Rote Bänder in zwei Händer, HIV/AIDS
AFP/MANJUNATH KIRAN
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Welt-Aids-Tag

Gesund leben, trotz HIV

Rund 8.000 Menschen leben in Österreich mit einer HIV-Infektion, 20 Prozent von ihnen sind über 60 Jahre alt: Dank guter Therapien können Infizierte also mittlerweile auch mit den HI-Viren im Blut alt werden. Am wichtigsten ist es, die Infektion möglichst früh zu erkennen, so Fachleute zum Welt-Aids-Tag.

Hierzulande kommt es kaum noch zum Ausbruch der Immunerkrankung Aids – dafür seien die Behandlungsmöglichkeiten in der Medizin bereits zu weit fortgeschritten, stellt der Infektiologe und Präsident der Österreichischen Aids-Gesellschaft, Alexander Zoufaly gegenüber science.ORF.at klar. „Wenn die HIV-Infektion frühzeitig erkannt wird, dann kann man durch die Therapie ein ganz normales Leben führen, und es wird sich niemals das Stadium Aids entwickeln“, erklärt er.

Infektion voll behandelbar

Generell habe sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel getan, was die Behandlungsmöglichkeiten betrifft. War eine HIV-Infektion in den 70er- und 80er-Jahren noch oft eine Art Todesurteil, habe sich das spätestens im Jahr 1996 mit dem Aufkommen der antiretroviralen Therapie geändert. Dabei werden mehrere Wirkstoffe miteinander kombiniert, um die Vermehrung der Viren an verschiedenen Stellen zu bekämpfen. „Mit dem Aufkommen dieser Kombinationstherapie hat sich die Lage sehr gebessert – heute kann eine HIV-Infektion eigentlich in jedem Fall voll behandelt werden“, so Zoufaly.

Demnach spielen auch Faktoren wie das Alter der Betroffenen und verschiedene Nebenerkrankungen bei der Therapie kaum noch eine Rolle. Das Ziel der Behandlung sei immer dasselbe: „Das Virus einfrieren, die Virusvermehrung unterdrücken und damit ein gesundes Leben garantieren“, so Zoufaly.

Dass die Therapie wirkt, zeige unter anderem auch das Durchschnittsalter der Betroffenen in Österreich. Es liegt derzeit bei rund 49 Jahren. Eine gute Nachricht, da Infizierte dieses Alter noch vor ein paar Jahrzehnten kaum erreichen konnten. Etwa 20 Prozent der Betroffenen in Österreich sind sogar bereits über 60 Jahre alt.

Dunkelziffer weiterhin hoch

In Österreich gibt es aktuell zwischen 8.000 und 9.000 Personen mit einer HIV-Infektion. Jedes Jahr kommen 300 bis 400 Neudiagnosen dazu. „Der Großteil der Betroffenen ist in Therapie und wird erfolgreich behandelt“, so Zoufaly. Immer noch gibt es aber eine recht hohe Dunkelziffer. Schätzungen zufolge wissen rund zehn Prozent der Betroffenen nichts von ihrer Infektion.

Gründe gibt es dafür einige. Einerseits werde das Risiko, das von ungeschütztem Geschlechtsverkehr ausgeht, oft noch unterschätzt. Andererseits sei über die eigene Sexualität zu sprechen aber auch oft stigmatisiert. „Vor allem über Probleme mit der sexuellen Gesundheit – also über Infektionen oder Erkrankungen – spricht man immer noch nur sehr ungern, leider auch mit dem Arzt oder der Ärztin“, erklärt der Infektiologe. Laut ihm wäre es höchste Zeit, die Stigmatisierung rund um HIV-Infektionen zu stoppen.

Auch bei einigen Ärztinnen und Ärzten sieht Zoufaly aber Aufholbedarf. „Eine HIV-Infektion drückt sich oft zuerst durch andere Erkrankungen oder Beschwerden aus, die auf den ersten Blick nur wenig mit der Infektion zu tun haben“, erklärt er. Manch behandelnder Arzt komme so nicht gleich auf die richtige Prognose. Es sei daher wichtig, auch die Ärzteschaft besser mit HIV-Infektionen vertraut zu machen.

Früherkennung wichtig

Ein frühes Erkennen der Infektion ist immerhin ausschlaggebend für den Therapieerfolg. Die Viren sollten für die bestmöglichen Ergebnisse möglichst schnell an der Vermehrung gehindert werden. Auch die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung sinkt dadurch, dass immer mehr Menschen behandelt werden. „Sie haben dann in ihrem Blut und in ihren Sexualflüssigkeiten kaum noch Viren, die sie an andere weitergeben können“, erklärt der Infektiologe.

Sollte der Verdacht einer Infektion bestehen, weil es zum Beispiel ungeschützten sexuellen Kontakt mit einer Risikoperson gab, empfiehlt Zoufaly sich so bald wie möglich zu testen. „Das geht beim Arzt, in der Apotheke, in verschiedenen Laboren und mittlerweile sogar mit einem Selbsttest“, so der Infektiologe. Wichtig zu beachten sei dabei jedoch, dass sich eine Infektion erst wenige Wochen nach dem Ansteckungsereignis auf den Tests bemerkbar macht. „Falls eine Unsicherheit besteht, ist es auf jeden Fall ratsam, sich einfach nach ein bis zwei Wochen nochmal zu testen“, erklärt Zoufaly.

Bei einem positiven Ergebnis sollte dann sofort mit der Behandlung begonnen werden. Medikamente gibt es bereits einige – manche davon in Tablettenform, die jeden Tag eingenommen werden, andere als Injektion, die nur alle paar Monate verabreicht wird.

HIV-Aus bis 2030?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich das Ziel gesetzt, HIV-Infektionen bis zum Jahr 2030 komplett auszurotten. In Österreich wäre das durchaus denkbar, meint Zoufaly.

Ausschlaggebend dafür könnte auch eine neue Profilaxe gegen die Viren sein. „Es gibt mittlerweile Tabletten, die man jeden Tag einnimmt, die gut verträglich sind und die schon vor dem sexuellen Kontakt vor einer Infektion schützen können“, so der Präsident der Österreichischen Aids-Gesellschaft. Vor allem bei Personen, die oft Risikokontakte haben, könnte das neue Medikament die Infektion effektiv verhindern.

Ungleichheiten beenden

Anders sieht die Lage aber global aus. Zum Welt-Aids-Tag, der jedes Jahr am 1. Dezember auf die Immunerkrankung und ihre globalen Folgen hinweist, gibt es vom UNO-Programm für die Bekämpfung von Aids (UNAIDS) eine eher wenig erfreuliche Prognose. Global sei das Ziel der WHO demnach aktuell nicht zu erreichen – zu stark steige die Zahl der HIV-Neuinfektionen und der Aids-bedingten Todesfälle in bestimmten Teilen der Welt an – zum Beispiel in Teilen Afrikas.

Ungleichheiten seien der Hauptgrund dafür – egal ob es sich dabei um geschlechtsspezifische Ungleichheiten, Ungleichheiten bei Schlüsselgruppen wie Homosexuellen oder Ungleichheiten zwischen Kindern und Erwachsenen handelt. Unter anderem die Diskriminierung von homosexuellen Männern und die Stigmatisierung, die auf einer HIV-Infektion haftet, gehören dazu. Das offizielle Motto des heurigen Welt-Aids-Tags lautet daher auch „Equalize“, oder auf Deutsch etwa „Ungleichheiten beenden“.