Haselmaus ist Tier des Jahres 2023
APA/NATURSCHUTZBUND
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Natur 2023

Haselmaus, Aufgeblähte Lorchel und Co.

Naturschutzorganisationen und wissenschaftliche Gesellschaften haben für 2023 ausgewählte Vertreter der österreichischen Tier- und Pflanzenwelt zur Natur des Jahres gekürt. Ausgewählt wurden unter anderem die streng geschützte Haselmaus, der fleischfressende Verkannte Wasserschlauch, Braunkehlchen, Landkärtchen, die Aufgeblähte Lorchel und ein Gestein namens Apatit.

Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) wurde vom Naturschutzbund zum Tier des Jahres 2023 gewählt. Sie ist ein sandfarbener, nachtaktiver Nager mit knapp 15 Zentimeter Körperlänge, die Hälfte davon entfällt auf ihren dicht behaarten Schwanz. „Mit abgerundeten Ohren und großen, schwarzen Knopfaugen ist die Haselmaus eine putzige Erscheinung“, so der Naturschutzbund.

Trotz ihres Namens ist sie für Zoologen keine Maus, sondern ein „Schläfer“. Seit Oktober hält sie Winterschlaf in einem gut isolierten Kugelnest, wo sie zusammengerollt mit abgesenkter Körpertemperatur (vier statt 37 Grad Celsius) die kalte Jahreszeit verschlummert. Sie ist in der Dämmerung und Nacht aktiv und ernährt sich von Knospen, Blüten, Insekten, Beeren, Nüssen sowie Samen. Die Haselmaus ist streng geschützt und leidet am Schwund von wilden dichten Hecken, wo sie als „ortstreuer Einzelgänger und geschickter Kletterer“ lebt.

Verkannter Wasserschlauch
Stefan Lefnaer
Verkannter Wasserschlauch

Der Verkannte Wasserschlauch (Utricularia australis) und der Gewöhnliche Wasserschlauch (U. vulgaris) sind Pflanzen des Jahres, so der Verein zur Erforschung der Flora Österreichs und der Naturschutzbund. Entgegen ihren Namen wären sie „durchaus ungewöhnliche Pflanzen“ und nicht zu verkennen. Erstens haben sie keine Wurzeln, sondern schweben ohne Verankerung in den Gewässern (wie etwa Moorteichen), zweitens sind sie Fleischfresser, die sich an Wasserflöhen, Fadenwürmern und Schnecken laben. Dazu haben sie eine Fangblase mit Unterdruck und einer Klappe, sie sich innerhalb von zwei Millisekunden schließt. Für Pflanzen recht gewöhnlich sind hingegen die goldgelben Blüten der Wasserschläuche.

Lurche und Vögel

Ebenfalls in Moortümpeln und ohne Furcht vor dem Wasserschlauch lebt der Lurch des Jahres, nämlich der Kleine Wasserfrosch (Pelophylax lessonae). Er wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH) und der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) ernannt.

Die Experten beschreiben die grasgrünen Frösche mit braunen Rückendrüsenleisten als wanderfreudig und gleichermaßen tag- wie nachtaktiv. Sie verzehren Insekten, sind auf „kleine, besonnte, vegetationsreiche und nährstoffarme Moorgewässer angewiesen“ und in jedem österreichischen Bundesland sowie in ganz Europa zu entdecken – allerdings selten.

Braunkehlchen
APA/BIRDLIFE/JOHANNES HOHENEGGER
Braunkehlchen

Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) wurde von BirdLife Österreich zum Vogel des Jahres gekürt. Es besitzt eine namensgebende orange-braune Brust und Kehle, einen braun-schwarz gebänderten Rücken und einen weißen Überaugenstreif. Je nach Angebot frisst es Schmetterlinge, Schnecken, Heuschrecken, Raupen, Spinnen, kleine Schnecken und Beeren. Sein Lebensraum sind blütenreiche Wiesen und Brachen, es benötigt abwechslungsreiche Vegetation mit hohen Halmen und Büschen. Weil solche Naturräume genauso wie die Insektennahrung schwinden, „ist dieser Wiesenvogel im Sinkflug“, so BirdLife: Seit 1998 seien die Bestände um zwei Drittel geschrumpft.

Insekten und Fische

Insekt des Jahres 2023 ist das Landkärtchen. Dafür zeichnet ein wissenschaftliches Kuratorium von privaten Experten und Fachgesellschaften aus Österreich, Deutschland und der Schweiz verantwortlich. Die Schmetterlinge entwickeln sich je nach Jahreszeit mit unterschiedlichen Flügelzeichnungen.

„Während die Frühjahresgeneration schwarze Zeichnungselemente auf orangefarbenem Grund aufweist, ist die Sommergeneration überwiegend schwarz mit einem gebogenen weißen Band auf Vorder- und Hinterflügel“, so die Experten. Ausschlaggebend für das jeweilige Design ist die Tageslänge während der Raupenzeit. Den einprägsamen Namen bekam der „Edelfalter“ aufgrund der „recht bunten und von Linien durchzogenen Flügelunterseite, die an eine Landkarte erinnert“.

Zwei Huchen
Clemens Ratschan
Huchen

Bei einer öffentlichen Abstimmung wurde der Huchen (Hucho hucho), auch Donaulachs genannt, zum Wassertier des Jahres gewählt. Die offizielle Ernennung erfolgte durch den Österreichischen Fischereiverband (ÖFV). Der Huchen kann bis zu eineinhalb Meter lang und über 50 Kilogramm schwer werden, ist der einzige Lachsfisch, der ständig im Süßwasser lebt, und ernährt sich von Fischen, Amphibien und Entenkücken. Der Huchen ist vom Aussterben bedroht, weil sein Lebensraum durch Uferbefestigungen, Flussregulierungen und Stauketten der Wasserkraftwerke verändert und zerstückelt wurde. Schutzmaßnahmen wie Fischaufstiegshilfen und eine bessere Strukturierung der Gewässer sollen den Bestand retten.

Pilze und Spinnen

Die Aufgeblähte Lorchel (Gyromitra inflata) ist Pilz des Jahres 2023, erklärt die Österreichische Mykologische Gesellschaft. Sie wurde hierzulande nur in einem einzigen Gebiet in Niederösterreich, nämlich der Buckligen Welt, nachgewiesen. Die lappige Lorchel mit braunem, hirnartig gewundenem Hut wird rund zwanzig Zentimeter hoch und ist „vermutlich giftig“, so Pilzexperte Wolfgang Klofac: „Aufgrund seiner Seltenheit sollte er ohnedies auf jeden Fall geschont werden.“

Der Ammen-Dornfinger (Cheiracanthium punctorium) wurde von 84 Arachnologen (Spinnenkundlern) aus 27 Ländern Europas zur Spinne des Jahres gewählt. Er hat einen rötlich-braunen Vorder- und einen gelb-längsgestreiften Hinterleib, der Körper des Weibchens ist mit bis zu 15 Millimetern etwas größer als jener des Männchens (zwölf Millimeter). Selten können diese Tiere Menschen beißen, was etwa so schmerzhaft beschrieben wird wie ein Wespenstich.

Im Gegensatz zu den quer gestreiften Insekten sind die Spinnen nachtaktiv. Sie bauen keine Fangnetze, sondern lauern ihrer Beute auf, etwa Heuschrecken und Gottesanbeterinnen. Den Tag verbringen sie meist in kugeligen Ruhegespinsten.

Flechten, Moose und Salamander

Die Falsche Rentierflechte (Cladonia rangiformis) wurde von der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa zur Flechte des Jahres gekürt und das Geneigte Spiralzahnmoos (Tortella inclinata) zum Moos 2023. Erstere bildet bis zu zehn Zentimeter hohe, grün-weißliche Polster mit zig Zentimeter Durchmesser und kann gut auf kargen Böden gedeihen. Zweiteres bildet mehrere Quadratmeter große Rasen ebenfalls in kargen Gefilden, etwa Gletschervorfeldern, Schotterflächen an Fluss- und Seeufern und Kiesgruben.

Feuersalamander
APA/DANIEL ZUPANC/Schönbrunn
Feuersalamander

Höhlentier des Jahres 2023 ist der Feuersalamander (Salamandra salamandra). Er ist schwarz-gelb gefleckt, wird 20 Zentimeter lang und hat Hautdrüsen, die Gift produzieren. Dieses schützt ihn vor Fressfeinden. „Das ganze Jahr über kann er in Höhlen und Bergwerkstollen aufgefunden werden“, so der Verband Österreichischer Höhlenforscher (VÖH): „Hier kommt ihm die allgemein hohe Luftfeuchtigkeit zugute, die ihn vor dem Austrocknen schützt.“ Er frisst Insekten, Regenwürmer und Schnecken.

Fremdling und Fledermäuse

Zum Fremdling (Alien) des kommenden Jahres wurde der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) ernannt. Der Fluss-, Teich- und Seebewohner stammt aus Nordamerika und wurde in den 1960er Jahren massenhaft nach Österreich importiert und ausgesetzt, weil sich bei den heimischen Flusskrebsen Bestandslücken aufgetan hatten und es an Speisekrebsen mangelte.

Er verdrängt nicht nur die restlichen europäischen Krebse nach und nach, sondern brachte auch die Krebspest aus der Neuen Welt mit. Das ist eine Pilzinfektion, gegen die europäische Krebse kaum Abwehrmechanismen besitzen. So wie die Menschen sich manchmal von Signalkrebsen ernähren, labt er sich wiederum an Pflanzen, Kleintieren und toten Fischen.

Signalkrebs
Robert A. Patzner
Signalkrebs

Sowohl das Braune Langohr (Plecotus auritus) als Fledermaus des Jahres als auch die Posthornschnecke (Planorbarius corneus) als Weichtier des Jahres nehmen ihre Titel vom Vorjahr mit. Die Langohren mit ihren namensgebenden, fast körperlangen Hörorganen kürte die Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ) unter anderem, um für das Stehenlassen von alten, höhlenreichen Bäumen zu werben, wo die Tiere ihre Sommerquartiere besitzen und (nebst Ruinen und Kellern) oft auch im Winter abhängen.

Die Posthornschnecke besitzt als einzige europäische Wasserschnecke den Blutfarbstoff Hämoglobin, um in sauerstoffarmen Gewässern ohne Luftatmung zu überleben. Sie wurde von der Malakologischen Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur in Salzburg auserkoren.

Obst und Nutztiere

Eine Pfirsichsorte namens Eiserner Kanzler wurde von der „ARGE Streuobst“ zur Streuobstsorte des Jahres ernannt. Ihr robustes Bäumchen wird meist als Wandspalier gepflanzt und bildet bis August gelblichweiß-rote Früchte mit „wollartiger Behaarung der Fruchthaut“. Das Sulmtaler Huhn und das Tiroler Grauvieh hat wiederum die Arche Austria zu den Nutztierarten 2023 erklärt. Das Huhn habe „in der kaiserlich-königlichen Monarchie als krönender Festtagsbraten für Fürsten und am Kaiserhof“ herhalten müssen, die silber- bis eisengrau gefärbten Rinder wären wiederum gut melkbar und hätten neben einer ausgezeichneten Fruchtbarkeit auch eine hohe Lebenserwartung, so die landwirtschaftlichen Experten.

Tiroler Grauvieh
Tiroler Grauviehzuchtverband
Tiroler Grauvieh

Ca5 [(F,Cl,OH)|(PO4)3] vulgo Apatit heißt man 2023 „Mineral des Jahres“. Er komme in „Waldviertler Graniten wie den alpinen Klüften Tirols, in Linzer Sanden, steirischen Marmoren“ vor, wäre sogar in Meteoriten zu finden, und zeigt große Farbenvielfalt, so die österreichische Arbeitsgemeinschaft Mineral. Auch menschliche Knochen und Zähne enthalten ihn als Hartsubstanz.