Coronaviren unter dem Mikroskop
APA/AFP/National Institute of Allergy and Infectious Diseases
APA/AFP/National Institute of Allergy and Infectious Diseases

Monitoring reduziert – neue Variante auf Vormarsch

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will die Coronavirus-Maßnahmen abschaffen. Die Wissenschaft reagiert mit Verständnis, aber auch mit Kritik: Denn das CoV-Monitoring soll ebenfalls zurückgefahren werden – just zu dem Zeitpunkt, da sich eine neue Virusvariante auf dem Vormarsch befindet.

Um beurteilen zu können, welche Varianten derzeit kursieren und für wen sie potenziell gefährlich sein können, braucht es im Prinzip dreierlei: erstens das Abwassermonitoring, das über die Existenz spezifischer Viren Auskunft gibt, zweitens Antikörperstudien, die Rückschlüsse auf den Immunstatus der Bevölkerung zulassen, sowie drittens die Verknüpfung von Sequenz- und Patientendaten.

Letztere zeigen zum Beispiel, wie sich der Impfstatus oder das Alter auf die Erkrankung auswirkt. Erstellt wurde diese Verknüpfung bisher von einem Team der Österreichischen Akademie der Wissenschaften um den Molekularbiologen Ulrich Elling in Zusammenarbeit mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

Vertrag nicht verlängert

Doch der Kooperationsvertrag läuft Ende März aus. Die dritte Säule der Risikobewertung fällt also demnächst weg. „Natürlich ist ein gewisser Aufwand damit verbunden, die Proben aus dem ganzen Land zentral bei der AGES zu sammeln, zu verarbeiten und sie dann an uns für die Analyse zu schicken“, so Elling gegenüber Ö1. Diese Kosten sollen jetzt eingespart werden: „Weil man davon ausgeht, dass die Notwendigkeit nicht mehr so groß ist.“

Theoretisch könnte natürlich auch die AGES die Analysen übernehmen. Was man im Rahmen eines Monitorings jedenfalls im Auge behalten sollte, ist die Virusvariante XBB 1.5. Im Nordosten der USA ist die Variante bereits dominant. Auch in Europa befindet sie sich auf dem Vormarsch.

XBB 1.5 bisher 150-mal in Österreich nachgewiesen

XBB 1.5 vereint gewissermaßen zwei „Begabungen“, die bisher nur in unterschiedlichen Viren zu finden waren. Einerseits bindet sie so gut an den Zellrezeptor der Wirtszelle wie die diesbezüglich besten Varianten. Andererseits umgeht sie auch den Immunschutz auf ähnlich hohem Niveau. Die Verdopplungszeit liegt derzeit bei etwa einer Woche.

„In Österreich haben wir bisher 150 Fälle von XBB 1.5 nachweisen können. Das sind zehnmal mehr als in Deutschland. Und das liegt nicht daran, dass wir hier mehr haben, sondern dass unsere Analysen noch besser laufen“, sagt Elling im Ö1-Interview. In Anteilen ausgedrückt liegt XBB 1.5 österreichweit derzeit bei acht Prozent, Tendenz steigend.

WHO wird aktiv

Auf die jüngste Entwicklung hat nun auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagiert, sie beruft für Donnerstag ein internationales Meeting ein, um sich ein Bild der Lage machen zu können. Österreich ist eines der drei Länder, die Europa vertreten und hier Daten beisteuern. Dass XBB 1.5 nun besonders gefährlich werden könnte, sei allerdings nicht zu erwarten, betont Elling. Denn der entscheidende Faktor sei nun die Immunität der Bevölkerung – vor allem die T-Zell-Immunität, die sich durch Impfungen und Infektionen aufgebaut habe. Und diese werde sich in absehbarer Zeit nicht ändern.

Offen ist indes die Frage, ob es in diesem Winter noch zu einer Erkrankungswelle kommen könnte oder nicht – sowie ein terminologisches Detail: Im Prinzip könnte die WHO am Donnerstag auch einen neuen Namen für XBB 1.5 vorschlagen. Bekäme das Virus einen griechischen Buchstaben zugesprochen, wäre nun Pi an der Reihe.