Drei Würfel, auf dem einen ein Männer-, auf dem anderen ein Frauenzeichen, dazwischen einer mit einem Istgleich- und einem Istnichtgleich-Zeichen
Getty Images/iStockphoto/ronstik
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Gender-Data-Gap

Die Welt ist auf Männer zugeschnitten

Von der Medikamentendosierung über die Fahrzeugsicherheit bis hin zur Größe des Smartphones: Was das Leben aller berührt, ist häufig nur auf Männer abgestimmt. In Wissenschaft und Wirtschaft werden kaum Daten zu Frauen erhoben – und dieser Gender-Data-Gap kann laut Studien fatale Folgen haben.

Bei Studien seien in der Vergangenheit „Daten zu einem überwiegenden Teil, manchmal ausschließlich zu männlichen Probanden erhoben worden“, erklärte Sonja Sperber vom Institut für Strategie, Technologie und Organisation der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Zusammen mit anderen Forscherinnen machte sie vor Kurzem in einem Beitrag im „European Management Journal“ auf das Problem aufmerksam.

„Daten zu Frauen sind entweder nicht miterhoben worden oder aber in einem so geringen Umfang, dass die Daten nicht brauchbar sind.“ Es handle sich um ein historisches Problem, das sich verfestigt habe. Die Konsequenzen der daraus entstehenden Datenlücke sollten nicht unterschätzt werden, meinte die Wirtschaftswissenschaftlerin.

Von Crash-Test-Dummies bis zu Medikamenten

Während Männer anders als Frauen handelsübliche Handys also mit einer Hand bedienen können, habe die Datenlücke auch schwerwiegendere Folgen: Crash-Test-Dummies, mit denen Autounfälle simuliert werden, seien männlichen Körpern nachempfunden; Tests mit Frauen nachempfundenen Puppen nicht verpflichtend. So könne man nicht ablesen, inwiefern ein Frauenkörper im Ernstfall Verletzungen davontragen würde.

Auch Medikamente würden hauptsächlich an Männern getestet. Denn: „Der weibliche Körper ist komplexer als der männliche“, spielt Sperber unter anderem auf den Menstruationszyklus an. „Solche Faktoren müssen aber gerade dann miteinbezogen werden, wenn Frauen die Medikamente nehmen sollen.“ Werden Medikamente nur an Männern getestet, könne die empfohlene Dosis für die im Durchschnitt kleineren, leichteren Frauen falsch sein.

Unterschiede im OP-Saal

Der Gender-Data-Gap beeinflusse die Medizin aber auch auf andere Weise: Werden Studierende nur anhand männlicher Anatomie unterrichtet, habe das Einfluss auf die Behandlung von Frauen. Bei ihnen äußern sich etwa Herzinfarkte mit anderen Symptomen als bei Männern. Eine kanadische Studie zeigte zuletzt, dass Frauen, die von männlichen Chirurgen operiert werden, ein um 32 Prozent höheres Risiko haben, zu sterben, Komplikationen zu erleiden oder erneut ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, als wenn sie von Chirurginnen – bei denen solche Unterschiede nicht beobachtet wurden – operiert werden. Dennoch sei das Bewusstsein für das Problem in der Wissenschaft noch nicht wirklich angekommen, konstatierte Sperber.

Gilt auch in der Wirtschaft

Für eine Spezialausgabe des „European Management Journals“ rufen die Forscherinnen derzeit zum Einsenden von Studien auf, die den Gender-Data-Gap im Managementbereich behandeln, um so mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren. Denn auch hier hat die spärliche Datenlage Konsequenzen: Studien, die die Gründe dafür analysieren, warum es in Führungspositionen mehr Männer als Frauen gibt, würden überwiegend mit Männern durchgeführt. „So kann man die Frauenwelt und deren Probleme nicht verstehen“, stellte die Wissenschaftlerin fest.

Neutrale Daten gibt es also nicht. Mit mehr Aufmerksamkeit für das Thema und dessen Folgen und eine darauffolgende Änderung der Datenerhebungsverfahren könne dem Gender-Data-Gap allerdings zu Leibe gerückt werden, stellte Sperber in Aussicht.