Das Ausflugsgebiet Hintersee im Talschluss des Felbertals, Nationalpark
APA/BARBARA GINDL
APA/BARBARA GINDL
Österreich

Schutzgebiete zu wenig geschützt

30 Prozent der Erdoberfläche unter Schutz stellen: Darauf hat sich die Staatengemeinschaft bei der Weltnaturschutzkonferenz in Montreal geeinigt. Laut der kürzlich veröffentlichten Biodiversitätsstrategie hat Österreich bereits 29 Prozent der Fläche naturschutzrechtlich geschützt – große Teile davon aber unzureichend.

Nationalparks, Biosphärenparks, Natura 2000 Gebiete, Wildnis- und Landschaftsschutzgebiete: Die Palette an Schutzgebieten in Österreich ist vielfältig. Während manche Schutzgebietstypen streng geschützt sind, sei in anderen relativ viel möglich, erklärt Gregor Schamschula, Jurist bei Ökobüro, Allianz der Umweltbewegung. „Wirklich streng geschützt sind sicher nicht 29 Prozent von Österreich, sondern nur ein Bruchteil davon.“

Schutz ist nicht gleich Schutz

Die europäische Biodiversitätsstrategie sieht vor, dass ein Drittel der Schutzgebiete der EU unter sehr strengen Schutz zu stellen wäre. „Hier hat Österreich Aufholbedarf“, sagt der Ökologe Johannes Rüdisser von der Universität Innsbruck. Derzeit sind nur drei Prozent der Fläche in Form von Nationalparks und Wildnisgebieten streng geschützt.

Man sollte bestehende Gebiete analysieren und, wenn möglich, erweitern, schlägt der Wissenschaftler vor. „Bestehende Schutzgebiete haben oft das Potenzial flächenmäßig erweitert zu werden, was natürlich auch ökologisch Sinn macht, wenn es größere zusammenhängende Flächen sind.“

Fehlende Ausweisungen

Österreichs Europaschutzgebiete, die Natura 2000 Gebiete, sind nach Ansicht der EU-Kommission nicht ausreichend geschützt, weshalb sie diesen Herbst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eröffnet hat.

Rund 280 Natura 2000 Gebiete gebe es in Österreich, berichtet der Umweltjurist Schamschula. Sie benötigen Managementpläne, die ausweisen, welche Tier- und Pflanzenarten geschützt sind und wie man sie erhalten kann. Wird nicht definiert, was als Schutzgut gilt, können die Folgen von Bauprojekten auf die Schutzgüter, wie Wasserkraftwerke beispielsweise, bei einer Prüfung nicht berücksichtigt werden. „Das heißt, selbst wenn beispielsweise ein Fischotter dort vorkommt, der aber, obwohl er hätte ausgewiesen werden müssen, nicht ausgewiesen ist, dann sind Auswirkungen auf diesen Fischotter nicht zu prüfen.“

Ohne definierte Schutzgüter sei der Schutz nicht ausreichend gegeben, sagt Schamschula. Die EU kritisiert auch, dass jene Managementpläne, die es gibt, nicht ausreichend öffentlich gemacht wurden.

Nachbessern, ausweiten, vernetzen

Österreichs bestehende Schutzgebiete seien nicht das Ergebnis einer strategischen Naturschutz-Planung, sondern die Folge einzelner politischer Prozesse und historischer Zufälle, sagt der Biodiversitätsforscher Johannes Rüdisser. „Das hat umgekehrt zur Folge, dass es in Bezug auf wertvolle Lebensräume in Österreich nach wie vor große Lücken gibt.“ Schutzgebiete im Alpenraum würden beispielsweise nur Gebirgslebensräume umfassen. Doch auch in den intensiv genutzten Tallagen finde man sehr artenreiche Lebensräume, die noch in Resten vorhanden und schützenswert wären.

Zudem müssten Schutzgebiete besser miteinander verbunden werden. „Wir nennen das Trittstein-Biotope, eine Vernetzung, die den Austausch der dort lebenden Pflanzen und Tiere ermöglicht.“ Ein Austausch, der ebenfalls strategische Planung benötige, die über Bundesländer-Grenzen hinaus geht.

Länderkompetenz

Auch was die Nachbesserung der Natura 2000 Gebiete betrifft, seien die Bundesländer gefordert, sagt der Jurist Gregor Schamschula. Es sei Ländersache, hier wieder Rechtssicherheit herzustellen „Für laufende Verfahren ist es ganz wichtig, dass das schnell passiert, dass da schnell die Kataloge überarbeitet werden, weil man sonst eventuell die ganze Prüfung nachmachen muss und vielleicht auch zu einem anderen Ergebnis kommt.“

Ähnliches gilt auch für die kürzlich präsentierte “Biodiversitätsstrategie Österreich 2030+“. Auch sie muss von den Ländern umgesetzt werden. Weshalb der österreichische Biodiversitätsrat fordert, dass das Dokument zumindest vom Ministerrat beschlossen wird.

Klima- und Artenschutz

Ziel müsse eine grüne Infrastruktur sein, sagt Johannes Rüdisser. Ein Netzwerk aus Schutzgebieten, biodiversitätsfreundlichen Landwirtschaftsbereichen und begrünten Stadtdächern. Ein solches würde nicht nur Austauschmöglichkeiten für Tiere und Pflanzen, sondern auch Ökosystemdienstleitungen absichern, wie die Bestäubung in der Landwirtschaft oder Grünstreifen, die als Kaltluftschneisen fungieren.

„Klimakrise und Biodiversität sind zwei Seiten einer Medaille“, betont Gregor Schamschula. Der Ausbau Erneuerbarer müsse daher unter einem ordentlichen und kohärenten Biodiversitätsschutz passieren. Nur intakte Ökosysteme könnten CO2 speichern. Kaputte Ökosysteme würden hingegen CO2 emittieren.