Beim Ausbruch von schweren Infektionskrankheiten oder gar Pandemien ist es wichtig, schnell zu reagieren und geeignete Schutzmaßnahmen zu setzen. Da sich Viren nicht an Staatsgrenzen halten, ist dabei ein weltweiter Informationsaustausch unabdingbar – auch Entscheidungsträger in anderen Teilen der Welt sollten über die Gefahren Bescheid wissen, die von aufkommenden Krankheitserregern ausgehen.
Aus diesem Grund veröffentlicht die WHO seit dem Jahr 1996 ihre offiziellen “Disease Outbreak News“ online. Die frei zugänglichen Meldungen beinhalten neben Informationen zur Ausbreitung einer Krankheit auch Auskünfte darüber, wie betroffene Länder damit umgehen.
Immer mehr Infektionskrankheiten
Ein US-amerikanisches Forschungsteam um die Medizinerin Rebecca Katz von der Georgetown Universität in Washington nahm die WHO-Meldungen nun genauer unter die Lupe. Das Team analysierte rund 2.800 „Disease Outbreak News“ vom Beginn der Berichterstattung an bis zu den Anfängen der Coronavirus-Pandemie im Dezember 2019.
Die Forscherinnen und Forscher hatten grundsätzlich nicht das Ziel, die Krankheitsausbrüche zu quantifizieren und miteinander zu vergleichen. Bei der Analyse der Berichte zeigte sich dennoch, dass die Zahl der gesamten globalen Krankheitsausbrüche in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist.
Katz war von dem beobachteten Trend aber nicht überrascht, wie sie im Interview mit science.ORF.at sagt: „Wir wissen schon aus anderen Studien und auch aus unserer langjährigen Erfahrung, dass es einen sehr deutlichen Anstieg bei den weltweiten Infektionskrankheiten gibt“. Laut der Medizinerin handelt es sich um einen Trend, der sich auch in Zukunft wahrscheinlich fortsetzen wird.
Influenza, Ebola und Gelbfieber
Die Gesamtanzahl der weltweiten Krankheitsausbrüche war laut Katz kaum zu ermitteln, die Analyse der WHO-Berichte ergab aber dennoch ein paar konkrete Daten. Demnach waren bestimmte Krankheiten öfter im Fokus der WHO als andere. In fast 800 der insgesamt knapp 2.800 Meldungen ging es um Ausbrüche der “echten Grippe“. Das Influenza-A-Virus war demnach für die meisten WHO-Berichte der vergangenen 23 Jahre verantwortlich.
Zahlreiche Meldungen gab es auch über MERS-CoV und Ebola – beide Infektionskrankheiten sorgten für jeweils knapp über 300 Meldungen. Länder, die in den „Disease Outbreak News“ besonders oft vorkamen waren China, Saudi-Arabien und die Demokratische Republik Kongo.
Kritik an WHO-Berichten
Wie viel die Anzahl der WHO-Berichte aber tatsächlich über die Ausbreitung und Häufigkeit einer Infektionskrankheit aussagt, ist laut der Medizinerin nicht ganz klar. Die Berichterstattung der WHO lasse ihrer Meinung nach in bestimmten Bereichen noch zu wünschen übrig. Das eigentliche Ziel der US-amerikanischen Studie, die Katz mit ihrem Team aktuell im Fachjournal „PLOS Global Public Health“ präsentiert, war daher, mehr Klarheit in die Berichterstattung der WHO zu bringen.
„Es fehlt die Einheitlichkeit und es ist nicht klar geregelt, welche Krankheitsausbrüche es wert sind, um darüber zu berichten“, so Katz. Als Beispiel nennt die Medizinerin etwa Milzbrand. Dabei handelt es sich um eine Infektionskrankheit, mit der sich unter anderem Rinder immer wieder anstecken – in den Berichten der WHO ist Milzbrand aber nur sehr selten ein Thema.
Genauere Daten für die Forschung
Die fehlende Standardisierung und nicht vorhandene Regelungen machten die „Disease Outbreak News“ laut Katz für die Wissenschaft bisher oft unbrauchbar. In den letzten Jahren habe sich die Berichterstattung zwar in manchen Bereichen gebessert, für wissenschaftliche Vergleiche und die Nutzung in Studien sind die Daten aber immer noch nicht genau genug.
Das Team um die Medizinerin hat daher alle 2.800 Meldungen händisch codiert und die relevanten Informationen in eine eigene Datenbank übertragen, die Forscherinnen und Forscher für ihre Arbeit nutzen können. „Wir haben hier ein leicht zugängliches und standardisiertes Werkzeug erschaffen und hoffen sehr, dass es auch angenommen wird“, so Katz.
Basis für spannende Fragen
Die Datenbank könnte etwa dazu beitragen, mehr über die Gründe für die häufiger werdenden Krankheitsausbrüche zu erfahren: „Mit den Daten aus fast 25 Jahren kann man spannende Fragestellungen untersuchen, etwa, wie sehr die Folgen der Klimaerwärmung mit dem steigenden Infektionsgeschehen zusammenhängen“.
Katz fordert aber auch die WHO dazu auf, die offiziellen Meldungen künftig so zu gestalten, dass sie von vornherein für die Forschung brauchbar sind. Das könnte dabei helfen, bei potenziell gefährlichen Krankheitsausbrüchen schneller zu reagieren und die Auswirkungen auf die Bevölkerung zu minimieren.