Ein Jogger in der Wiener Innenstadt während des 2. Lockdowns aufgenommen  am Mittwoch, 18. November 2020
APA/HERBERT PFARRHOFER
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CoV-Pandemie

Gefühlter Kontrollverlust verschärft Krise

Geburt, Tod, Hochzeit oder Jobverlust – wie positiv oder negativ solche einschneidenden Ereignisse während der CoV-Pandemie erlebt wurden, hängt laut einer Studie der Universität Wien vor allem davon ab, ob die Menschen noch das Gefühl der Kontrolle über ihr eigenes Leben hatten – oder nicht.

Der Beginn der CoV-Pandemie war für viele eine unsichere Zeit: Geschlossene Geschäfte, Flugstopp, Maskenpflicht und Home Schooling haben den Alltag völlig umgekrempelt. Wie Menschen während dieser Zeit einschneidende persönliche Ereignisse erlebt haben, hängt ganz entscheidend von ihrem Kontrollgefühl ab, wie eine Studie der Universität Wien ergeben hat, sagt Jana Nikitin, sie leitet den Bereich Psychologie des Alterns an der Universität Wien.

Kontrollverlust durch Verbote

Je negativer der Einfluss der Pandemie empfunden wurde, desto negativer sei auch das jeweilige Ereignis erlebt worden. Umgekehrt je positiver der Einfluss der Pandemie gesehen wurde, desto positiver wurde das Ereignis erlebt.

Als stärkster Faktor habe sich das von den Betroffenen wahrgenommene Gefühle der Kontrolle herauskristallisiert: Wenn es etwa nicht mehr möglich war, schwerkranke Angehörige im Spital zu besuchen, wurde das als extrem belastend empfunden. Dieses negative Gefühl betreffe vor allem Ereignisse wie Krankheiten, Unfälle oder den Verlust der Arbeit.

Positive Effekte durch Entschleunigung

Aber es gab auch positive Auswirkungen: So habe die Pandemie nicht nur die Kontrolle „weggenommen“, sie habe auch – bis zu einem gewissen Grad – manchen Menschen mehr Kontrolle über ihr Leben gegeben, so die Forscherin. Viele haben z.B. gesagt, dass sie jetzt endlich Zeit für das Wesentliche hätten, und dass sie eine Entschleunigung erleben.

Interessanterweise seien diese Effekte über alle Altersgruppen hinweg zu beobachten gewesen, sowohl jüngere als auch ältere Menschen haben von der höher wahrgenommenen Kontrolle profitiert. Dieses Kontrollgefühl sei einer der wichtigsten Faktoren, damit man sein Leben meistern kann, erklärt die Psychologin. Denn wenn man die Kontrolle über sein Leben nicht mehr hat, erlebe man die sogenannte gelernte Hilflosigkeit, die auch zu depressiven Verstimmungen und generell zu weniger Wohlbefinden führt.

Rat an die Politik

Fazit der Studie: Auch für die Politik wäre es essentiell, den Menschen in solchen unvorhersehbaren Situationen ein gewisses Kontrollgefühl zu ermöglichen, ihnen einen gewissen Spielraum zu geben und auch eine gewisse Vorhersehbarkeit.

Das sei sicher schwierig – aber man könnte etwa versuchen, mehr Balance zwischen medizinisch und psychisch notwendigen Maßnahmen zu finden. Das gelte auch für andere Szenarien wie etwa einen Stromausfall oder eine weitere Pandemie. Es wäre gut, wenn Menschen schon im Vorhinein wissen, welche Maßnahmen getroffen werden, wenn ein solcher Notfall eintritt – dann können sie sich besser darauf einstellen, und durch Vorbereitung einen gewissen Handlungsspielraum erhalten.