Elch in freier Wildbahn
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Biologie

Genug Platz für Elch und Wisent

Die Chancen für eine Rückkehr von Elch und Wisent nach Mitteleuropa stehen nicht schlecht, die Tiere fänden laut einer neuen Studie dort viele mögliche Lebensräume vor. In Österreich könnten sie sich etwa im Böhmerwald wiederansiedeln.

Allerdings behindert menschliche Aktivität die Ausbreitung der Tiere – etwa Autobahnen, die Landschaften durchschneiden.

Lange Zeit ansässig

Tausende Jahre lang spielten große Pflanzenfresser wie Wisent und Elch eine wichtige Rolle in europäischen Ökosystemen. Allerdings wurden sie in der jüngeren Vergangenheit vom Menschen aus vielen Gebieten verdrängt. Seit einigen Jahren breiten sich beide Arten aus Osteuropa heraus nach Westen aus, vereinzelt werden Wisente etwa in Ostdeutschland und Elche in Österreich gesichtet.

Verschiedene Faktoren sind dafür verantwortlich. Im Fall des auch Europäischer Bison genannten Wisent (Bos bonasus) etwa mehrere Wiederansiedlungsprojekte. Damit konnte die Population der praktisch ausgerotteten Rinderart ausgehend von ein paar Dutzend in den 1920er Jahren in Gefangenschaft gehaltenen Tieren auf fast 7.000 mehr oder weniger freilebende Tiere (2020) in zehn Ländern wieder ausgebaut werden. Auch strengere Jagdvorschriften spielen eine Rolle, wie das Beispiel Polen zeigt: Seit dort 2001 ein Jagdverbot für Elche verhängt wurde, hat sich die Population der Hirschart auf rund 30.000 Individuen vergrößert.

Große potenzielle Lebensräume

Ein Forschungsteam um Hendrik Bluhm von der Humboldt-Universität zu Berlin, dem auch der oberösterreichische Landschaftsökologe Thomas Engleder angehörte, hat nun große Datensätze von Elch- und Wisentvorkommen verwendet, um geeignete Lebensräume zu identifizieren und ihre potenzielle Verbreitung Richtung Westen zu bewerten. Sie konzentrierten sich dabei auf Österreich, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Polen und die Slowakei und damit auf ein über 900.000 Quadratkilometer großes Untersuchungsgebiet.

„Uns hat überrascht, wie viele ökologisch geeignete Lebensräume wir für beide Arten identifizieren konnten“, erklärte Bluhm in einer Aussendung. Für den Wisent würden sich im gesamten Untersuchungsgebiet laut der im Fachjournal „Diversity & Distributions“ veröffentlichten Studie insgesamt 120.000 Quadratkilometer als Lebensraum eignen, für den Elch 244.000 Quadratkilometer.

Böhmerwald, Dürrenstein, Allentsteig

In Österreich werden in der Publikation Mittelgebirgslagen wie etwa der Böhmerwald oder die weitere Umgebung des Wildnisgebiets Dürrenstein genannt, die gute Bedingungen für den Wisent bieten. Engleder, der dem „Luchsprojekt Österreich Nordwest“ angehört, betont gegenüber der APA, dass für eine Wiederansiedlung des Wisent in Österreich wohl ein größeres Gebiet eines einzelnen Grundbesitzers notwendig wäre, das man auch teilweise für eine Eingewöhnungszone einzäunen könnte. Als potenzielles Areal nannte er den Truppenübungsplatz Allentsteig im Waldviertel (NÖ).

Beim Elch gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Sichtungen im Wald- und Mühlviertel. Laut Engleder beherbergt der Böhmerwald und die ihn umgebende Grenzregion zwischen Tschechien, Bayern und Österreich das südwestlichste Vorkommen von Elchen in Europa. Die ohnehin kleine Population in dem Gebiet sei aber in den vergangenen Jahren geschrumpft – vor allem durch Verkehrsunfälle, aber auch durch Wilderei.

Um ein nachhaltiges Überleben der Elchpopulation im Dreiländereck zu ermöglichen seien „grenzüberschreitende Schutzmaßnahmen, allen voran die Verhinderung von Verkehrsunfällen und illegalen Tötungen notwendig“. Die Studie ortet aber auch „über Südösterreich verstreute potenzielle Lebensräume“ für den Elch.

Autobahnen als Barrieren

Die Untersuchung zeigte weiters, dass beim Wisent etwa 51 Prozent und beim Elch rund 41 Prozent der grundsätzlich geeigneten Lebensräume unter geringem menschlichen Druck standen. Je weiter westlich im Untersuchungsgebiet, umso höher sei der Druck durch menschliche Aktivität. Ein starkes Ost-West-Gefälle haben die Fachleute auch bei der Verbindung (Konnektivität) der potenziellen Habitate festgestellt. Besonders hoch eingezäunte Autobahnen und Schnellstraßen würden Barrieren für Wisent und Elch darstellen.

„Generell zeigt unsere Studie, dass große Pflanzenfresser selbst in stark vom Menschen veränderten Landschaften, wie in Europa, einen geeigneten Lebensraum finden können“, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Da Wisent und Elch die Fähigkeit zeigen, die Anwesenheit des Menschen zu tolerieren und sich an vom Menschen veränderte Landschaften anpassen können, sei „eine Wiederbesiedlung wahrscheinlich“. Engleder verweist auch auf den Nutzen der beiden Arten, etwa wenn es um das Offenhalten von Flächen, die Schaffung und Förderung von strukturreichen Landschaften und damit die Erhöhung der Biodiversität geht.

Als entscheidend für eine Rückkehr bezeichnen die Fachleute vor allem die gesellschaftliche Akzeptanz der beiden Arten und wie man mit Konflikten umgehe. Denn Wisent und Elch könnten Nutzpflanzen und Bäumen große Schäden zufügen, auch wenn diese geringer seien als jene durch Rotwild, Rehe oder Wildschweine, die viel häufiger vorkommen. Als weitere potenzielle Konfliktquelle werden Verkehrsunfälle mit den Tieren genannt.