Studie

Bakterien besiedeln Mensch erst nach Geburt

Seit einigen Jahren diskutieren Forscherinnen und Forscher, ab welchem Zeitpunkt der menschliche Körper von Mikroorganismen besiedelt wird. Ein Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung wies nun nach, dass dies nach der Geburt und nicht bereits in der Gebärmutter passiert.

Die Plazenta versorgt das heranwachsende Kind nicht nur mit lebensnotwendigen Stoffen, sondern schützt es als Barriere auch vor Infektionen. Daher ging die Wissenschaft bis vor kurzem davon aus, dass die Plazenta ebenso wie Embryo bzw. Fötus, die Gebärmutter und das Fruchtwasser steril sind. Den ersten Kontakt mit Bakterien bekommt das Kind demnach erst bei der Geburt im Geburtskanal.

Doch mehrere seit 2010 veröffentlichte Studien wiesen in Plazenta- und Fruchtwasserproben Mikroorganismen nach. Daher wurde diskutiert, ob die Basis des Mikrobioms – die Gemeinschaft von Mikroorganismen, die Darm, Schleimhäute und Haut des Menschen besiedeln – nicht doch schon vor der Geburt gelegt wird. Im Fachjournal „Nature“ führt Forscherinnen und Forscher diese Nachweise nun auf Verunreinigungen zurück.

Hypothese der „sterilen Gebärmutter“

Rund 50 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Reproduktionsbiologie, Mikrobiomforschung und Immunologie um Jens Walter vom University College Cork in Irland haben für die nun veröffentlichte Arbeit diese kontrovers diskutierten Studien analysiert. Das Team, dem auch Thomas Rattei vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien angehörte, kam dabei zum Schluss, dass es in den Studien zu einer Verunreinigung der Proben gekommen sein muss, etwa bei der vaginalen Entbindung, bei klinischen Verfahren oder bei den Laboranalysen.

Dem Forschungsteam ist bewusst, dass ihre Position im Widerspruch zu Dutzenden von Veröffentlichungen stehe, aber alles spreche „stark für die Hypothese der ‚sterilen Gebärmutter‘“, schreiben sie in ihrer Arbeit. Es sei zwar unmöglich, das gelegentliche Vorhandensein lebender Mikroorganismen in einem gesunden menschlichen Fötus zu widerlegen, doch die verfügbaren Daten sprechen nicht für eine stabile, umfangreiche Besiedlung mit Mikroorganismen unter normalen, nicht-pathogenen Umständen.

„Das Wissen, dass sich der Fötus in einer sterilen Umgebung befindet, bestätigt, dass die Besiedlung mit Bakterien während der Geburt und in der frühen postnatalen Phase stattfindet“, wird Walter in einer Aussendung der Uni Wien zitiert.

Einfluss auf das spätere Leben

Rattei verweist auf die „spezielle Problematik“ solcher Analysen, die „in den sehr kleinen Konzentrationen der anwesenden Bakterien“ liege: „Daher müssen auch in Spuren vorhandene Spezies sicher erkannt und von Kontaminationen unterschieden werden“. Weil die Frage, wann und wie sich das Mikrobiom des Menschen nach der Geburt entwickelt, einen bleibenden Einfluss auf das spätere Leben und die Gesundheit hat, müssten Studien in diesem Bereich für ein gutes wissenschaftliches Verständnis international vergleichbar durchgeführt werden.

„Dazu trägt diese Publikation bei“, so Rattei. Denn die Experten geben darin Hinweise, wie man in Zukunft bei Gewebeanalysen, in denen keine oder nur geringe Mengen an Mikroben zu erwarten sind, Kontaminationsfalle vermeiden kann. Und sie ermutigen zu weiteren Studien. So sollte etwa geklärt werden, wie ein Fötus immunologisch auf das Leben in der nach der Geburt vorherrschenden mikrobiellen Welt vorbereitet wird, wenn er keinen direkten Kontakt mit lebenden Mikroorganismen hat, und ob mütterliche mikrobielle Stoffwechselprodukte für die Immunbildung des Fötus ausreichen.