Szenenausschnitt aus dem Spielfilm „Single Bells“
ORF, Milenko Badzic
ORF, Milenko Badzic
Tipps

Ohne Stress durch Weihnachten

Streit um Menü und Christbaum, keppelnde Erwachsene und untermotivierte Kinder: Szenen wie im Spielfilm „Single Bells“ – alljährlich im ORF-TV ausgestrahlt – spielen sich zu Weihnachten in vielen Haushalten ab. Ein „Weihnachtssoziologe“ gibt Tipps, wie man das Fest möglichst stressfrei übersteht.

„Weihnachten verführt regelrecht zum Streit“, sagt Marcel Schütz von der Northern Business School in Hamburg. Das Jahr ist fast zu Ende, die Erwartungen haben sich aufgestaut: „Das heißt auch, dass manches unausgesprochen blieb. Wenn man dann mit einigen Leuten in einem vielleicht engen Raum verbringt, kann das belasten – und irgendwann einmal platzen“, so der Experte gegenüber SWR2.

Schütz forscht über die Gesellschaft und ihre Formen der Organisation. Er arbeitet derzeit auch an einem soziologischen Buch zum Weihnachtsfest, das 2023 erscheinen soll („Kleine Weihnachtssoziologie“). Sein Augenmerk gilt den Beziehungen und Interaktionen rund um die Festtage. „Eigentlich ist da alles schön und gut geplant. Aber die Tücke ist: Je präziser man Weihnachten gestalten will, desto stärker ist das Risiko, dass man damit alle überfordert.“

Achtsamkeit auf individuelle Bedürfnisse

Der Experte rät deshalb zur Verringerung des Erwartungs- und Zeitdrucks. Das beginne schon beim Zusammenkommen selbst – gleich ob von Familienmitgliedern oder von anderen Personen, mit denen man sich (gerne) umgibt. Bei gemeinsamen Feiern würden viele erst knapp vor Weihnachten an den Ort des Geschehens kommen – oft wohnen sie woanders und haben viele Kilometer mit Bahn oder Auto hinter sich. Sie gleich mit einem obligatorischen Vollprogramm zu konfrontieren, erhöhe das Stresslevel.

Weniger Programm sei deshalb besser – ebenso wie Achtsamkeit auf individuelle Bedürfnisse. "Man kann ein derart traditionsgetränktes Fest nicht für jeden Lebensstil und Geschmack genau passend aufziehen. Der eine hängt an der Weihnachtsmusik, der andere am Christbaum. Die Kinder wollen Geschenke. Dem nächsten bedeutet all das nicht ganz so viel, dafür die freien Tage, die Gespräche und das Essen“, so Weihnachtssoziologe Schütz in einer Aussendung.

Single Bells

Es weihnachtet. Ihr Kinderlein kommet … Kathi (Martina Gedeck) kann aufkeimende Sehnsüchte nach eigenem Familienglück nicht mehr beherrschen. Jonas (Gregor Bloéb) ist geschockt, man scheidet im Zorn. Im romantisch verschneiten Landhaus der Schwester entpuppen sich Idyllen als schlechte Inszenierungen. Unterm Lichterbaum tumultet es.

Sinnvoll sei daher Abwechslung – eine Mischung aus individuellen und gemeinsamen Beschäftigungen. Gemeinsam könne man etwa ein paar Basisrituale wie Weihnachtsessen, Spaziergang oder Gesellschaftsspiele praktizieren. Danach „verzieht sich ein Teil zum Plausch, der andere Teil schaut einen Film. Wieder andere wollen mal joggen, um den Kopf von all dem Kerzenduft und der Weihnachts-CD freizukriegen."

Heikles erst ab 27. Dezember besprechen

Auch bei den Gesprächsthemen sollte Achtsamkeit oberstes Gebot sein. „Es ist nicht sehr klug, an den drei Weihnachtstagen die ganz schwierigen Dinge auf den Tisch zu legen“, rät Schütz. Da Familien häufig nur zu Anlässen wie Weihnachten in dieser Konstellation zusammenfinden, gäbe es den ein oder anderen Punkt, den man mit einzelnen Mitgliedern besprechen möchte. „Hier muss man schauen, ob der Moment passt. Bei grundsätzlichen und politischen Themen können naturgemäß die alters- und lebensspezifisch unterschiedlichen Standpunkte hervortreten.“

Wenn man merkt, dass ein Thema Irritation und Ärger auslöst, solle man es lieber umgehen bzw. „konstruktiv abmoderieren“. Falls es persönliche Dinge vor Jahresende zu besprechen gibt, solle man dies erst ab 27. Dezember tun, rät der Weihnachtssoziologe. Und zwar auch nicht vor gesammelter Familie, sondern man könne „einander kurz zur Seite nehmen und Dinge persönlich klären“.

Generell sei es gut zu wissen, was einem oder einer die Festtage bedeuten – und sich „ein paar schöne, entspannte Momente zu gönnen, an die man sich noch lange erinnert. Man kann mit lauter Geschenken nicht so glücklich machen wie mit der Zeit, die man miteinander verbringt. Denn die wird man nicht immer haben."