Publikum in der Ausstellung „Der ewige Jude“, München 1937
Stadtarchiv München
Stadtarchiv München
Nationalsozialismus

Wie Ausstellungen Feindbilder propagierten

Propaganda hat im Nationalsozialismus eine wesentliche Rolle gespielt. Besonders „erfolgreich“ beim Schüren von Hass vor allem gegen Juden und Jüdinnen waren Ausstellungen. Die Historikerin Rosemarie Burgstaller geht diesen Besuchermagneten in einem Gastbeitrag nach.

Im Nationalsozialismus fand eine Vielzahl an diffamierenden Ausstellungen statt, deren Ziel es war, Weltanschauungen, Staaten und Bevölkerungen bis hin zu Gruppen und Personen zu verleumden und zu Feinden zu erklären. Der Eifer, der bis zum Niedergang des NS-Regimes betrieben wurde, um damit Hass und Ressentiments in der Bevölkerung gegen die jüdische Minderheit zu schüren, war enorm. Ausstellungen stellten ein lange Zeit von der historischen Forschung unterschätztes Medium bei der Verbreitung antisemitischer und rassistischer Propaganda im Nationalsozialismus dar. Feindbilder wurden nicht bloß in einschlägigen Veranstaltungen, wie der Hassausstellung „Der ewige Jude“ verbreitet.

Porträtfoto der Historikerin Rosemarie Burgstaller
Universität Wien

Über die Autorin

Rosemarie Burgstaller ist Historikerin und Senior Research Fellow am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Ihr Buch „Inszenierung des Hasses. Feindbild-Ausstellungen im Nationalsozialismus“ ist 2022 im Campus Verlag erschienen (Leseprobe).

Buchpräsentation

Das Buch wird am 19. Jänner 2023, 18:30 Uhr im Rahmen einer Veranstaltung des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien präsentiert (Bookshop Singer am Rabensteig 3, 1010 Wien).

Vielfach waren antisemitische und antikommunistische Abteilungen und Sonderschauen den populären Produktmessen und Leistungsschauen angeschlossen. Diskriminierungen und Verleumdungen wurden unterschwellig durch Codes oder mithilfe von Details und Anspielungen etwa im Rahmen von Handwerksausstellungen in Ausstellungsdisplays eingearbeitet. Der Schwerpunkt lag auf zwei Feindbildkomplexen: Die jüdisch codierten politisch-ideologischen Gegner Kommunismus und Sowjetregime sowie der Hass auf Jüdinnen und Juden. Antisemitismus bildete auch die Grundkonstante nahezu aller weiteren Feindbilder, die in diesen Ausstellungen transportiert wurden, wie etwa Weimarer Republik, Liberalismus und Demokratie oder die Angriffe auf Freidenker, Freimaurer und slawische Bevölkerungen.

Feindbilder wurden in wirtschaftswerbenden Bereichen ebenso vermittelt wie im Bereich karitativer Veranstaltungen. So wurden beispielsweise über nationalsozialistisch infiltrierte Hilfsorganisationen, wie „Brüder in Not“ und die „Internationale Pro Deo-Kommission“ mit Sitz in Genf, antisowjetische und antisemitische Feindbildausstellungen des NS-Regimes nicht nur im Deutschen Reich, sondern europaweit, etwa in Großbritannien, in Polen und in Frankreich, mit Unterstützung kollaborierender lokaler Einrichtungen verbreitet.

1936 erreichte Propaganda neue Dimension

Am Nürnberger Parteitag der NSDAP von 1936 hatte die antisowjetische Agitation des NS-Regimes eine neue Dimension erreicht. Der hier verkündete zweite Vierjahresplan stand im Zeichen der wirtschaftlichen Autarkie und einer beschleunigten militärischen Aufrüstung. Im Juli dieses Jahres hatte der Spanische Bürgerkrieg begonnen. In dieser Phase wurde auf Ausstellungen und Messen umfassende Bündnispropaganda des Regimes gegen die Sowjetunion betrieben. Insbesondere mit den im Herbst 1936 einsetzenden groß angelegten Feindbildausstellungen sollte Geschlossenheit demonstriert werden.

Ansicht einer diffamierenden Darstellung in der Ausstellung „Bolschewismus ohne Maske“, Wien 1938
Österreichische Nationalbibliothek
Ansicht einer diffamierenden Darstellung in der Ausstellung „Bolschewismus ohne Maske“, Wien 1938

An der „Großen antibolschewistischen Schau“, die im Bibliotheksbau des Deutschen Museums in München im November 1936 eröffnet wurde, waren Italien und Ungarn mit eigenen Sonderschauen beteiligt. Diese Ausstellung wurde bis 1938 in sieben Großstädten des Deutschen Reiches präsentiert und soll nach Angaben der Veranstalter mehr als 800.000 Besucher gezählt haben. Parallel zu dieser waren zahlreiche weitere antisemitische und kriegsvorbereitende Wanderausstellungen wie „Ein Blick ins Sowjetparadies“ und „Weltpest Bolschewismus“ im ländlichen Raum unterwegs. Die in LKW-Anhängern eingebaute Wanderschau „Weltfeind Nr. 1: Der Bolschewismus“ tourte eineinhalb Jahre durch Deutschland und soll an rund 60 Orten von mehr als 1,4 Millionen Schaulustigen besucht worden sein.

“Der ewige Jude“ – auch in Wien

Im folgenden Jahr 1937 wurde im Deutschen Museum in München die Hassausstellung „Der ewige Jude“ eröffnet. Ab August 1938 wurde das antisemitische Machwerk auch in Wien, danach in weiteren Städten gezeigt. „Der ewige Jude“ hat sich in das historische Gedächtnis der Bundeshauptstadt eingeschrieben. So diente das markante Werbeplakat als zeitliche Markierung für das Jahr 1938 im österreichischen Spielfilm „Der Bockerer“.

Diese Ausstellung wurde besonders reißerisch beworben. An ihrem Aufbau, ihrem inszenatorischen Impetus und an der intensiven Bewerbung kann dargestellt werden, wie stark auf Voyeurismus und Schaulust gesetzt wurde, um das Publikum anzulocken.

Aufbau der Ausstellung „Der ewige Jude“, Wien 1938.
Österreichische Nationalbibliothek
Aufbau der Ausstellung „Der ewige Jude“, Wien 1938.

Der Krieg bedeutete die noch engere Verknüpfung von Propaganda und Gewalt. Es sind zahlreiche Beispiele überliefert, die belegen, dass Feindbildausstellungen im Vorfeld antisemitischer Maßnahmen und Deportationen durchgeführt wurden. So unter anderen im Zusammenhang der Wanderausstellung „Le Juif et la France“ in den besetzten Städten Paris, Bordeaux und Nancy 1941/42 oder bei den Deportationen der jüdischen Bevölkerung Ungarns im Jahr 1944.

Publikumsmagneten im Nationalsozialismus

Nach den überlieferten Quellen zählten Hassausstellungen zu den Publikumsmagneten im Nationalsozialismus. Sogar in der sozialdemokratischen Exilzeitung Der sozialistische Kampf hieß es 1939 mit Bezug auf Österreich: „Die einzigen kulturellen Veranstaltungen, bei denen bisher wirklich eine Massenbeteiligung erzielt wurde, sind die Ausstellungen: ‘Der ewige Jude’, die ‘Antikomintern-Ausstellung’ und ‘Die entartete Kunst’“. Mehrere hunderttausend Besucherinnen und Besucher dürften keine Seltenheit gewesen sein. Offizielle Proteste demokratischer Regierungen fanden kaum statt. Und wenn, so ging es zumeist um inhaltliche Abgrenzung, nie aber um eine generelle Kritik an der antisemitischen Diskriminierung.

Außerhalb Deutschlands wurden Gegenausstellungen hingegen von Vertriebenen oder von kommunistischen Organisationen durchgeführt. Die Akteure blieben von den Nationalsozialisten nicht unbeobachtet. Selbst Kleinausstellungen, die Aufklärungsarbeit gegen die Verbrechen des Nationalsozialismus leisteten, versuchte das NS-Regime auf hoher politischer Ebene zunehmend mit unverhältnismäßig erscheinender Aggression zu bekämpfen.

Die Österreicherin Irene Harand, die 1935 die Schrift „Sein Kampf. Antwort an Hitler“ im Eigenverlag veröffentlicht hatte, initiierte als Reaktion auf die Ausstellung „Der ewige Jude“ in München 1937 eine Briefverschlussmarkenaktion mit Porträts bedeutender jüdischer Persönlichkeiten. Diese Kampagne zählte zu den wenigen Widerstandsaktionen gegen eine nationalsozialistische Feindbildausstellung.