Mann im Auto, der schimpft
Paolese/stock.adobe.com
Paolese/stock.adobe.com
Sprache

Der universelle Klang von Schimpfwörtern

„Gschissana, Fetzenschädel oder Vollpfosten“ – ihre Wirkung verdanken Kraftausdrücke nicht nur ihrem Inhalt, sondern auch ihrem Klang. Ein Forschungsteam hat nun herausgefunden, warum Schimpfwörter in vielen Sprachen ähnlich klingen: Bestimmte Laute kommen darin kaum vor.

Einiges spricht dafür, dass Wörter und Laute einer Sprache nicht völlig willkürlich gewählt sind, sondern manche Klänge mit bestimmten Bedeutungen zusammenhängen. Beispiele sind etwa der nasale Laut „n“, der in vielen Sprachen der Welt im Wort für „Nase“ vorkommt, oder helle Vokale wie „i“, die viel häufiger für kleine Dinge verwendet werden als tiefe wie „o“.

Wie Shiri Lev Ari und Ryan McKay von der University of London in ihrer soeben im Fachmagazin „Psychonomic Bulletin & Review“ erschienenen Studie schreiben, vermuten manche Fachleute, diese Lautsymbolik erleichtere Kindern das Erlernen ihrer Muttersprache. Aber der spezielle Klang bestimmter Laute könnte auch dabei helfen, Gefühle und Erregungszustände auszudrücken. Man wisse beispielsweise, dass gestresste Menschen sowie manche Tiere eher harsche Töne von sich geben; wenn sie entspannt und zufrieden sind, sei der Klang hingegen weich.

Um Ärger angemessen auszudrücken, könnten auch Schimpfwörter einem bestimmten phonetisches Muster folgen. Im Englischen beinhalten sie tatsächlich sehr oft Plosivlaute wie „p“, „t“ oder „k“, während Wiegenlieder besonders viel sonore Konsonanten wie „l“ und „w“ enthalten. Ob Schimpfwörter auch in anderen nicht indoeuropäische Sprachen einem bestimmtes Klangmuster gehorchen, haben Lev-Ari und McKay in der aktuellen Arbeit untersucht.

Fehlender Lauttypus

Für die Pilotstudie wurden 20 Sprecher von fünf nicht miteinander verwandten Sprachen eingeladen, die schlimmsten ihnen bekannten Kraftausdrücke zu nennen: Die endgültige Liste enthielt 34 Schimpfworte und Flüche in Hebräisch, 14 in Hindi, 14 in Ungarisch, 17 in Koreanisch und 26 in Russisch. Anschließend wurde analysiert, welche Konsonanten in den Wörtern und Phrasen vorkommen. Ein Muster zeigte sich relativ durchgängig: die weitgehende Abwesenheit von sogenannten Approximanten wie „l“, „r“, „w“ und „y“.

Danach testeten dir Forscherin und der Forscher die Außenwirkung der entsprechenden Klanggestaltung mit Hilfe von Pseudowörtern. Die Fragestellung: „How good is you sweardar?“ (übersetzt in etwa: „Wie gut ist ihr Schimpfradar?“) 215 Sprecherinnen und Sprecher aus sechs Sprachen (Arabisch, Chinesisch, Finnisch, Französisch, Deutsch und Spanisch) sollten bewerten, in welchen Fällen es sich vermeintlich um ein Schimpfwort handelt.

Die Phantasiewörter wurden in Paaren präsentiert, die sich nur in einem Laut unterscheiden: einmal mit einem Approximanten und einmal mit einem anderen Konsonanten, abgeleitet vom deutschen „Baum“ war das z.B. das Paar „laum“ und „tsaum“. Wie die Studienautoren schreiben, wurden Wörter ohne Approximanten tatsächlich häufiger für Schimpfworte gehalten, überraschenderweise sogar von Franzosen und Französinnen, deren Sprache anders als die meisten anderen auch viele Schimpfwörter mit diesem harmloseren Klang haben. Das lege nahe, dass darunter eine universelle Tendenz liege.

Schimpfwörter entschärfen

Im letzten Teil der Studie wurde die Klangtendenz noch indirekt untersucht, und zwar mit Hilfe sogenannter „minced oaths“: Schimpfwörter, die verhüllt oder abgemildert werden, z.B. “Scheibe“ statt „Scheiße“ oder im Englischen „darn“ statt „damn“. Die Annahme: Diese müssten besonders viele Approximanten enthalten, um die Schärfe rauszunehmen. Zumindest im Englischen sei das tatsächlich der Fall, schreiben die beiden Fachleute.

Zusammengenommen zeigen die Ergebnisse, dass Schimpfwörter ihre beleidigende Kraft nicht nur aus ihrem Inhalt gewinnen – meist geht es um tabuisierte Bereiche wie Ausscheidungen oder sexuell Anstößiges. Auch ihr Klang dürfte eine Rolle spielen. Das lege nahe, dass Lautsymbolik generell wichtiger ist als meist angenommen, heißt es in der Studie, etwa für den Ausdruck von Gefühlen. Das habe auch praktische Konsequenzen: Im echten Leben kann der harmlosere Klang von Wörtern angespannte Situationen entschärfen.