Brennstoffkammer für das Plasma
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Energie

Durchbruch bei Kernfusion

Was Medien schon in den vergangenen Tagen berichtet haben, ist nun vom US-Energieministerium bestätigt worden: Fachleuten ist ein großer Durchbruch bei der Kernfusion gelungen. Erstmals haben sie dabei mehr Energie erzeugt als investiert. Damit rückt eine Ära grüner Energie näher – noch gibt es aber viele Hürden.

Die Ergebnisse wurden von einem Team der National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien erzielt. US-Energieministerin Jennifer Granholm sprach am Dienstag bei der Bekanntgabe in Washington von „einer der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts. Und jeder, der an diesem Durchbruch in der Kernfusion beteiligt war, wird in die Geschichtsbücher eingehen“, so die Ministerin. Das Experiment war der US-Regierung zufolge am 5. Dezember gelungen.

Fachleute sprechen unisono von einem Durchbruch. „Das beweist, dass das lange verfolgte Ziel, der ‚Heilige Gral‘ der Kernfusion, tatsächlich erreicht werden kann“, erklärte der Physiker Jeremy Chittenden vom Imperial College London. Gleichzeitig verwiesen Kolleginnen und Kollegen darauf, dass die kommerzielle Nutzung der Technologie damit zwar näher rückt, aber noch immer in weiter Ferne liegt.

Energie der Sterne

Worum geht es? Bei der Kernfusion werden kleine Atomkerne miteinander verschmolzen – fusioniert -, dabei wird Energie frei. „Kernfusion ist die Mutter aller Energie im Universum“, sagte der Physiker Markus Roth von der TU Darmstadt. „So funktioniert jeder Stern.“

Das Prinzip ist leicht erklärt: In Sternen wie unserer Sonne wird bei großer Hitze und unter ungeheurem Druck Wasserstoff zu Helium fusioniert. Die dabei frei werdende Energie versorgt etwa die Erde mit Licht und Wärme.

In irdischen Fusionsreaktoren werden die Kerne der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium zu Heliumkernen verschmolzen. Deuterium und Tritium werden auch schwerer und überschwerer Wasserstoff genannt. Denn während gewöhnliche Kerne von Wasserstoffatomen nur ein Proton enthalten, hat Deuterium zusätzlich noch ein Neutron, Tritium sogar zwei Neutronen.

Extrem hohe Temperaturen nötig

Normalerweise verhindert die Abstoßung gleichnamiger Ladungen – hier der positiv geladenen Protonen – die Vereinigung zu einem gemeinsamen Atomkern. Erst extrem hohe Temperaturen geben den Kernteilchen so viel Energie, dass sie beim Zusammenprall die Abstoßungsbarriere überwinden und fusionieren. Bei dieser Fusion entstehen freie hochenergetische Neutronen. Deren Energie würde bei einem Fusionskraftwerk Wasser erhitzen, der Wasserdampf eine Turbine antreiben – wie bei anderen Kraftwerken auch.

Das Team in Kalifornien nutzte für seine Experimente die weltstärkste Laseranlage, um winzige Mengen von Deuterium und Tritium in Millionen Grad heißes Plasma zu wandeln. Dabei erhitzen knapp 200 Laser das Innere eines wenige Millimeter großen Behälters.

Servicearbeiten im Inneren der LLNL-Anlage
APA/AFP/Lawrence Livermore National
Servicearbeiten im Inneren der LLNL-Anlage

Gesamtbilanz noch lange nicht positiv

Bei dem Experiment wurde – wie in der Forschung üblich – nur die Energiebilanz des Plasmas selbst angegeben. Dabei wird nicht berücksichtigt, wie viel Strom zum Beispiel in die Laser geflossen ist, also die Gesamtbilanz. Für eine künftige Stromerzeugung ist entscheidend, dass die Gesamtbilanz der Fusion positiv ist – was sie weiterhin bisher noch längst nicht ist.

Beim NIF-Experiment hatten die knapp 200 Laser eine kleine Brennstoffkammer, die winzige Mengen Wasserstoff enthielt, auf mehr als drei Millionen Grad erhitzt. LLNL-Direktorin Kim Budil zufolge benötigte die Anlage 300 Megajoule Energie, um zwei Megajoule Laserenergie zu liefern, die drei Megajoule Fusionsausbeute erzeugten.

Dass insgesamt erst einmal mehrere hundert Megajoule an Energie ins System gesteckt werden mussten, ist also der Haken an der Erfolgsmeldung. Zur Stromgewinnung müsse man mindestens das Doppelte der investierten Energiemenge erzeugen, erläuterte Tony Roulstone von der Universität Cambridge.

Noch ein langer Weg

Hinzu kommt: „Das Lawrence Livermore National Laboratory könnte diese Art Resultat prinzipiell etwa einmal pro Tag erzielen“, meinte der Physiker Justin Wark von der Universität Oxford. „Ein Fusionskraftwerk müsste das zehnmal pro Sekunde tun.“

Budil ist dennoch optimistisch. Berechnungen würden darauf hinweisen, dass es mit einem Lasersystem im größeren Maßstab möglich ist, eine Ausbeute von Hunderten Megajoule zu erzielen. „Es gibt also einen Weg zu einem Ziel, das genügend Ertrag bringt – aber davon sind wir im Moment noch sehr weit entfernt.“

Nun komme es auch darauf an, den Prozess zu verfeinern sowie einfacher zu machen, so Budil weiter. Vor allem an der Wiederholungsrate müsse gearbeitet werden, damit der Prozess um ein Vielfaches öfter als einmal am Tag durchgeführt werden könne. „Die Entzündung (des Plasmas, Anm.) ist ein erster Schritt, ein wirklich monumentaler Schritt.“ Er schaffe die Voraussetzungen für ein Jahrzehnt der Transformation.

Die LLNL-Anlage
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LLNL-Anlage

Optimismus in der Branche

Den Optimismus teilen Physikerkollegen. „Die grundlegende Wissenschaft ist jetzt ziemlich gut verstanden, und das sollte weitere Investitionen ankurbeln“, meinte Wark. Und das wiederum, so Mark Wenman vom Imperial College London, „bringt den Zeitpunkt näher, an dem wir ein Fusionskraftwerk ans Netz anschließen können“. Das würde eine Ära von grüner, sicherer und unerschöpflicher Energiegewinnung einleiten.

Auch der deutsche Physiker Markus Roth ist optimistisch. „Das Experiment trifft auf ein Forschungsfeld, das gewaltig in Bewegung ist“, sagte der Mitgründer des deutsch-amerikanischen Start-ups Focused Energy. Bis Ende des Jahrzehnts sei es möglich, zunächst mit einer Versuchsanlage zu zeigen, dass man die Fusionsreaktion zuverlässig zünden könne. Kommerzielle Kraftwerke, deren Leistung etwa der von Atomkraftwerken entspreche, seien bis Ende der 2030er Jahre denkbar.

Physiker Aigner: „Großer Tag für Kernfusionsforschung“

Der Physiker und Wissenschaftsjournalist Florian Aigner ordnet im Interview den Erfolg in der Kernfusion ein. Er gibt zudem eine Aussicht, wann und wie diese Technologie zur Energiegewinnung nutzbar gemacht werden kann.

Aktuell gibt es freilich noch keine Kraftwerke, aber sehr viel Forschung – etwa im Rahmen des internationalen Großprojekts ITER, das derzeit in Frankreich gebaut wird, im Joint European Torus (JET) in der Nähe von Oxford in Großbritannien – und am LLNL in Kalifornien.