Gossenköllesee
Ruben Sommaruga
Ruben Sommaruga
Biologie

Tiroler Bakterien erstaunlich flexibel

Vor knapp zehn Jahren haben Fachleute im Tiroler Gossenköllesee ein Bakterium entdeckt, das laut einer neuen Studie sehr speziell ist: Je nach Jahreszeit schaltet es zwischen zwei Mechanismen, Energie aus Licht zu gewinnen, hin und her.

Das hat eine Forschergruppe um Michal Koblížek von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften mit Tiroler Kollegen herausgefunden. Dies sei der erste Nachweis einer solch flexiblen Strategie bei einem Bakterium, wie die Forscher im Fachblatt „PNAS“ berichten.

Anpassung an wechselvolle Lebensbedingungen

Der Bakterienstamm mit dem Namen „Sphingomonas glacialis AAP5“ ist in dem 1,6 Hektar großen, auf 2.416 m Seehöhe liegenden Gossenköllesee in den Stubaier Alpen heimisch. Die Universität Innsbruck betreibt dort seit dem Jahr 1975 Forschungen, die auch zur Entdeckung des Bakteriums führten. Die neue Studie offenbarte nun seine erstaunliche Flexibilität. Dabei handelt es sich vermutlich um eine Anpassung an die harschen und wechselvollen Umweltbedingungen in den Hochalpen.

Die Lebensbedingungen des Bakteriums simulierte das Team, dem auch Christopher Bellas und Ruben Sommaruga vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck angehörten, im Labor, wie es am Montag in einer Aussendung der Uni heißt. Sie züchteten Sphingomonas glacialis AAP5 bei Temperaturen zwischen vier und 25 Grad Celsius und unter verschiedenen Lichtverhältnissen, um mittels genetischer Analysen herauszufinden, welche Methoden zur Nutzung des spärlich oder reichlich vorhandenen Lichts das Bakterium einsetzt.

Zwei Strategien

Derartige lichtsammelnde Bakterien wenden in der Regel nämlich „nur einen der möglichen Mechanismen zur Energiegewinnung aus Sonnenlicht“ an, so Sommaruga: „Zwar wurden in einigen Bakterienstämmen bereits Gene identifiziert, die zwei Lichtsammelmechanismen enthalten, doch es gab bisher keine Beweise, dass eine Art auch tatsächlich beide nutzt. Bei Sphingomonas glacialis AAP5 konnten wir diesen Beweis jedoch erbringen.“

Bei der einen Strategie nützen Bakterien das Licht, um einen Konzentrationsunterschied an Protonen zwischen ihrem Inneren und der Umgebung herzustellen. Das erlaubt ihnen, Energie zu gewinnen. Der zweite bekannte Mechanismus ist mit der Photosynthese bei Pflanzen eng verwandt: Mit Bakteriochlorophyll-a kann das Bakterium langwelliges Licht absorbieren.

Ausgeklügelte Anpassung

Die neuen Untersuchungen zeigen nun, dass das Bakterium aus dem Tiroler See bei niedrigen Temperaturen und wenig Licht auf die Photosynthese setzt. Protonen pumpt es hingegen bei hoher Lichtintensität und etwas höheren Temperaturen.

Da es die verschiedenen Ansätze „unter sehr unterschiedlichen Licht – und Temperaturverhältnissen“ an den Tag legt, scheint es sich um eine ausgeklügelte Anpassung an den deutlichen Wechsel der Jahreszeiten im Hochgebirge zu handeln. So kann es die richtige Strategie wählen, wenn es über längere Zeit unter einer Eisdecke überleben muss.