Franz Essl beim ORF-Interview
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UNO-Artenschutzkonferenz

Experte Essl sieht „Glas schon mehr als halb voll“

Die Einigung bei der UNO-Artenschutzkonferenz am Montag im kanadischen Montreal bewertet der Ökologe Franz Essl von der Universität Wien vorsichtig positiv: "Das Glas ist schon mehr als halb voll, aber sicher nicht voll.“

Wie bei allen derartigen Einigungen bleiben jedoch viele Fragen zur tatsächlichen Umsetzung der Zugeständnisse in den einzelnen Ländern, so Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien zur APA.

Biodiversitätsstrategie „nicht streichelweich umsetzen“

In Österreich gehe es hier vor allem um die Umsetzung der kürzlich vorgelegten Biodiversitätsstrategie. Diese firmiert unter dem Namen „Biodiversitätsstrategie Österreich 2030+“. Drei Hauptziele bis 2030 sind darin formuliert: Bis dahin soll ein Drittel der Landesfläche unter Schutz stehen, ebenso soll ein Drittel der Arten auf der „Roten Liste“ nicht mehr gefährdet und überdies 35 Prozent der Landwirtschaft auf bio umgestellt sein. Einen „streichelweichen Umsetzungsplan“ dazu könne man sich nun auch angesichts der Ergebnisse der Weltnaturkonferenz (COP15) nicht leisten, so der im Österreichischen Biodiversitätsrat aktive Wissenschaftler.

Wissenschaft in Grundzügen gefolgt

Die Einigung von Montreal hat Essl zusammen mit seinem Kollegen Piero Visconti vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien, der an der COP15 teilgenommen hatte, „in Eckpunkten“ diskutiert. Das Papier der chinesischen Konferenzleitung folge zumindest in den Grundzügen den Vorschlägen der Wissenschaft. Im Zentrum davon stand vor allem die Idee, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen, die Raumplanung zu verbessern und einen eigenen Finanzierungstopf einzurichten, der den Ländern des Globalen Südens finanzielle Unterstützung beim Arten- und Naturschutz durch die Industrieländer in Aussicht stellt.

Gerade in Ländern mit wenigen finanziellen Mitteln konzentriere sich ein großer Teil der Biodiversität. Hier brauche es daher einen gewissen Ausgleich, so der Forscher, der hier eine „klare Verantwortung des Nordens“ sieht. Ärmere Länder sollen laut den Plänen bis 2025 rund 20 Milliarden Dollar jährlich erhalten. Das sei zwar positiv, aber trotzdem „sehr deutlich“ unter der Forderung der betroffenen Empfängerstaaten.

Pariser Klimaziele als schlechtes Vorbild

Dass sich nun in dem Papier doch einige Kannbestimmungen statt verpflichtenden Zielen finden, sei etwas enttäuschend. Alles steht und fällt jedoch damit, wie in den rund 200 Teilnehmerstaaten der Konferenz jetzt die verschiedenen Zugeständnisse in reale Umweltpolitik umgewandelt werden. Dass es hier erheblich hapern kann, zeigte sich in den vergangenen Jahren bei der Umsetzung der Pariser Klimaziele. Die Beiträge der Staatengemeinschaft dazu hinken weiter deutlich hinter den Zielen hinterher.

Für Österreich heiße es, im „Naturschutzdauerlauf“ nun endlich richtig zu starten und „loszulaufen“. Es müsse klar werden, woher die Mittel dafür kommen und welche Rahmenbedingungen der Bund und die Länder setzen: „Es braucht eine gemeinsame Umsetzung der (in der Biodiversitätsstrategie, Anm.) vorliegenden Ziele, klare Deadlines und klare Beiträge. Sonst schaffen wir es nicht“, sagte Essl.