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Robert Kneschke – stock.adobe.co
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Studie

Starke Beziehungen helfen in Krisenzeiten

Die Zeit, die Menschen über Weihnachten und Neujahr mit ihrer Familie und im Freundeskreis verbracht haben, könnte förderlich für deren Gesundheit sein. Denn wie eine neue Studie in über 100 Ländern zeigt: Starke Beziehungen zu Verwandten und engen Freundinnen und Freunden wirken sich positiv auf das Wohlbefinden aus – ganz besonders in Krisenzeiten.

Soziale Kontakte finden auf unterschiedlichen Ebenen statt: Von der Familie und dem Freundeskreis über die Gemeinde, in der man lebt, bis zu abstrakteren Netzwerken wie dem Staat. Für die Studie, die nun im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht wurde, haben drei englische Forscherinnen untersucht, wie sehr diese verschiedenen sozialen Gruppierungen in Zeiten gesellschaftlicher Turbulenzen Unterstützung vermitteln können.

Das Ergebnis: Auf die Gesundheit wirkt es sich positiv aus, soziale Kontakte auf mehreren unterschiedlichen Ebenen zu haben (ähnliches zeigte unlängst auch eine Studie der Universität Harvard). Am entscheidendsten für das Wohlbefinden sind aber die Familie und der engste Freundeskreis – Gruppen also, die „wir schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte als wichtig erkannt haben“, so die Studienautorinnen.

Teilnehmer aus 122 Ländern weltweit

Grundlage für die Untersuchung war der große Datensatz einer Umfrage, an der insgesamt 13.264 Menschen aus 122 Ländern teilnahmen, u. a. aus Australien, Kanada, Kroatien, Deutschland, Italien, Brasilien, Peru und Bangladesch. Die Daten wurden während der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 erhoben. Die Auswirkungen von sozialen Bindungen auf gesundheitsförderliches Verhalten und auf das psychische Wohlbefinden wurden demnach auch mit Bezug auf die Pandemie untersucht.

Etwa am Beispiel Händewaschen und Maskentragen: So wuschen sich 46 Prozent der Personen, die starke Bindungen innerhalb der Familie hatten, „häufig“ die Hände, verglichen mit 32 Prozent der Personen, die diese nicht hatten. Bei jenen ohne starke Bindungen gaben zudem 54 Prozent an, nie eine Maske zu tragen.

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„Richtig“ Händewaschen wurde mit der ersten CoV-Welle zum Thema

Menschen mit starken familiären Bindungen waren unter denjenigen, die sich gesundheitsbewusst verhielten, stark überrepräsentiert. Obwohl sie nur 27 Prozent der gesamten Stichprobe ausmachten, machen sie 35 Prozent derjenigen aus, die sich die Hände wuschen, und 36 Prozent derjenigen, die „sehr oft“ eine Maske trugen. Die Studie ergab zudem, dass starke soziale Beziehungen, die sich durch Vertrauen und Zugehörigkeitsgefühl auszeichnen, die psychische Gesundheit fördern: Personen mit starken Bindungen waren weniger ängstlich und depressiv.

„Universelles Bedürfnis nach Zugehörigkeit“

Das „universelle Bedürfnis nach Zugehörigkeit“ sei einer der Gründe gewesen, warum die Wissenschaftlerinnen es für wichtig gehalten hatten, „eine wirklich vielfältige Stichprobe aus der ganzen Welt“ in ihre Studie einzubeziehen, so die Anthropologin Martha Newson von der University of Kent in einer Aussendung. Denn: „Egal, wo auf der Welt man sich befindet, andere Menschen sind einem wichtig.“

Die Psychologin Bahar Tunçgenç von der Nottingham Trent University (NTU) fügte hinzu: „In unruhigen Zeiten, wie bei Katastrophen, in sozialen Krisen und Pandemien, können unsere sozialen Bindungen der Schlüssel zur Unterstützung sein. Wir wenden uns an Menschen, denen wir vertrauen und mit denen wir uns identifizieren, wenn wir entscheiden, wie wir vorgehen sollen.“ Aus diesem Grund könne eine enge Bindung an die Familie gesundheitsförderndes Verhalten unterstützen.

Im Gegensatz zu früheren Studien fanden die Forscherinnen keine Hinweise darauf, dass eine enge Bindung an den Staat gesundheitsförderndes Verhalten erhöht. Dies deute darauf hin, dass öffentliche Botschaften, wie etwa Aufrufe zum Händewaschen, auf kleinere Netzwerke wie Familien ausgerichtet sein sollten, wenn man Gemeinschaften vor den Auswirkungen globaler Krisen schützen möchte.

Tanzkurs statt Tabletten

Für ein Höchstmaß an Effizienz und Wohlbefinden in Krisenzeiten sei es für die Politik ratsam, diese psychologischen Bedürfnisse und Mechanismen zu berücksichtigen, so die Psychologin Valerie van Mulukom von der Universität Coventry. Die Studie zeige einmal mehr, dass „der Mensch in Wirklichkeit ein sehr soziales Tier ist, das in mehrfacher Hinsicht von seiner Gemeinschaft profitiert und auf sie angewiesen ist. In schwierigen Zeiten ist dies noch stärker ausgeprägt“.

Die drei Studienautorinnen empfehlen zudem, „die verbreitete Abhängigkeit von pharmazeutischen Behandlungen zu verringern“. Statt Medikamenten sollten Patientinnen und Patienten, die keine starken sozialen Bindungen im Leben haben, verstärkt durch „soziale Verschreibungen“ unterstützt werden: soziale Aktivitäten auf Rezept also. Diese können von langen Gesprächen bis zu Tanzkursen reichen. Ein Pilotprojekt dazu gibt es auch in Österreich – science.ORF.at hat berichtet.