IHS-Studie

Desinteresse und Wissenschaftsskepsis nicht gleichzusetzen

Erste Ergebnisse einer vom Bildungsministerium beauftragten Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) zu Ursachen von Wissenschafts- und Demokratieskepsis legen nahe, dass das Desinteresse an Wissenschaft in Österreich ausgeprägter sein könnte als die Skepsis. Desinteresse dürfe nicht mit Skepsis gleichgesetzt werden, das Vertrauen in Wissenschaft sei im Zeitverlauf relativ hoch und konstant, so Studienleiter Johannes Starkbaum.

Seit Jahrzehnten zeigen Menschen in Österreich in verschiedenen Umfragen ein geringes Interesse an Wissenschaft, verbunden mit einer ausgeprägten Wissenschaftsskepsis. Einmal mehr belegten dies die Ergebnisse der 2021 veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass Wissenschaftsskepsis oft auch mit Demokratiefeindlichkeit einhergeht, hat Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) im Vorjahr das IHS mit einer Studie zur Erforschung der Ursachen beauftragt. „Wir wollen damit die Ursachen herausfinden, warum Österreich hier so weit abgerutscht ist, und herausfinden, ob die bisher gesetzten Maßnahmen nicht greifen“, sagte Polaschek am Dienstag bei der Präsentation der ersten Ergebnisse.

Bisher hat das IHS-Team gemeinsam mit ihren Kollegen und Kolleginnen von der dänischen Universität Aarhus u.a. die vorhandene Literatur und quantitative Datensätze verschiedener Studien zum Thema analysiert. Dazu zählen die Eurobarometer-Studie ebenso wie Erhebungen des Austrian Corona Panel Project oder der Wellcome Global Monitor. Polaschek betonte, dass diese ersten Ergebnisse noch mit Vorsicht interpretiert werden sollten, es würden sich aber erste Tendenzen abzeichnen.

Mehr Vertrauen als in Staat

„Wir sehen in unseren Daten, dass vor allem das Desinteresse an Wissenschaft in Österreich ausgeprägter ist als systematische Skepsis über mehrere Bereiche der Wissenschaft und mangelndes Vertrauen in Wissenschaft“, so Starkbaum. Als Beleg dafür nannte er Österreich-Daten aus dem Wellcome Global Monitor. Demnach sagen deutlich über 80 Prozent der Befragten, die an Wissenschaft desinteressiert sind, dass sie Wissenschaft sehr oder zumindest etwas vertrauen.

In der Eurobarometer-Studie würden zwar relativ viele Menschen in Österreich wissenschaftsskeptischen bzw. verschwörungstheoretischen Aussagen zustimmen, etwa dass der Klimawandel natürlichen Ursprungs sei (31 Prozent Zustimmung), Viren im Labor erzeugt werden, um die Bevölkerung zu kontrollieren (23 Prozent) oder Ergebnisse der Krebsforschung zu kommerziellen Zwecken zurückgehalten werden (21 Prozent). „Aber nur eine vergleichsweise kleine Gruppe – sechs Prozent – stimmen allen drei Aussagen zu“, so Starkbaum.

Der IHS-Zwischenbericht widerspricht damit in einigen Details den kürzlich veröffentlichten Ergebnissen des ersten österreichischen Wissenschaftsbarometers, wonach das Interesse der Österreicher und Österreicherinnen an Wissenschaft zwar hoch ist, die Skepsis aber ebenso.

Demographische Unterschiede

Generell gibt es laut der heutigen IHS-Präsentation es zwar Unterschiede in der Wissenschaftsskepsis zwischen soziodemographischen und -ökonomischen Gruppen, diese seien aber nicht sehr groß. Eher zur Skepsis würden Personen mit geringer Zufriedenheit mit der Demokratie, mit dem eigenen Leben und ihrer ökonomischen Lage sowie Personen mit geringerer Bildung.

Das Vertrauen in Wissenschaft sei allerdings in allen bisher analysierten Untersuchungen im Zeitverlauf konstant und höher als in andere Bereiche und staatliche Institutionen, die abgefragt wurden. Auch während der Pandemie sei es hier zu keinem Einbruch gekommen, auch die Wissenschaftsskepsis habe die Pandemie nicht massiv befeuert. Dagegen zeige sich deutlich, dass die Zufriedenheit mit der Demokratie in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen habe.

Politik und medialer Wandel

Unterschiede im Vertrauen in die Wissenschaft würden sich im Wahlverhalten zeigen: Tendenziell hätten Personen, die im rechten politischen Spektrum wählen, eher geringeres Vertrauen, besonders stark ausgeprägt sei dies bei FPÖ-Wählern, so Starkbaum. Eine Rolle für die zunehmende Wissenschaftsskepsis könnte auch im medialen Wandel liegen, betonte der Experte. Es gebe hier noch keine Daten für Österreich, internationale Studien würden darauf hindeuten, dass Konsumenten von Formaten, die ungesicherte Informationen weiterleiten, wie etwa Youtube, eher zur Wissenschaftsskepsis neigen.

Befragt, ob sich nicht auch die Politik an der Nase nehmen müsse, etwa angesichts von Aussagen wie jene von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der meinte, „die Empirie, die Wissenschaft ist das eine, die Fakten sind das andere“, meinte Polaschek, dass solche „punktuellen Aussagen keine Rolle spielen“, diese würden „kurz aufflackern und dann wieder untergehen“. Starkbaums persönliche Meinung dazu: „Solche Zwischenrufe sind am Ende des Tages nicht förderlich.“

Die Endergebnisse der Studie sollen im August beim Europäischen Forum Alpbach vorgestellt werden. Bereits im vergangenen Herbst hat Polaschek ein „Zehn-Punkte-Programm zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie in Österreich“ vorgelegt. Zu den geplanten Maßnahmen zählen etwa die Einrichtung einer zentralen Stelle für Wissenschafts- und Demokratievermittlung sowie einer Datenbank für entsprechende Angebote. Zudem sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Botschafter ihres Bereichs an Schulen gehen und Anreize geschaffen werden, dass sich Forscher verstärkt in der Wissenschafts- und Demokratievermittlung engagieren.