Baby, Säugling, Kind
olenachukhil – stock.adobe.com
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Neurologie

Warum Babys ständig zappeln

Wenn Babys mit den Beinen strampeln und den Armen fuchteln, trainieren sie ihre Sensomotorik: das Zusammenspiel von Sinnesorganen und Bewegungen. Ein Forschungsteam hat die scheinbar unkoordinierten Bewegungen nun untersucht und festgestellt, dass die Entwicklung dieser Fähigkeiten viel mit Neugier und Freude am Entdecken zu tun hat.

Wenn sie nicht gerade schlafen, halten Babys kaum still: Schon vor der Geburt bewegen sie sich im Mutterleib, danach strampeln sie mit den Beinchen, rudern mit den Ärmchen und wackeln dabei mit dem ganzen Körper. Laut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern spielen diese spontanen Bewegungen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Sensomotorik. Die Wahrnehmung eines Reizes, beispielsweise mit den Augen oder den Ohren, und die dadurch ausgelöste Bewegung wie Greifen oder Gehen stehen nämlich in direktem Zusammenhang.

Indem sie zappeln, strampeln und fuchteln trainieren bereits Neugeborene diese Fähigkeit. Um die scheinbar zufälligen Bewegungen und ihre Bedeutung für die frühe menschliche Entwicklung besser zu verstehen, führte ein Forschungsteam der Universität Tokio eine Studie durch, die nun im Fachjournal „PNAS“ erschienen ist(sobald online).

Zusammenspiel zwischen Muskeln und Sinnesorganen

Im Rahmen dieser Studie wurden zwölf nur wenige Tage alte Neugeborene und zehn etwa drei Monate alte Babys beobachtet. Mittels Motion-Capture-Technologie konnten ihre Bewegungen detailliert erfasst und aufgezeichnet werden. Diese Aufnahmen wurden dann mit einem zuvor angefertigten Computermodell des Bewegungsapparats von Babys kombiniert. Die Forscherinnen und Forscher analysierten so das Zusammenspiel zwischen den Muskeln und den Sinnesorganen im gesamten Körper.

Studie zu Sensomotorik von Babys
2022 Kanazawa et al.
Für die Studie wurden die Bewegungen der Babys aufgezeichnet

Dabei entdeckten sie Muster, die sich auf der Grundlage des scheinbar zufälligen Bewegungsverhalten der Babys entwickelt hatten. Die Studienergebnisse zeigen eine Verbindung zwischen den spontanen Bewegungen der Babys und der Aktivität von Nervenzellen im Nervensystem, so Studienautor Hoshinori Kanazawa. Die Muster seien bei den drei Monate alten Babys bereits stärker ausgeprägt gewesen als bei den Neugeborenen. Bei den Älteren zeigten sich auch schon häufiger aufeinanderfolgende Bewegungsabläufe. Nach und nach werde so die Fähigkeit entwickelt, koordinierte Bewegungen durchzuführen.

Umherschweifen ohne Sinn und Zweck

„Bisher wurde angenommen, dass die Entwicklung des sensomotorischen Systems von wiederholten Interaktionen zwischen Motorik und Sinnesorganen abhängt: Je öfter ein und dieselbe Bewegung ausgeführt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sie lernt und sich an sie erinnert“, so Kanazawa. Die Ergebnisse der Studie deuten aber darauf hin, dass Babys ihr eigenes sensomotorisches System auf der Grundlage von Erkundungsverhalten und Neugier entwickeln.

„Sensomotorisches Umherschweifen“ nennen die Forscherinnen und Forscher das. Durch diese Bewegungen ohne erkennbaren Zweck entwickeln sich die notwendigen Fähigkeiten für das spätere Zusammenspiel zwischen dem Eingang eines Reizes – Sensorik – und der Antwort auf den Reiz in Form von Bewegung – Motorik. Die Studie zeige, dass „spontane Bewegungen, die scheinbar keine bestimmte Aufgabe haben, zur koordinierten sensomotorischen Entwicklung beitragen“.

Für Diagnostik von Entwicklungsstörungen hilfreich

Derzeit gebe es nur wenige Erkenntnisse darüber, wie Neugeborene lernen, ihren Körper zu bewegen, heißt es in der Studie. „Bisherige Forschung zur sensomotorischen Entwicklung beschäftigte sich mit Eigenschaften, die nur die Bewegung betreffen, beispielsweise Muskelaktivitäten, die Bewegungen in einem Gelenk verursachen“, so Kanazawa. Die aktuelle Studie konzentriere sich hingegen auf die Muskelaktivität im Zusammenspiel mit sensorischen Reizen.

Als Nächstes möchte Kanazawa untersuchen, wie sich das „sensomotorische Umherschweifen“ auf die spätere Entwicklung auswirkt, etwa auf das Gehen und Greifen, sowie auf komplexere Verhaltensweisen und höhere kognitive Funktionen, wie Lernen, Denken und Verstehen. Ein besseres Verständnis über die zugrundeliegenden Mechanismen der frühen motorischen Entwicklung könnte laut dem Wissenschaftler außerdem dazu beitragen, Entwicklungsstörungen wie zerebrale Kinderlähmung früher zu diagnostizieren.