Grillen, Insekten, Lebensmittel, Pulver
nicemyphoto – stock.adobe.com
nicemyphoto – stock.adobe.com
Insekten als Lebensmittel

Wie Ekel überwunden werden kann

Die EU hat Hausgrillen als Lebensmittel zugelassen: als Ganzes oder in Form von Pulver, etwa in Schokolade und Wurst. Wie der Ekel vor Insekten, der bei vielen tief sitzt, überwunden werden kann, erklärt ein Lebensmittelwissenschaftler.

Laut einer EU-Verordnung ist die Verwendung von Hausgrillen in Lebensmitteln, und zwar gefroren, getrocknet und als Pulver, nun erlaubt. Auch Wanderheuschrecken und Larven des Mehlkäfers und des Getreideschimmelkäfers sind bereits zugelassen, weitere Insekten werden bald folgen.

In Österreich ist vor allem die Pulverform neu. Die Zugabe von Insektenpulver muss auf der Zutatenliste angegeben werden. „Dieses Pulver kann man allen möglichen Lebensmittelprodukten zusetzen, von Keksen, über Wurst und Müslis, alles, was man sich nur vorstellen kann“, so der Lebensmittelwissenschaftler Klaus Dürrschmid von der Universität für Bodenkultur in Wien. Der Insektenanteil dürfe aber eine maximale Menge von fünf Prozent des Gewichts des Lebensmittels nicht überschreiten.

Schutz vor verdorbenem Magen

Insekten rufen in der europäischen Kultur bei vielen Menschen Ekel hervor, anders als in vielen Regionen Asiens, sagt Dürrschmid: „Hierzulande assoziieren die Menschen Insekten mit verdorbenen Lebensmitteln, daher der tiefsitzende historische Ekel, der im Grunde genommen vor einem verdorbenen Magen schützen soll. Bei den bisher im Ganzen gegrillten oder frittierten Tieren kommt dieser Ekel besonders stark zum Tragen.“ Dazu komme, dass die Form von Insekten als Nahrungsmittel fremdartig sei. Dadurch werden neophobische Züge hervorgerufen, die sonst eher bei Kindern zu finden sind, die oft nichts essen möchten, was sie nicht kennen.

Kommen die Insekten in Pulverform, als Bestandteil von beispielsweise Keksen, wäre das eine Möglichkeit, den Ekel in der Gesellschaft langsam abzubauen, vermutet Dürrschmid. Die Werbung versuche schon länger, den Insektenekel abzuschwächen. Einerseits werde betont, wie gesund Insekten seien – als Quelle für Proteine, ungesättigte Fettsäuren und Mineralstoffe zum Beispiel. Oder auch durch die Vermarktung als exotisches Nahrungsmittel für jene, die sich durch das Probieren neuer, trendiger Lebensmittel von ihren Mitmenschen abheben möchten.

„Roher Fisch auf patzigem, saurem Reis“

Insgesamt gilt: Schafft man neue, positive Assoziationsketten um das Thema Insekten herum, könne das langfristig dazu führen, dass sich der Ekel gegenüber Insekten abbaut. Dürrschmid erinnert etwa an die Zeit, als Sushi und Maki in Österreich noch etwas Besonderes war: „In den 1970er Jahren hat niemand geglaubt, dass dieser rohe Fisch auf dem patzigen, sauren Reis in Österreich ein beliebtes Gericht werden könnte.“ Gelungen sei das auch, weil Sushi anfangs im Luxussegment angeboten und dadurch als erstrebenswert angesehen wurde. Außerdem besteche es durch seine bunte Ästhetik. Da tue sich das Heuschrecken-Marketing doch etwas schwerer.

Man könne sich den Ekel aber auch selbst abtrainieren, sagt Dürrschmid. Dazu müsse man sich die positiven Seiten des Lebensmittels immer wieder vor Augen führen und vor allem davon probieren: „Dann kann es sein, dass eine Art ‚linking by tasting‘ Effekt eintritt“. Schmecken die Insekten, speichert das Gehirn das ab und merkt sich auch, dass der Verzehr zu keinen negativen Folgen im Verdauungstrakt geführt hat – das lässt den Ekel auf lange Sicht zumindest kleiner werden.