Mit Online-Daten lassen sich regionale Ausbrüche abschätzen

Bereits Wochen vor größeren regionalen Covid-19-Ausbrüchen lassen sich solche Entwicklungen abschätzen. Als eine Art Vergrößerungsglas für den zeitlichen und räumlichen Verlauf der Infektionsdynamik fungieren laut einer neuen Studie u.a. Daten aus Online-Diensten wie Google Trends, Apple Mobility oder dem Social Media-Portal Twitter.

„Die reale Welt durch digitale Daten besser zu verstehen“, ist das Ansinnen von Bernd Resch und seinem Team vom „Geo-social Analytics Lab“ der Universität Salzburg. Postings auf Twitter und anderen Social Media-Kanälen, die noch dazu mit Hinweisen auf den Ort, an dem sie abgesendet wurden, versehen sind, würden sich mit gewissen Einschränkungen als „Spiegel der Welt“ eignen – vorausgesetzt man versteht es, die Datenflut auf sinnvolle Weise zu filtern und wissenschaftlich fundiert Schlüsse daraus zu ziehen, erklärte der Geoinformatiker im Gespräch mit der APA.

Nachdem er 2009 seinen PhD an der Uni Salzburg und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA absolviert hat, ist Resch seit 2013 auch am Center for Geographic Analysis der Harvard University tätig. Hier arbeitet der Forscher mit unterschiedlichen anderen Fachdisziplinen in diversen inhaltlichen Überlappungsgebieten zusammen.

Einschätzung von Flüchtlingsströmen

Viele Menschen geben auf Social Media bekanntlich verschiedenste Informationen preis. Das erlaube Rückschlüsse für die Epidemiologie, die Stadtplanung oder auch die Analyse von Fluchtbewegungen und Migration. All das möchte Resch auf wissenschaftlich hohem Niveau bearbeiten, um dann die „Brücke in die Praxis“ zu schlagen.

So bietet man NGOs wie etwa dem Roten Kreuz, den Johannitern oder Ärzte ohne Grenzen Analysen zur Unterstützung bei Entscheidungen im Krisenmanagement an. Im Rahmen der Spatial Services GmbH – einem Spin-off-Unternehmen aus dem Umfeld der Uni Salzburg – liefert das Team Einschätzung etwa wenn erste Berichte zu größeren neuen Flüchtlingsströmen Richtung Österreich auftauchen. Über Social Media erhält man zum Beispiel auch im Katastrophenfall Einblick in Situationen vor Ort, ohne dort zu sein. Das erlaube „relativ zuverlässige Abschätzungen in Nahe-Echtzeit“, und das weltweit und unabhängig vom Anwendungsfall, sagte Resch.

Verlaufskurven abbilden

Im Falle der aktuellen Veröffentlichung im Fachblatt „Science Advances“ ist dies die Covid-19-Ausbreitung in den USA. Die Arbeit entstand in Zusammenarbeit mit Medizinern und Epidemiologen der Harvard Medical School, die Verlaufskurven von Krankheitsausbrüchen zeitlich schon sehr gut abbilden können. „Was sie aber nicht wissen ist, wo sich der Erreger ausbreiten wird“, so Resch. Das ist aber für politische Maßnahmen zur Eindämmung in einem so großen Land extrem wichtig, um regionalspezifische Entscheidungen zu treffen.

Hier kommt der Salzburger Forscher ins Spiel. In der Studie legt das Team dar, wie sich mit modernen Analysemethoden die Entwicklungen auch auf Basis von Online-Daten auf der US-Bezirksebene (Counties) und in Ballungsräumen bezirks- oder bundesstaatenübergreifend detailliert vorhersagen lassen. Hier besteht jeweils hohe Übereinstimmung mit den in den USA mit einem Zeitverzug von mehreren Wochen dokumentierten Covid-19-Zahlen.

Bis zu 17 Tage im Voraus

Mit der Methode „erkennt man, sich bewegende Hotspots“ der Covid-Infektionen über den zeitlichen Verlauf hinweg, erklärte Resch. Das helfe etwa auch Pharmaunternehmen, die für ihre klinischen Studien wissen möchten, wo in Zukunft mit verstärkten Infektionen zu rechnen ist, um herauszufinden, wie gut neue Impfstoffe die Dynamik bremsen können. Schon in einer früheren Arbeit konnte man zeigen, dass Social Media-Daten die epidemiologische Kurve bis zu 17 Tage vorwegnehmen können – vor allem während der Frühphase der Ausbreitung der Krankheit.

Auch wenn das Online-Verhalten und die Struktur öffentlicher Daten in Österreich anders sind, würden sich die Ansätze auch auf die Situation hierzulande übertragen lassen. Wichtig sei zu betonen, dass es nicht darum geht, in das Verhalten einzelner Personen zu blicken. „Wir wollen wissen, wie es um ein geografisches oder soziales Phänomen in der raum-zeitlichen Ausprägung bestellt ist“, so Resch, der etwa auch zum Thema Verschwörungstheorien und deren Entstehung, Ausbreitung und Wahrnehmung in Österreich forscht.

Informationen dazu seien etwa für die Politikgestaltung interessant. Bezüglich der Vorhersage von Krankheitsausbreitung gelte, „nach der Pandemie ist vor der Pandemie, insofern sind wir hier momentan wieder verstärkt in der Forschung auf dem Gebiet drinnen“, sagte Resch, der seine Forschungsthemen im Rahmen des „iDEAS:lab“ der Uni Salzburg auch für die breite Öffentlichkeit aufbereitet.