Ein Arzt hält Medikamente in seinen Händen
AFP – GERARD JULIEN
AFP – GERARD JULIEN
Kritik

Zahlung an Ärzte nicht mehr meldepflichtig

Wirkungen von Medikamenten werden auch nach deren Zulassung weiter untersucht. Bei Anwendungsbeobachtungen etwa bezahlen Pharmafirmen Ärzte und Ärztinnen dafür, dass sie ein bestimmtes Mittel verschreiben und die Behandlung dokumentieren. Seit Oktober müssen Anwendungsbeobachtungen nicht mehr gemeldet werden – ein Rückschritt in Sachen Transparenz, kritisiert Transparency International.

Bei Anwendungsbeobachtungen verschreiben Ärztinnen und Ärzte ein bestimmtes Medikament, das bereits auf dem Markt ist. Im Laufe der Behandlung wird beobachtet, wie der Patient oder die Patientin das Präparat verträgt. Diese Daten schickt der Arzt an das Pharmaunternehmen, das die Beobachtungsstudie beauftragt hat. Er erhält dafür ein Honorar, das Medikament zahlt die Krankenkasse.

Durch diese Studien sollen Erkenntnisse bei der Anwendung bereits zugelassener Arzneimittel gesammelt werden. Dabei könne es sich um „echte“ Studien oder aber auch um reine Marketingmaßnahmen handeln, die zum Ziel haben, möglichst viele Patientinnen und Patienten auf ein neues Medikament einzustellen, kritisiert Transparency International Austria (TI-Austria). „Maximale Transparenz“ sei daher in diesem Zusammenhang eine wesentliche Voraussetzung.

„Verschreibungsverhalten wird beeinflusst“

Anwendungsbeobachtungen sind eine Form von Nicht-Interventionellen Studien – Studien, bei denen keine studienbedingte Intervention an Studienteilnehmern vorgenommen wird. Auf der Website der Ethikkommission der MedUniWien ist zum Thema Nicht-Interventionelle Studien zu lesen: „Die Entscheidung zur Verordnung der Arzneispezialität muss klar von der Entscheidung getrennt sein, den Patient:innen in die Studie einzubeziehen.“

Laut Transparency International ist genau das bei Anwendungsbeobachtungen aber meist nicht der Fall: Oft gehe es bei Anwendungsbeobachtungen darum, das Verschreibungsverhalten der Ärztinnen und Ärzte zu beeinflussen, um den Marktanteil zu erhöhen, sagt Claudia Wild, Leiterin des Austrian Instituts für Health Technology (AIHTA) und Expertin bei TI-Austria. „Neue Medikamente, die noch gar keinen Marktanteil haben, sollen verstärkt untergebracht und schon lange auf dem Markt befindliche Präparate sollen weiterhin verschrieben werden“, so Wild gegenüber science.ORF.at.

„Kritischer Blick fällt weg“

Seit 2010 gibt es in Österreich eine Verordnung über die Meldepflicht für Nicht-Interventionelle Studien, zu denen auch Anwendungsbeobachtungen gehören. Diese Verordnung wurde im Oktober vom Gesundheitsministerium aufgehoben. Und auch das Register für diese Studien im Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) wurde mit sofortiger Wirkung eingestellt.

Ohne diese Datenbank sei es „nicht möglich nachzuvollziehen, welche Anwendungsbeobachtungen in Österreich laufen, zu welchen Medikamenten und wie viel österreichische Patientinnen und Patienten davon betroffen sind“, sagt Wild. Das bedeute, dass Anwendungsbeobachtungen „jetzt ohne Beobachtung durchgeführt werden können, weil der kritische Blick darauf völlig wegfällt“.

TI: Auswirkungen auf Sozialversicherungswesen

Und das werde Auswirkungen auf das Sozialversicherungswesen haben, heißt es von Transparency International: Denn wenn das Verschreibungsverhalten zugunsten von teureren Medikamente beeinflusst werde, komme es zu Kostensteigerungen. Zudem sei es „notwendig, dass Patientinnen und Patienten darüber informiert sind, wenn ihre Ärzte Geld dafür erhalten, dass sie ein bestimmtes Medikament und kein Konkurrenzprodukt verschreiben“, sagt Wild. Denn dies sei “ein sehr wichtiges demokratisches Wissen“.

Laut einem Bericht des AIHTA waren im Juni 2021 462 Nicht-Interventionelle Studien mit einer geplanten Zahl von 55.708 österreichischen Patientinnen und Patienten gemeldet. Die Urheber der Studien waren demnach überwiegend Pharmafirmen.

Ministerium: Transparenz gewährleistet

Aus dem Gesundheitsministerium hieß es auf Nachfrage von science.ORF.at nach den Gründen für die Abschaffung der Meldepflicht für Nicht-Interventionelle Studien, diese seien seit Anfang des Jahres mittels EU-Recht geregelt, eine Meldepflicht sei deshalb nicht mehr nötig. Laut Ministerium sei Transparenz für das österreichische Gesundheitssystem aber unabhängig davon gewährleistet.

Denn: Die Verhaltenskodizes der pharmazeutischen Industrie gelten für alle Geld- und Sachleistungen, die von Pharmafirmen direkt oder indirekt an Institutionen des Gesundheitswesens geleistet werden. Sie gehen also deutlich über die Meldepflicht für Nicht-Interventionelle Studien hinaus, so das Ministerium.