Hochmoor in Schrems
Juliane Nagiller, ORF
Juliane Nagiller, ORF
Mooratlas

Moore schützen für das Klima

Weil sie Treibhausgase speichern, dämpfen Moore den Klimawandel, jedoch nur, solange sie intakt sind. Jährlich werden weltweit 500.000 Hektar zerstört. Mit fatalen Folgen: Entwässerte Moore sind für mehr Emissionen verantwortlich als der globale Flugverkehr. Auch in Österreich ist nur noch ein Zehntel aller ursprünglichen Moore erhalten. Der neue Mooratlas plädiert für eine Renaturierung und mehr Moorschutz.

Moore sind Kohlenstoffspeicher. Obwohl sie nur drei Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, speichern sie rund 600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff und damit etwa doppelt so viel wie die gesamte Biomasse aller Wälder der Erde. Durch Entwässerung und Entwaldung gehen gesunde Moore derzeit weltweit zehnmal schneller verloren, als sie wachsen.

Hauptreiber der Zerstörung ist die Land- und Forstwirtschaft. Welche Potenziale nasse Moore haben, zeigt der am Dienstag in Deutschland veröffentlichte Mooratlas. Eine österreichische Version erscheint in Kürze. Koordiniert wird sie Global 2000 und vom österreichischen Naturschutzbund.

Verschwindende Moorflächen

Seit Jahrhunderten werden Moore systematisch entwässert; für den Torfabbau, für Siedlungen und die Forst- und Landwirtschaft. Bis zu 300.000 Hektar Moor habe Österreichs Urlandschaft aufgewiesen, erklärt Harald Zechmeister, der am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien lehrt und forscht. Davon erhalten seien bestenfalls noch zehn Prozent. „Und was eigentlich noch dramatischer ist: Von diesen zehn Prozent sind nur mehr ganz wenige Prozent auch wirklich hydrologisch intakt.“

Publikation

Die Österreich-Printausgabe kann ab sofort kostenlos vorbestellt werden. Atlas, Bilder und Grafiken stehen demnächst auf der Website von Global 2000 zum Download zur Verfügung.

Hydrologisch intakt sei ein Moor dann, wenn es nass ist, erklärt der Moorexperte. Wasser hält den Sauerstoff fern, so wird der Zersetzungsprozess im Moor verhindert, und Torf kann entstehen. Verschwindet das Wasser, beginnt der Zersetzungsprozess. Der gebundene Kohlenstoff wird in Form von CO2 freigegeben.

Vom Klimaschützer zum Klimakiller

In der EU ist rund die Hälfte aller Moore mittlerweile entwässert. Gut erhalten Moore findet man vor allem in Schweden, Norwegen und in Bosnien-Herzegowina. Dort sind die noch zu 75 bis 100 Prozent intakt. Besonders in den Tropen schreitet die Zerstörung von Mooren aktuell voran. Zerstört werden Moorregenwälder, die nicht nur große Mengen an Kohlenstoff speichern, sondern auch Lebensraum für Orang-Utans und Waldelefanten sind.

Grafik zu Moorlandschaften weltweit

In Österreich wurde der Großteil der Moorflächen für landwirtschaftliche Flächen trockengelegt, so Zechmeister. Mittels Gräben und Drainagen wurde immer mehr Wasser entfernt, bis die Flächen für Weide- und Ackerland nutzbar waren. „In manchen Gebieten hat man auch den Torf aus den Mooren genutzt, zum Heizen oder in den Glaswerken der böhmischen Masse.“

Je nach Dicke und Zusammensetzung des Torfs können Moore sehr große Mengen an CO2 speichern. Werden Moore entwässert, dreht sich dieser Effekt jedoch um: Sie emittieren dann Kohlendioxid, Methan und auch Lachgas. Je stärker ein Moor trockengelegt wurde, desto höher sind die Treibhausgasemissionen.

Moorböden, die als Ackerflächen genutzt werden, geben laut Schätzungen rund 40 Tonnen CO2-Äquivalente pro Hektar und Jahr frei. „Wenn wir alle österreichischen Moore nehmen, die gestört sind und Treibhausgase emittieren, dann sind das mindestens zwei Prozent der Gesamtemissionen, die Österreich hat“, sagt Zechmeister.

Feuchtgebiete als Refugien und Wettermacher

Intakte Moore sind nicht nur ausgezeichnete Klimaschützer, sondern beheimaten auch hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten. Dabei ist Moor nicht gleich Moor: 26 verschiedene Moor-Naturraumtypen gibt es in Mitteleuropa. Gerade in Österreich sind aufgrund seiner großen klimatischen Vielfalt auch viele seltene Moortypen heimisch, Deckenmoore in Vorarlberg und dem Salzkammergut beispielsweise und Waldhochmoore im nördlichen Waldviertel. Im Venter Tal auf 2.700 Metern befindet sich sogar ein kleines Eiskernmoor.

Grafik zu Artenvielfalt in Mooren

Feuchtwiesen und Moore hätten einen großen gesellschaftlichen Nutzen, betont Zechmeister. Sie beheimaten nicht nur seltene Schmetterlinge wie den Hochmoorgelbling und Pflanzen wie den Sonnentau, sondern beeinflussten auch das lokale Klima. „Moore speichern wahnsinnig viel Wasser und verdunsten das auch. In ihrer Umgebung ist es etwas kühler und es regnet mehr.“ Zudem dienen Moore dem Hochwasserschutz.

Wiedervernässen von Mooren

Die Umweltanforderungen, die mit den EU-Agrarfördergeldern verbunden sind, berücksichtigen die Ökosystemleistungen, die Moore erbringen, derzeit nicht. Die EU fördere dadurch gezielt die Aufrechterhaltung des Status quo, sprich die Zerstörung der wertvollen Moorlebensräume, heißt es im Mooratlas, der in Deutschland gemeinsam von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Bund und der Michael-Succow-Stiftung herausgegeben wurde.

Würde man Ackerflächen, die sich auf Moorböden befinden, in wiedervernässte Moore umwandeln, hätte das gleich zwei Vorteile: Sie dienen dann dem Klimaschutz und können mit Hilfe von Paludikulturen nachhaltig genutzt werden, durch den Anbau von Schilf und die Haltung von Wasserbüffeln etwa.

Intakte Moore unter Schutz stellen, drainierte Moore renaturieren und landwirtschaftliche Flächen wiedervernässen: In diesem Dreischritt müsste der Moorschutz erfolgen, ist Zechmeister überzeugt. Das Problem: Zwar wisse man in Österreich mittlerweile ganz gut, wo Moore waren, was Torfböden in landwirtschaftlicher Nutzung betrifft, gibt es jedoch eine große Wissenslücke. „Diese Flächen sind recht schlecht erfasst, und die Schätzungen liegen um 100 Prozent auseinander. Es gibt Quellen, die sagen: 50.000 Hektar. Es gibt Quellen, die sagen sogar: 100.000 Hektar.“

Österreichs Moorschutzstrategie

In der Moorstrategie Österreich 2030+ haben sich Bundesländer und Bund darauf geeinigt, naturnahe Moore zu erhalten und geschädigte Moore wiederherzustellen. Die Umsetzung liegt im Verantwortungsbereich der Bundesländer.

Regional gibt es bereits einige Best-Practice-Beispiele, was die Renaturierung von Mooren betrifft, so Zechmeister und nennt das Moor in Heidenreichstein in Niederösterreich, die Niedermoorwiesen in Vorarlberg und das Saumoos in St. Michael im Lungau. „Es gibt gute Beispiele, die zeigen: Es funktioniert. Man muss nur wollen, dass das passiert, und die richtige Finanzierung dafür finden.“