Egal ob es ein guter Vorsatz oder eine Geschäftsidee ist: Wer scheitert, verletzt damit sein Ego, das Selbstbild wird angekratzt. Das Gefühl des Scheiterns löst im Körper die Produktion von Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin aus, erklärt der Münchner Psychologe Dieter Frey – Stresshormone, die zum Flüchten oder Kämpfen befähigen sollen. Psychologisch werden diese chemischen Prozesse bei Misserfolgen von Herzrasen, Bluthochdruck, Schlaflosigkeit und Ängsten begleitet.
Dass Scheitern auf das Ego und das Selbstbild wie eine Bedrohung wirkt, zeigten auch internationale Studien. Diese Wirkung führt dazu, dass Menschen meist versuchen abzublocken anstatt aus dem Scheitern zu lernen: Man möchte die negative Erfahrung schnell vergessen, wenn nicht gar verdrängen. Doch wer sich in seiner Existenz bedroht fühlt, kann schwer reflektieren und tendiert dazu, sich als Opfer zu stilisieren.
Tipps zum besseren Umgang mit dem Scheitern
Schaffe man es aber aus diesem Blockadeverhalten heraus, so habe man die Möglichkeit, viel aus dem Scheitern zu lernen, und sich damit voranzubringen, sagt Dieter Frey. Idealerweise stellt man sich selbst folgende Fragen: Lag es an mir? Lag es an anderen, externen Faktoren? Lag es an mangelnder Anstrengung, an mangelndem Talent?
Das Scheitern aufzuschreiben oder mit Mitmenschen darüber zu sprechen, werde in der Forschung ebenfalls empfohlen. Beides seien Methoden, wie man den Misserfolg verarbeiten und zugleich für die Zukunft daraus lernen könnte. Man werde gewissermaßen zum Experten des Scheiterns. Damit eine solche Ursachenanalyse überhaupt möglich ist, braucht es laut Frey aber die richtige Einstellung im Kopf. Ein wichtiges Stichwort hierfür ist Resilienz: Erfolgreiche Menschen lassen sich meistens nicht unterkriegen. Sie haben die Fähigkeit, aus jeder Situation – somit auch aus Niederlagen – das Beste für sich herauszuholen.
Positive Kultur des Scheiterns
Frey hat für seine Resilienzforschung mit Unfallopfern gesprochen. Dabei habe sich gezeigt, dass jene, die glauben, ihre Heilung auch selbst mit beeinflussen zu können, am schnellsten wieder gesund werden. Eine offene Frage sei in der Forschung aber, inwieweit eine solche Einstellung auch erlernbar ist. Hilfreich wäre jedenfalls eine positivere gesellschaftliche Fehlerkultur.
In Deutschland und Österreich herrsche generell ein großer Drang zum Perfektionismus. Bei Fehlern führe das zu Scham, die Schadenfreude der Mitmenschen sei groß, sagt Frey. Als Vorbild können zum Beispiel die USA dienen. Dort bewerte man das Scheitern auch positiv – denn zumindest hat man etwas versucht. Frey nennt auch ein Beispiel aus der Unternehmenskultur. So hätten einige Firmen mittlerweile die Philosophie: Aus jedem Fehler müssen ein oder mehrere Verbesserungsvorschläge entstehen. Das könne man auch auf einen selbst übertragen: Mit jedem Fehler versuche ich, es das nächstes Mal besser zu machen.