Franz Essl gehört zu den Forscherinnen und Forschern, die seit Jahren vor den Folgen der Umweltzerstörung warnen: Er wird nicht müde zu betonen, dass stabile, artenreiche Ökosysteme die Grundlage für menschliches Wohlergehen sind – für die Nahrungsmittelproduktion oder für nachwachsende Rohstoffe, sie schützen vor Naturgefahren wie Überschwemmungen oder speichern CO2.
Seit Jugend Interesse an Natur
Franz Essl forscht am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien zur weltweiten Verbreitung gebietsfremder Arten und zum Verlust der Artenvielfalt. Bis heute prägt sein Interesse an der Natur seine Forschung. Sie brachte den 49-Jährigen nach der Matura in Oberösterreich auch nach Wien zum Biologiestudium.
Auszeichnung seit 1994
Der Klub der Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen vergibt seit 1994 jährlich den Titel des Wissenschaftlers bzw. der Wissenschaftlerin des Jahres. Er zeichnet damit u. a. die Fähigkeit aus, wissenschaftliche Arbeit einer breiten Öffentlichkeit verständlich vermitteln zu können.
„Ich bin auf einem Bauernhof auf dem Land aufgewachsen und habe immer sehr viel Zeit draußen verbracht, am Bach, im Wald spielend, aber dann irgendwann auch beginnend meine Umwelt zu erforschen“, sagt Essl im Gespräch mit science.ORF.at. Ein Interesse, das zu einer Konstanten in Essls Berufs- und Privatleben werden sollte. Beruflich führte es ihn zunächst zu einer Umweltschutzorganisation, dem Umweltdachverband, dann zum Umweltbundesamt und schließlich an die Universität Wien.
Folgen des Artenverlustes
Am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien steht der rasante Verlust der Artenvielfalt im Zentrum seiner Forschung. Eine Entwicklung, die er bereits als Jugendlicher in Oberösterreich beobachten konnte. „Und diese Wahrnehmung hat sich dann auch mit zunehmendem Forschungsinteresse räumlich ausgeweitet und mit einem besseren Verständnis zu den Ursachen dieses globalen Phänomens, der Übernutzung der Biosphäre, zu meinem heutigen Forschungsschwerpunkt geführt“, so Essl.
Er arbeitet etwa daran zu verstehen, warum Arten verloren gehen, wie naturnahe Lebensräume wegen intensiver Landnutzung, Verbauung, übermäßiger Düngung und steigender Temperaturen zerstört werden. Um den Verlust der Artenvielfalt genauer erfassen und entsprechende Schutzmaßnahmen festlegen zu können, muss man die Lebensräume selbst besser kennen.

Katalog der Lebensräume
In diesem Zusammenhang war Essl an einem internationalen Forschungsprojekt beteiligt, das die weltweite Vielfalt der Lebensräume erstmals klassifiziert hat. Der Katalog, der 2022 veröffentlicht wurde, soll dazu beitragen, die weltweit vorkommenden Lebensräume von der Tiefsee bis zu den höchsten Gipfeln einheitlich zu beschreiben.
Arbeiten von Franz Essl
Franz Essl untersucht nicht nur, wie der Mensch und seine Lebensweise die Artenvielfalt bedroht, er forscht auch zu den Folgen der Biodiversitätskrise. Die zeichnen sich beispielsweise in der Nahrungsmittelproduktion bereits ab: Der Verlust von Bestäubern wie Bienen und Schwebfliegen gefährdet die Landwirtschaft. Heute sind weltweit 40 Prozent aller Insektenarten vom Aussterben bedroht.
Eingeschleppte Arten erfassen
Zu den Auslösern der Biodiversitätskrise zählt auch die globale Verbreitung gebietsfremder Arten. Tier- und Pflanzenarten, die nicht heimisch sind, werden teils bewusst in andere Weltregionen gebracht, meist aber über globale Lieferketten verbreitet. In diesem Zusammenhang ist Essl an einer internationalen Datenbank beteiligt, die die Verbreitung von invasiven, durch den Menschen eingeschleppten, Arten erfasst.
So konnten die beteiligten Forscherinnen und Forscher historische und aktuelle Knotenpunkte identifizieren, meist Länder, die ein hohes Transport- und Importvolumen haben. Die Verbreitung gebietsfremder Arten bedroht die Artenvielfalt, weil die neuen Arten vorhandene verdrängen können. Eingeschleppte Pflanzen haben beispielsweise oft keine natürlichen Feinde, keine Schädlinge, die ihre Verbreitung einschränken, und verdrängen in Folge andere Pflanzen.

Auszeichnung als Signal
Für Franz Essl ist die Auszeichnung als Wissenschaftler des Jahres durch den Klub der WissenschaftsjournalistInnen nicht nur eine persönliche Ehre, sondern auch ein Signal. Die Biodiversitätskrise, der Artenverlust werde viel ernster genommen und müsse noch sehr viel ernster genommen werden, medial, aber auch in der politischen Entscheidungsfindung, meinte der Experte.
Essl ist auch im Leitungsteam des österreichischen Biodiversitätsrates – und der fordert die Regierung dazu auf, die für Österreich vorliegende Biodiversitätsstrategie endlich umzusetzen – und zwar ambitioniert und schnell. Darin sind drei Hauptziele bis zum Jahr 2030 formuliert: Bis dahin soll ein Drittel der Landesfläche unter Schutz stehen, ebenso sollen ein Drittel der Arten auf der „Roten Liste“ nicht mehr gefährdet und überdies 35 Prozent der Landwirtschaft auf Bio umgestellt sein.