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cienpies – stock.adobe.com
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Künstliche Intelligenz

Die Grenzen der maschinellen Übersetzung

Maschinelle Sprachtechnologien werden immer öfter eingesetzt, etwa für Übersetzungen. Bei manchen Sprachen funktioniert das besser als bei anderen. Davon, Literatur zu übersetzen, ist künstliche Intelligenz aber weit entfernt: Noch passiere es leicht, dass die Software in Kapitel sieben nicht mehr „weiß“, was in Kapitel drei geschehen sei, erzählen zwei Fachleute im Gespräch mit science.ORF.at.

„Ohne dass man es überhaupt mitbekommt“ werden maschinelle Sprachtechnologien mittlerweile sehr häufig eingesetzt, um von einer Sprache in eine andere zu übersetzen, sagt die Informatikerin Sabrina Burtscher von der TU Wien. So nutzen etwa viele Internetbrowser automatische Übersetzungen für Websites, und auf YouTube und anderen Social-Media-Plattformen werden Untertitel für Videos automatisch erstellt. Bei der maschinellen Übersetzung wird ein Text von einem Computer in die Zielsprache übersetzt – ganz ohne menschlichen Eingriff.

Der große Vorteil sei, dass dadurch Inhalte in Sprachen zugänglich gemacht werden können, in denen sie sonst vielleicht nicht verfügbar wären, so Burtscher. Die Qualität der Übersetzung könne aber sehr stark schwanken: „Je kleiner die Sprachgruppe und je weniger angesehen die Sprache, desto schlechter werden die Übersetzungen.“ Denn wie gut maschinelle Sprachtechnologien übersetzen, hängt von den Daten ab, mit denen sie trainiert wurden. Genauso wie es auch bei anderen Sprachtechnologien der Fall ist, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, wie etwa dem Textgenerator ChatGPT.

In der maschinellen Übersetzung verloren

„Tools zur maschinellen Übersetzung wie Google Translate können durchaus brauchbar sein, wenn jemand, der beispielsweise kein Französisch kann, einen französischsprachigen wissenschaftlichen Text lesen möchte“, sagt der Mathematiker Lukas Daniel Klausner von der FH St. Pölten. Wolle man aber etwas in Nepali oder einer Bantu-Sprache lesen, dann brauche es schon Glück, um überhaupt einen automatischen Übersetzungsdienst zu finden, der diese Sprachen unterstützt.

Und auch bei Sprachen wie etwa Englisch, Spanisch und Deutsch, in denen sich durch Übersetzungssoftware sehr gute Ergebnisse erzielen lassen, sollte man sich nicht ganz auf die Technologie verlassen. Denn, so Burtscher: „Der Mensch behält den Kontext beim Lesen immer im Hinterkopf, auch wenn Inhalte über mehrere Seiten oder über einen längeren Zeitraum erzählt werden“. Ganz im Gegensatz zur KI: Ziehen sich Zusammenhänge im Textfluss einige Zeilen nach hinten, passieren Fehler, die zu falschen Übersetzungen führen können, sagt Burtscher. Und auch Stilmittel und Atmosphäre können in der maschinellen Übersetzung leicht verloren gehen.

Den übersetzten Text sollte deshalb zur Kontrolle auf jeden Fall ein Mensch nachlesen, so die Informatikerin. Das betont auch Klausner: Bei der inneren Konsistenz und Kohärenz von Texten gebe es bei maschinellen Systemen noch viel Luft nach oben. „Und wenn die Protagonist:innen am Ende von Kapitel drei auf Pferden irgendwohin reiten, dann sollten sie in Kapitel sieben dort nicht auf Maultieren ankommen.“

Im Literaturbereich oft gar nicht notwendig

Für die Übersetzung von Literatur reichen die Möglichkeiten der Sprachtechnologien also noch nicht – ein Bereich, in dem maschinelle Übersetzung aber ohnehin nicht unbedingt gefragt ist. Das liege neben der Komplexität der Übersetzung auch daran, dass gerade bei bekannten Autoren und Autorinnen gar nicht die Notwendigkeit bestehe, in der Übersetzung „auf die billige Variante auszuweichen“, so Burtscher. Und beim Einsatz von künstlicher Intelligenz gehe es „grundsätzlich immer darum, Menschen zu ersetzen, weil sie zu teuer sind.“

Professionelle Übersetzung durch Menschen koste natürlich mehr Geld, bei namhaften Autorinnen und Autoren rentiere sich das aber, sagt auch Klausner: „Wenn dadurch nur fünf Prozent mehr verkauft werden, dann hat der Verlag das Geld leicht wieder herinnen.“

Vergleich mit „Herr der Ringe“

Texte wiederum, die aus finanziellen Gründen gar nicht übersetzt würden, können durch maschinelle Übersetzung in mehreren Sprachen zugänglich gemacht werden. Auch wenn es bei der Qualität der Übersetzung noch hapert. Für Bücher, hinter denen keinen großen Verlagshäuser stehen, bestehe dadurch überhaupt erst die Möglichkeit, von mehr Menschen gelesen zu werden, so Klausner. Interessant könnten Sprachtechnologien etwa im Bereich des Selfpublishing sein, also für Autoren und Autorinnen, die ihre Bücher selbst verlegen.

Irgendwann werden vielleicht auch die Bücher von Bestsellerautorinnen und -autoren von Computern übersetzt. Diese Entwicklung vergleicht Burtscher mit dem Buckdruck und erinnert daran, wie lange es dauerte, bis die Erstausgabe von „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien gesetzt war: „Tolkien verwendete Schreibweisen und Wörter, die die Buchdrucker:innen nicht gekannt haben. Bis die drei Bücher fertig gesetzt waren, hat es zig Feedbackschleifen gebraucht.“ In ähnlicher Weise müsse auch maschinelle Übersetzung erst dazulernen.