüben sie angetrieben werden.

Zusammenhang mit Stärke der Bindung

Um herauszufinden, ob diese Veränderungen irgendwelche Auswirkungen haben, absolvierten die Probandinnen während der Studiendauer verschiedene Tests. So füllten sie etwa regelmäßig Fragebögen aus, u. a. zum Bindungsverhalten. Neben diesen psychologischen Aspekten wurden auch die körperlichen Reaktionen der Schwangeren auf lachende und weinende Babys beobachtet. Korrelationsanalysen zeigten, dass die zunehmenden Veränderungen im Default-Mode-Netzwerk mit einer Verlangsamung der Herzfrequenz der Frauen als Reaktion auf lachende Babys, die auf Mütter beruhigend wirken, einhergingen.

Insgesamt deuten die Ergebnisse laut dem Forschungsteam darauf hin, dass die Veränderungen im Gehirn zu „mütterlichen Verhaltensweisen“ während der Schwangerschaft und nach der Geburt beitragen. „Wir fanden verschiedene Hinweise darauf, dass die Hirnveränderungen mit Aspekten des mütterlichen Verhaltens zusammenhängen, beispielsweise mit der körperlichen Reaktion auf Signale des Säuglings, dem Nestbautrieb und dem Bindungsverhalten“, so Hoekzema.

Kausalität nachzuweisen “schwierig“

Die Studienautorinnen und -autoren betonen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den Veränderungen im Gehirn und den „mütterlichen Verhaltensweisen“ nicht belegt werden kann. Tatsächlich eine Kausalität nachzuweisen, sei sehr schwierig, so die Neurowissenschaftlerin: „Man möchte ja nicht in die Vorgänge im Gehirn eingreifen oder massive Hormonbehandlungen durchführen, um zu sehen was passiert.“

Die Ergebnisse der Studie deuten aber darauf hin, dass die schwangerschaftsbedingten Veränderungen in der Struktur und Funktion des Gehirns, von entscheidender Bedeutung für die Bindung von Mutter und Kind während der Schwangerschaft und auch noch nach der Geburt sind.