Gesundes Essen auf einer Tischplatte
Matl/ORF
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Wie Fasten die „Müllabfuhr“ der Zellen ankurbelt

Nach den Feiertagsmenüs ist bei vielen nun wieder kulinarischer Alltag oder Diät angesagt. Kalorienreduktion und Fasten haben eine Reihe positiver Auswirkungen auf die Gesundheit. Wie wichtig dabei die „Müllabfuhr“ unserer Zellen ist, beschreiben die beiden Fachleute Sascha Martens und Alexandra Schebesta in einem Gastbeitrag.

In unserem Körper kommt es laufend zur Erneuerung verschiedenster Zellen. So etwa entstehen Tag für Tag mehrere Milliarden neuer Blutzellen im Knochenmark, um alte und abgestorbene Zellen zu ersetzen. Auch Verletzungen müssen permanent repariert und Gewebe funktionsfähig erhalten werden. Doch es werden nicht nur neue Zellen gebildet, auch in den Zellen selbst werden ältere und nicht mehr brauchbare Bestandteile laufend entsorgt und erneuert.

Porträtfotos von Alexandra Schebesta und Sascha Martens
Open Science / Max Perutz Labs

Über Autor und Autorin:

Sascha Martens ist Professor an der Universität Wien und leitet eine Arbeitsgruppe an den Max Perutz Labs, die auf dem Gebiet der Autophagie forscht. Alexandra Schebesta ist promovierte Genetikerin und war lange Zeit auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung und Immunologie tätig. Sie betreut heute bei Open Science Projekte im Bereich der Wissenschaftskommunikation.

Dieser Prozess ist mit einem japanischen Tempel vergleichbar: Ein solcher kann oft mehrere hundert Jahre alt sein und wie neu aussehen, obwohl er aus einem Großteil aus Holz besteht. Wirklich alt ist an einem Tempel bei genauerem Betrachten jedoch nichts, denn sobald ein Teil kaputt geht, wird er ausgetauscht. Genauso funktioniert das in unseren Zellen: In ihnen kommt es mit der Zeit zu mikroskopisch kleinen Schäden, die so schnell wie möglich behoben werden.

Autophagie: Grundlage für gesunden Körper

Für den Abbauprozess in unseren Zellen ist eine als Autophagie bekannte, komplexe Maschinerie zuständig, die permanent Defekte beseitigt. Das erklärt, warum die meisten Strukturen in unserem Körper nicht älter als ein paar Monate sind. Bleiben Schäden in Zellen länger bestehen, kann dies fatale Auswirkungen haben: Winzige chemische Veränderungen können die Funktion von Enzymen beeinträchtigen oder Strukturelemente sowie ganze Organellen – etwa die als „Kraftwerke der Zelle“ bekannten Mitochondrien – angreifen. Die Anhäufung defekter Zellbestandteile kann Krankheiten wie beispielsweise Parkinson oder Alzheimer auslösen, das Absterben von Zellen bewirken oder diese sogar zu einem Tumor mutieren lassen.

Molekulare „Mistsackerl“

Die Autophagie wird aktuell intensiv erforscht, und die meisten Bestandteile dieser biologischen Maschinerie sind inzwischen bekannt. Man weiß heute, dass in der Zelle um die Abfallprodukte herum eine Art „molekulares Mistsackerl“ aus Membranen entsteht – ein sogenanntes Autophagosom, welches man sich wie einen winzigen Container vorstellen kann.

Signalmoleküle an der Oberfläche lassen dieses dann mit anderen Membranblasen in der Zelle verschmelzen, die aggressive Chemikalien enthalten. So entstehen größere “Mistsackerln“, deren Inhalte abgebaut und in Einzelbausteine zerlegt werden. Diese können dann recycelt werden und stehen der Zelle zum Aufbau neuer Strukturen zur Verfügung. Durch diesen Prozess können Proteine, Organellen und sogar Krankheitserreger, die in die Zelle eingedrungen sind, entsorgt werden.

Die Autophagie ist bei weitem noch nicht vollständig verstanden, und auch in Wien wird an der Erforschung dieses Vorgangs gearbeitet – etwa an den Max Perutz Labs und im Rahmen eines Spezialforschungsprogramms.

Übergewichtiger Bub steht auf der Waage
New Africa – stock.adobe.com

Ankurbeln der Autophagie durch Fasten

Entdeckt wurde der Prozess der Autophagie bereits in den 1960er-Jahren: In den Zellen von Nagetieren, die für längere Zeit hungerten, wurden merkwürdige Membranbläschen nachgewiesen, in denen Zellbestandteile verdaut wurden. Interessanterweise ist die Autophagie bei längeren Hungerperioden besonders aktiv. Später fand man heraus, dass dieser Abbaumechanismus von der Hefe bis zum Menschen vorkommt.

Der japanische Zellforscher Yoshinori Ohsumi machte sich das zunutze und identifizierte Gene, die für die diesen Prozess wichtig sind. In den folgenden Jahren konnte dieses Wissen genutzt werden, um den Beitrag der Autophagie zur Zellgesundheit zu erforschen. Für seine Arbeit rund um die Autophagie erhielt Ohsumi im Jahr 2016 den Nobelpreis für Medizin.

Nahrungsentzug: Gut für die Gesundheit

Ohsumis Arbeit könnte eine Erklärung für die heilende Wirkung von Fasten liefern, über die immer wieder diskutiert wird. Allerdings ist hier noch intensive Forschung nötig, um dies definitiv zu beweisen. Dass es einen Zusammenhang von Fasten und Autophagie gibt, ist aber mittlerweile anerkannt: Nahrungsentzug schaltet einen Kontrollschalter in unseren Zellen aus, was daraufhin die zelluläre Müllabfuhr in Organen und Geweben ankurbelt, um so die Funktion der Zellen aufrecht zu erhalten und ihr Überleben zu sichern.

Dabei werden insbesondere auch defekte Bestandteile abgebaut. Tierstudien zeigten, dass dauerhafter Kalorienentzug die Lebenserwartung deutlich steigert. Zumindest ein Teil dieser verlängerten Lebensspanne konnte auf die Autophagie zurückgeführt werden. Allerdings ist die dauerhafte Einschränkung der Nahrungsaufnahme nicht nur schwer durchzuhalten, sondern kann auch das Wohlbefinden negativ beeinflussen – und länger falsch angewendet zu Mangelerscheinungen führen.

Intervallfasten: Der goldene Mittelweg?

Mit dem Intervallfasten wird versucht, die positiven Effekte des Kalorienentzugs mit einer länger durchzuhaltenden Verhaltensweise zu verbinden. Bei dieser auch als periodisches Fasten bekannten Ernährungsform wird nicht mehr tagelang gehungert. Stattdessen erfolgt eine komplette Nahrungsmittelabstinenz oder starke Reduktion der Kalorienzufuhr nur für eine gewisse Zeit, die darauffolgenden Stunden oder Tage darf ganz normal gegessen werden. Dann folgt wieder eine Fastenperiode.

Dabei werden üblicherweise folgende Rhythmen eingehalten: tägliches Fasten für 16 Stunden, 24-stündiges Fasten jeden zweiten Tag oder zwei Fastentage pro Woche an nicht aufeinanderfolgenden Tagen. Während der Fastenperiode wird die Nahrungsmittelzufuhr auf null bis 25 Prozent des Kalorienbedarfs reduziert. Intervallfasten wird vorrangig nicht nur zur Gewichtsreduktion angewandt, sondern vor allem, um die Zellerneuerung anzukurbeln. In einigen Studien (etwa hier und hier) lieferte das Intervallfasten vielversprechende Resultate und konnte den körperlichen Allgemeinzustand verbessern.

Fazit

Fasten hilft nicht nur dabei, überflüssige Kilos wieder loszuwerden, es hat auch positive Effekte auf den Recyclingprozess in unseren Zellen. Vor allem Intervallfasten kann vermutlich verschiedenen Krankheiten vorbeugen und dem Alterungsprozess entgegenwirken.